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Warum die Nordumgehung auch nur ein schlechter Weihnachtsmann ist

25.11.2017 • Vanessa Schön • Aufrufe: 1901

Das Hirn des normalen vernunftbegabten Menschen, so rational er auch sein mag, ist trotzdem und vielleicht gerade zu dieser Jahreszeit sehr empfänglich für ein kleines bisschen Magie und Irrationalität.

25.11.2017
Vanessa Schön
Aufrufe: 1901

Das Hirn des normalen vernunftbegabten Menschen, so rational er auch sein mag, ist trotzdem und vielleicht gerade zu dieser Jahreszeit sehr empfänglich für ein kleines bisschen Magie und Irrationalität. Man ist gewillt, ohne es zuzugeben, auch mal an die Dinge zu glauben oder mitzumachen, die man doch tatsächlich sachlich betrachtet für ausgeschlossen halten müsste. Dinge, Menschen, Sachverhalte, die man Kindern erzählt, um sie mit großen staunenden Augen verzaubert oder ein bisschen fürchtend zurückzulassen. Alte Bräuche und moderne Märchen, die uns glauben lassen, dass es da außerhalb unseres Verstandes noch etwas mehr gibt. Etwas rational nicht Erfassbares. Das sind auch diese Dinge, von denen  seit jeher die Alten erzählen, doch nie hat es einen tatsächlich verifizierten Hinweis auf deren Existenz gegeben. Alles was bleibt, ist der Glaube daran. Und dieser Glaube macht Mut und trägt sich über die Jahrzehnte hinweg, vererbt sich von Generation zu Generation, und auch wer die Hoffnung schon längst verloren hat, lässt den anderen diese Hoffnung.  Oder den Glauben. Oder die Angst. Hoffnung/Glaube/Angst, dass die Nordumgehung eines Tages gebaut wird!

Ich bin jetzt schon fast vierzig Jahre alt und ich erinnere mich noch gut daran, wie es damals war, als meine Eltern am Ortsrand von Klein Heidorn ein Haus bauten und sich einige Zeit später die Gespräche der Erwachsenen darum drehten, dass quasi hinterm Garten jetzt die Nordumgehung gebaut werden würde. Für ein Kind um die 10 war meine Vorstellung der Nordumgehung die einer sechsspurigen Autobahn à la „Auf dem Highway ist die Hölle los“. Und das hinterm Baumhaus meines Bruders. Katastrophe! Man rechnete mit dem Verlust der Wohn- und Lebensqualität. In Kürze. Passiert ist allerdings nichts. Irgendwann verschwand dieses Thema wieder in der Versenkung. Und zumindest in meiner Wahrnehmung für fast 20 Jahre. Ich dachte tatsächlich, der Plan wäre damals verworfen worden. Dann wurde die Nordumgehung wieder Thema, als Freunde, deren Pferde in Blumenau stehen, berichteten, dass man sich Sorgen machte, wo  die Pferde stehen könnten, wenn doch nun die Wiese bald der Nordumgehung zum Opfer fiele. Und was wird aus den biologischen Anbauflächen des Blumenauer Bioland-Hofs? Andere Felder? Wie lange dauert es, bis der Boden „bio“ ist? Und die Pferde. Andere  Weiden? Ein anderer Stall? Wohin könnte eine komplette Stallgemeinschaft bitte umziehen? Und alles nur wegen der Nordumgehung. Passiert ist, Sie wissen es ja, nichts.

Wieder ein paar Jahre später zierte dieses Plakat kurz vor der Ortseinfahrt Wunstorf den Acker. Ich weiß nicht mehr so genau, was draufstand und ob Pro oder Contra, aber es ging mal wieder um Wunstorfs größten urbanen Mythos: Die Nordumgehung. Eine Freundin, die in der Senator-Meier-Straße wohnte, machte sich Sorgen um Geräusch- und Abgasbelästigung, wenn sie von ebendieser Schnellstraße nur noch durch den Friedhof getrennt sei. Passiert ist allerdings, was soll ich Ihnen sagen, nichts.

Noch immer (oder gerade wieder) gibt es diese Treffen zur Anwohner-/Bürgeraufklärung. Die haben doch schon eine Art Charakter eines Klassentreffens, oder? Alle 5-10 Jahre einmal wieder mit allen in einer Aula, dem Stadttheater oder sonst wo. Manche sind dafür, manche dagegen, einige wollen nur gern informiert sein. Und trotzdem bringt ja jede dieser Veranstaltungen erst mal wieder etwas Schwung in die Thematik. Denn JETZT ist es so weit. Jetzt wird sie gebaut. Immer.

Ich muss für meinen Teil sagen: So lange dieses „jetzt“ ein ebenso sphärischer und schwer zu erfassender Zeitpunkt ist wie der Tag, an dem ich endlich mal ernsthaft beginne, die „10 Kilo zu viel“ abzunehmen, kann ich mich für diese Thematik nicht mehr ereifern. Ich bin abgestumpft. Ich glaube nicht mehr dran. Und jetzt, wo ich das schreibe, erkenne ich ggf. einen finsteren Plan der Stadtverwaltung, uns mürbe zu machen. Hatte man langfristig geplant, uns ungläubig und protestmüde zu machen? Und irgendwann steht man morgens auf und – ZACK – hat da wer unbemerkt die Umgehungsstraße gebaut? Mag sein, aber für allzu viel Weitsicht sind deutsche Verwaltungen ja eigentlich nicht bekannt. Wir werden sehen. Bis dahin verfahre ich  weiter so wie immer und meide Wunstorf zu den bekannten Chaoszeiten oder nehme das Rad. Wenn wir Besuch von außerhalb bekommen, empfehle ich gern, sich ab Höhe Luthe mal Dieter Wischmeyers „Bomben über Wunstorf“ anzuhören.

Denn der Stadtgraben lässt sich viel besser verarbeiten, wenn man die Realsatire erkennt, in der man gerade mitspielt, und sie sich von Herrn Wischmeyer erklären lässt. Geteiltes Leid ist halbes Leid, sagt meine Oma immer.

Und auch wer glaubt, ich sei, da ich ja mittlerweile in Hagenburg wohne und arbeite, verschont von den Auswirkungen der Nordumgehung, der irrt gewaltig, denn in all den Jahren ist die Nordumgehung in den Köpfen der Leute geblieben und ist, wie es sich für eine Legende/einen Mythos gehört, moderat weitergewachsen. Sie führt nämlich vielleicht gar nicht mehr den Verkehr kurz hinterm Feuerhaus auf die Bundesstraße 441 zurück, sondern sie schießt schräg darüber hinweg und führt dann, so wie es ja von Anfang an geplant war, hinter meinem Garten entlang. Nur halt eben 30 Jahre später und nachdem ich mehrfach umgezogen bin. Zumindest hörte ich davon, aber passiert … na ja, passiert ist bislang nie was.

Bis bald,
Frau Piepenkötter

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