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Liebesgeflüster #3

10.01.2020 • Mirko Baschetti • Aufrufe: 334

Angst ist manchmal ein Arschloch und treibt uns zu Entscheidungen wider besseren Wissens.

10.01.2020
Mirko Baschetti
Aufrufe: 334

LiebesgeflüsterMeine Herzallerliebste,

bitte verzeih, dass ich bei unserem ersten Zusammentreffen vor nunmehr fast zwei Jahrzehnten die falsche Ausfahrt nahm und den vorbestimmten Weg nicht erkannt habe. Angst ist manchmal ein Arschloch und treibt uns zu Entscheidungen wider besseren Wissens. Es schmerzt, dies erst so spät erkannt zu haben. 

Nach all den Serpentinen meines Lebens und den endlos erscheinenden Irrfahrten breitet sich in Nächten, die unschlafbar sind, eine fürchterlich laute Ruhe in meinem Kopf aus. Dann höre ich die Wölfe, die in meinem Kerker heulen und all die aufgestaute Sehnsucht nach oben treiben, so dass Tränen wie Sturzbäche über mein Gesicht rinnen. Wo warst du bloß die ganze Zeit? Es zerreißt mich förmlich, wenn ich zu sehr darüber nachdenke. Wo hast du dich herumgetrieben? Welche fremden Münder haben dich beküsst und in welchen Armen hast du gelegen? Hat dein Geschlecht sich vielen anderen hingegeben und viele andere Säfte aufgenommen? 

Bitte verzeih, dass ich diesen Gedanken zu sehr Raum und Energie gebe. Ich will nichts missen und nichts bereuen müssen und stattdessen der Vergangenheit danken, dass sie mich zu dem Mann gemacht hat, der ich heute bin und der diese neue alte Liebe zu dir so wertschätzt und achtet, wie sie es verdient hat. Sie mag an der Oberfläche zerbrechlich wie eine keimende Pflanze erscheinen, aber im Grund hat sie starke, gefestigte Wurzeln, an die kein Orkan heranreicht. 

Ich habe mich all die Jahre immerzu in die Ferne gesehnt, unternahm Wanderungen bis ans Ende der Welt, erklomm die höchsten Gipfel, kämpfte gegen Bestien und innere Dämonen und trieb fortwährend orientierungslos auf dem Ozean des Lebens. Doch alles, wonach ich mich wirklich verzehrte, was ich wirklich ersehnte, war, in Arme zu fallen, die mir Heimat und Hafen sind. Danke, dass ich nun endlich ankommen und Anker anlegen durfte. Das Herumirren hat mich so unfassbar ermüdet und mich beinahe zermürbt. Nun ruhe ich sanft zwischen den Weiten deiner Brust. Und atme dich in mich hinein.

Dein Liebster

PS: Hoffentlich gefriert das Steinhuder Meer dieses Jahr, damit wir endlich einige Pirouetten drehen und Purzelbäume auf dem Eis schlagen können.

Dieser Liebesbrief erschien zuerst in Auepost 12/2019

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