Wunstorf (ds). Die Trennlinie verlief praktisch durch den Rathaushof: Auf der einen Seite Andreas Lange, der während des Aktionszeitraums vor allem seinen Arbeitsweg zwischen Wunstorf und Hannover zurückgelegt hatte – und auf der anderen Seite Heike Leitner, die während der Stadtradelwochen ihre Urlaubswege in den USA primär mit dem Rad zurücklegte. Während Lange zu den Fahrradwegbefürwortern zählt, am liebsten fernab des motorisierten Verkehrs auf extra gebauten Radwegen oder im Grünen fährt, genoss Leitner die Vorteile der Fahrradspuren direkt auf der normalen Fahrbahn. Mit den Fahrradspuren in Colorado haben bundesdeutsche Radschutzstreifen allerdings auch wenig gemeinsam.
Die Vereinigten Staaten gelten in der hiesigen Wahrnehmung als absolute Autofahrernation, wo nur Lebensmüde Fahrrad fahren. Mit diesem Mythos räumte Leitner auf: Das Fahrradfahren in ihrem Urlaubsort war komfortabel und sicher. Das lag zum einen an der vorhandenen Infrastruktur: die Radspuren auf den Straßen waren etwa dreimal so breit wie hierzulande. Andererseits fuhren die US-Autofahrer auch viel rücksichtsvoller als die deutschen. Das Verhalten gegenüber Radfahrern sei grundsätzlich von großer Rücksichtnahme geprägt, wusste Leitner zu berichten. Das läge wohl aber auch am dortigen Rechtssystem, wo die Autofahrer bei Unfällen zunächst immer erst einmal die Schuld hätten. Direkt auf den Straßen kam sie flott voran.
Auch die Busmitnahme gestaltete sich völlig problemlos. Das Fahrrad konnte zu jeder Tageszeit wie selbstverständlich einfach direkt mit in den Bus genommen werden. Sogar ein Fahrradleihsystem hätte es gegeben – doch stundenweise Abrechnung wäre zu unflexibel gewesen, daher wurden günstige eigene Fahrräder angeschafft. Auch die Fahrradkultur in Firmen sei eine ganz andere als hierzulande: Es gibt Fahrradlotterien, und statt der „goldenen Uhr“ bekommt man als Anerkennung für lange Betriebszugehörigkeit in US-Firmen auch schon mal ein Fahrrad geschenkt. Probleme gab es allenfalls, eine gewisse Logistik zu erarbeiten, wenn man komplett aufs Fahrrad setzen wollte – z. B. für größere Einkäufe über weitere Distanzen.
Mit stets gut gefetteter Kette und aufgepumpten Reifen absolvierte Andreas Lange die komplette Wegstrecke zum Arbeitsplatz nach Hannover mit dem Rad, wann immer das Wetter es zuließ. An regnerischeren Tagen ging es mit dem Rad nur von Luthe zum Wunstorfer Bahnhof – und von dort dann mit der Bahn weiter. Wenn der Arbeitsweg jedoch komplett zurückgelegt wurde, dann dauerte er tatsächlich nicht länger als mit dem öffentlichen Nahverkehr oder mit dem Auto bei Stau auf der A2 – eine gute Stunde.
Um Fahrraddiebstahl musste sich der in der Region radelnde Stadtradel-Star dabei keine Sorgen machen, er konnte das Rad bei seinem Arbeitgeber auf einem bewachten Parkplatz abstellen. Sogar eine Duschmöglichkeit gab es im Firmengebäude.
Als er das Schloss einmal vergessen hatte, ging er in der Mittagspause aber trotzdem noch ein zusätzliches kaufen – und hat nun für alle Fälle doppelten Diebstahlschutz.
Die Probleme, auf die Andreas Lange stieß, waren anderer Natur, nämlich teils dichter Autoverkehr in Hannover und zugeparkte Radstreifen, die enorm ausgebremst hätten. Das Radfahren durch die List wäre weniger schön gewesen. Vollbremsungen auf gemeinsamen Rad-/Fußwegen wurden nötig wegen Hundeleinen und unberechenbar-verträumt durch die Gegend wandelnder Kopfhörerträger. Aber auch deutsche Autofahrer können nett sein: Immerhin einmal winkte ein Auto trotz eigener Vorfahrt Andreas Lange durch, damit er nicht bei einer Steigung absetzen musste.
Als Anerkennung für das erfolgreiche Stadtradeln überreichte Wunstorfs Klimamanagerin Karina Lehmann den beiden „Stadtradel-Stars“ noch eine Fahrradpacktasche – und Heike Leitner nachträglich noch ihren Fahrradcomputer.
Lehmann wies noch einmal auf das tolle Gesamtergebnis, die vielen erfahrenen Kilometer hin, die Wunstorf sogar den Regionssieg in einer Kategorie brachten, würde sich für das nächste Mal aber auch noch mehr Teilnehmer wünschen. Doch dazu ist wohl noch mehr Aufklärungsarbeit nötig, Andreas Lange berichtete von Wissenslücken bei seinen Gesprächspartnern zum Thema Stadtradeln: Nur als Stadtradel-Star gibt man seinen Autoschlüssel für den Aktionszeitraum komplett beim Bürgermeister ab – alle anderen Teilnehmer entscheiden selbst, wann, ob und wie oft sie das Fahrrad zusätzlich zum Auto benutzen wollen.
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