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Der Wunstorfer Weltenbummler Frank Killat

08.02.2021 • Redaktion • Aufrufe: 1721

Viele träumen davon: auswandern, die alte Heimat hinter sich lassen, ferne Länder erkunden und ganz woanders ein neues Leben beginnen. Wenige machen sich wirklich auf die Reise. Einer, der es tat, ist Frank Killat aus Wunstorf.

08.02.2021
Redaktion
Aufrufe: 1721

Viele träumen davon: auswandern, die alte Heimat hinter sich lassen, ferne Länder erkunden und ganz woanders ein neues Leben beginnen. Wenige machen sich wirklich auf die Reise. Einer, der es tat, ist Frank Killat aus Wunstorf.

Die Deutschen zählen zu den reisefreudigsten Völkern der Welt. Doch für die meisten ist es nur eine kurzzeitige Flucht aus dem Alltag, der Deutsche ist auch sehr heimatverbunden. Alles, was über den Urlaub, die Pilgerreise oder womöglich noch das Sabbatjahr hinausgeht, gehört in den Bereich des Exotischen. Der endgültige Bruch, der Neuanfang in einem anderen Land oder gar auf der anderen Seite der Welt, diesen Schritt gehen die wenigsten – dem Eindruck aller Auswanderer-Dokusoaps im Fernsehen zum Trotz.

Auf dem Weg zur roten Pyramide

Auf dem Weg zur roten Pyramide | Foto: privat

194 Länder gibt es auf der Erde. In 52 davon war Frank Killat schon, vier weniger, als er Jahre alt ist. Zwei Weltreisen hat er in den Jahren 2007/2008 und von 2011 bis 2013 unternommen und ist schon zuvor immer wieder losgezogen ins Abenteuer. Er hat alle Kontinente gesehen. „Reisen ist mein Hobby“, sagt der Diplomkaufmann, der als Vertriebler im Telekommunikationssektor arbeitet. Die besuchten Länder in seiner Liste hat er „richtig“ bereist – wochenlang. „Einmal mit dem Flugzeug zwischenlanden zählt nicht“, sagt er. Dem Massentourismus – der Kreuzfahrt oder dem Cluburlaub – kann er dementsprechend nicht viel abgewinnen. „Das ist alles Bullshit in meinen Augen“, fügt er an. Die Leute würden dort auch nichts erleben, stattdessen aber „richtig Geld“ dafür bezahlen. Auf den Traumschiffen liefen die Menschen immer nur zum Buffet und erzählten dann hinterher, in wie vielen Ländern sie schon gewesen seien. Wenn Killat loszieht, dann auf eigene Faust, mit Rucksack und Zelt.

Einer von nebenan

Wir besuchen Killat zu Hause in seiner Wohnung. Dass er heute wieder in Wunstorf lebt und uns von seinen Reisen erzählt, ist im Grunde Zufall, denn eigentlich war es anders geplant. Die Heimat hat ihn nebenbei eingeholt. Seit einigen Jahren arbeitet er wieder in seinem alten Beruf. Er ist alleinstehend, bewohnt eine Eigentumswohnung in einem Apartmentblock in der Kernstadt. Der Blick aus dem großen Wohnzimmerfenster der Erdgeschosswohnung geht auf die Häuserfront des gegenüberliegenden Häuserblocks. Balkon neben Balkon. Auf den ersten Blick deutet nichts darauf hin, dass hier ein Weltenbummler lebt. Geradezu nüchtern ist Killat eingerichtet, wenn auch farbenfroh – die kräftigen Akzentfarben geben jedem Raum eine besondere Note. Es hallt im Wohnzimmer. Im Bücherregal steht „Überleben“ von Rüdiger Nehberg. Über der Zimmertür hängt ein Bumerang. In seiner Wohnung hängen nur Fotos, die er selbst gemacht hat. Viele in Postergröße.

Mit dem Landcruiser durch die Salzwüste

Mit dem Landcruiser durch die Salzwüste | Foto: privat

Die wohnliche Spartanität liegt auch daran, dass Killat es absolut ernst meinte mit dem Auswandern. Schon während des BWL-Studiums hatte er zweimal ein Urlaubssemester eingelegt und war als Rucksacktourist durch Australien und Südostasien gezogen. Auch danach war die Sehnsucht nach der Welt noch lange nicht gestillt. Irgendwann würde er woanders leben, das blieb das Ziel. Vor bald 15 Jahren – da lebte er gerade in Köln, arbeitete in Essen – verdichtete sich der Plan immer mehr. „Jetzt musst du es langsam mal machen“, sagte er zu sich selbst. Der Entschluss, die Zelte völlig abzubrechen, reifte langsam, aber stetig. Etwa zwei Jahre dauerte es letztlich von der konkreten Idee bis zur wirklichen Abreise“, erzählt Killat.

Am liebsten hab ich’s, wenn ich nicht weiß, was mir passiert.

Er kündigte seinen Job, suchte sich aber nichts Neues. Seine damalige Freundin, Ärztin in einem Düsseldorfer Krankenhaus und erst ein dreiviertel Jahr mit ihm zusammen, wurde misstrauisch. Killat offenbarte sich – und seine Partnerin wurde mit der Tatsache konfrontiert, dass Killat mehr wollte als lange Urlaub machen. Aber nicht nur das Auswandern stand auf der Agenda, sondern eine große Weltreise, an dessen Ende erst wieder die Sesshaftigkeit stehen würde.

Seine Partnerin habe sich jedoch als „geländegängig“ erwiesen, wie Killat es nennt. Nun ging es darum, gemeinsam auszuwandern. Über ein Jahr ließ sich das Paar noch Zeit. Man sparte Geld an, besorgte Ausrüstung, streifte durch die Outdoorläden. Auch seine Freundin gab den Job auf. Killat kündigte die 120 Quadratmeter große Maisonettewohnung. Die Möbel wurden verschenkt, die Krankenversicherung gekündigt.

Nach Afrika und über den Atlantik

Mit 43 Jahren ging Killat samt Freundin auf die Reise ins Unbekannte – mit dem Plan, nicht wiederzukehren. „Die Idee war, frei zu sein, aus diesem Hamsterrad raus“, sagt Killat heute. Man wollte Land und Leute kennenlernen, und irgendwo weit weg dann wieder sesshaft werden. Denn die Abenteuerphase würde vorbeigehen. So ungeplant die Reiseroute ist, so realistisch ist man dann doch mit Blick auf die fernere Zukunft. Irgendwann müssen auch Langzeitreisende und Auswanderer wieder Geld verdienen, sich in der Fremde etwas Neues aufbauen. „Ich bin ja kein Alt-Hippie“, sagt Killat.

Straße in San Francisco

Straße in San Francisco | Foto: privat

Die vage Idee war, vielleicht in Kanada zu bleiben, vielleicht in Australien. Vielleicht auch in Skandinavien. Aber es gab von vornherein kein festes Ziel. Wie sollte man sich auch entscheiden für ein Land, wenn man es noch gar nicht kennengelernt hat? „Heute links, morgen rechts“, das sei der eigentliche Reiseplan gewesen. Im Jahre 2007 ließ man den Traum wahr werden. Spanien, Portugal, Marokko, Ägypten, Tansania und Malawi waren die ersten Länder, in denen sich das Paar jeweils einige Wochen aufhielt. Durch Simbabwe und Mosambik ging es dann nach Südafrika. Von hier setzte man nach Argentinien über.

Touristenkäffer hab ich weitestgehend gemieden

In Afrika machte Killat zwei prägende Erfahrungen. Einerseits stieß er ausgerechnet in den ärmsten Ländern des Kontinents auf die kontaktfreudigsten, freundlichsten Menschen. Ihm wurde oft große Gastfreundschaft zuteil. Von Killat wollte hingegen niemand Geld annehmen, auch wenn er einige Male versuchte, etwas zurückzugeben. Wenn er eingeladen wurde, dann wurde er eingeladen, alles andere galt als größte Beleidigung. Dabei hätte auch Killat manchmal kaum etwas geben können, denn die Bargeldversorgung stellte die Reisenden in Afrika oft vor nicht geringe Hürden. In ganz Malawi gab es damals etwa nur zwei Geldautomaten. Einmal sei eine Frau auf ihn zugekommen, die ihn an einem Geldautomaten beobachtet hatte, und wollte wissen, wo man diese Wunderkarte herbekäme, mit der man Geld aus der Wand ziehen könne, erzählt er.

Für den Spitznamen auf die Bergspitze

In Südafrika habe er dann die Grenzen der menschlichen Freundschaft untereinander erlebt. Im Vielvölkerstaat seien sich viele nicht „grün“. Rassistische Diskriminierung, Migration und Grenzen, das sei kein allein deutsches oder europäisches Problem, sondern allein ein Problem der Dummheit der Menschen, sagt Killat. Südafrika habe elf verschiedene Stämme, und der eine Stammesangehörige arbeite nicht mit dem anderen Stammesangehörigen zusammen, wenn man sich zufällig im Job begegne.

Auf dem „Cotopaxi“ in Ecuador auf 5.807 Meter Höhe

Auf dem „Cotopaxi“ in Ecuador auf 5.807 Meter Höhe | Foto: privat

Natürlich bestieg Killat auch den Kilimandscharo. Nicht, weil er als höchster Berg Afrikas zum Pflichtprogramm gehörte, sondern weil es „sein“ Berg ist: Als Kind wurde er wegen seines Nachnamens auch „Killimandscharo“ genannt.

Später in Argentinien trennten sich dann die Wege von Killat und seiner Freundin. Es hatte sich herausgestellt, dass seine Gefährtin doch verwurzelter war, als zunächst angenommen. Als Familienmensch war die Verbindung zur Heimat zu stark. Schon kurz nach Beginn der Weltreise war die Freundin nach Deutschland zurückgeflogen, hatte „Urlaub von der Weltreise“ gemacht, um über Weihnachten bei den Eltern sein zu können. Sie kam zwar wieder und setzte mit ihm die Reise fort, doch während sich Killat alle 6 Wochen einmal bei seiner Mutter meldete, damit diese wusste, dass es ihm gutging, telefonierte die Freundin bald jeden Tag mit der Heimat – und weinte dabei am Telefon.

Die Beziehung hält der Reise nicht stand

Seine Freundin sei wohl damals nur deshalb mitgekommen, weil sie ihn nicht verlieren wollte, sagt Killat heute. Das habe er aber erst während der Reise gemerkt. Auch habe ihre Familie sie damals kaum gehen lassen, als diese von den Auswanderungsplänen erfuhr – er war seitdem der „böse Mann“ gewesen, der die Tochter entführte. „Ich habe ihr die Welt gezeigt, und sie zog permanent eine Trauermiene“, zeichnet Killat seinen damaligen Eindruck nach. Beim Ausrüstungskauf in den Outdoorläden, beim Ansparen von Geld wäre seine Freundin Feuer und Flamme gewesen, doch was es wirklich bedeutet, die Heimat hinter sich zu lassen, „on the road“ zu sein, in einfachsten Unterkünften und bisweilen auch auf Parkbänken zu schlafen, das habe sie wohl unterschätzt. Es zeigte sich, dass es mit der Weltenbummlerromantik doch nicht so weit her war. Die Beziehung hielt nicht. In Argentinien trennte man sich endgültig. Killat reiste allein weiter durch Südamerika, durch Chile, Peru und Bolivien.

Downtown in Sao Paulo, Brasilien

Downtown in Sao Paulo, Brasilien | Foto: privat

Killat erzählt die Geschichte ohne Verbitterung in der Stimme. Er hätte sowieso nie einer Frau zuliebe auf diese Reise verzichtet, meint er. Die Älteren hätten ihm als junger Mann bereits gelehrt: „Wenn du im Leben was machen willst, dann tu es. Füll dein Leben mit Zielen.“ Diesem Rat ist er gefolgt. Killat ist überzeugt, dass die Menschen nicht vom Schicksal getrieben werden, sondern selbst einen großen Einfluss auf ihr Leben haben. Wer mit seiner Situation, seinem Job oder seiner Beziehung nicht zufrieden ist, könne es doch einfach ändern. Viele jammerten jedoch bloß und würden sich nicht aufraffen können.

Überfallen in Bolivien

Anderthalb Jahre dauerte die Reise. Mit Sicherheit wäre er noch länger auf Reisen geblieben, doch mit dem Auswandern wurde es zunächst nichts. Dafür sorgte ein Überfall in Bolivien. Den Risiken auf seinen Reisen ist sich Killat durchaus bewusst und handelt umsichtig. Er versuchte sich auch immer am Rat von Einheimischen zu orientieren. Killat hat Erdbeben in Peru überstanden und Erfahrungen mit Schlangen in Australien gemacht. An der Copacabana Rio de Janeiros würden nicht nur die Strandschönheiten Stringtangas tragen, sondern auch die 60-Jährigen. Die gefährlichste Stadt sei aber Johannesburg, so seine Einschätzung. Auch in Casablanca und São Paulo hätten Dreck, Armut und Kriminalität geherrscht. In Rio hätte man nicht in die falsche Straße abbiegen dürfen. Geld zu zeigen sei generell sehr gefährlich, auch gegenüber Bettlern. Ein zweiter Mann könnte aus dem Gebüsch schießen und zuschlagen. Er hat auch andere Abenteurer getroffen, die mit an den Kopf gehaltener Waffe ausgeraubt wurden. Doch in Bolivien wurde er dann tatsächlich selbst zum Opfer.

Ich bin risikofreudig, aber nicht bescheuert

An einer Hotelrezeption lauerten Trickbetrüger. Er wurde von einer Gruppe Einheimischer eingekreist und abgelenkt. Als er die Situation begriff, war es schon zu spät: sein kleinerer Rucksack mit der Fotoausrüstung war verschwunden. Dass alle aus der Gruppe, die ihn umkreisten, unter einer Decke steckten, verstand er erst im Nachhinein. Er rannte zweien der Rucksackentführer hinterher, die sich mit seinem Eigentum entfernt hatten, doch sie entkamen. Es war sein Glück, denn er hätte wohl die Konfrontation gesucht, sagt er – und dann einer deutlichen Überzahl gegenübergestanden.

Vor dem „Licancabur“ in Bolivien

Vor dem „Licancabur“ in Bolivien | Foto: privat

Der Diebstahl war fast nervenschonend im Vergleich zu dem, was er danach mit der deutschen Botschaft erlebte. Denn es hatte sich nicht nur die Kamera im Rucksack befunden. Mit ihr waren sämtliche Papiere und Ausweisdokumente verschwunden. Mitten in La Paz merkte er sofort, dass er wieder in Deutschland war – als er auf deutsche Beamte traf. Hier ging es buchstabengetreu nach den Vorschriften. Um Ersatzdokumente zu bekommen, musste er zunächst eine Anzeige bei der bolivianischen Polizei nachweisen – die ihm bei einem korrupten Beamten 100 Dollar kosten sollte – worauf Killat aber nicht einging. Geld bekam er in der Botschaft auch nicht vorgestreckt. Seine Schwester musste von Deutschland aus erst Geld beim Auswärtigen Amt einzahlen. Die Botschaft zog noch 5 Prozent Gebühren ab, den Rest bekam Killat dann bündelweise in die Hand gedrückt – in Bolivianos, der örtlichen Währung, statt in Dollar, die er für den Flug nach Hause benötigt hätte. Denn einen neuen Reisepass konnte man ihm vor Ort auch nicht ausstellen, nur einen Einmalpass zur einmaligen Wiedereinreise nach Deutschland. Damit war Killat in Bolivien gestrandet, ohne Papiere und Geldkarten war an eine Fortsetzung der Weltreise nicht zu denken.

Die erleben nichts, zahlen aber richtig Kohle dafür!

Damit hatte sich auch die Auswanderung notgedrungen erst einmal erledigt. Mit dem Flugzeug ging es zurück nach Deutschland, mit dem Einmalpass zum Hinterher-Wegwerfen. Killat hat ihn heute immer noch. 30.000 Euro hatte ihn seine erste Weltreise bis dahin gekostet, bestritten aus Ersparnissen. Umgerechnet sei das trotzdem viel weniger, als wenn jemand drei Wochen Mallorcaurlaub buche, sagt Killat. Der Mallorcaurlauber habe dreimal mehr bezahlt, aber weniger erlebt: „Die erleben nichts, zahlen aber richtig Kohle dafür!“

Die drei „B“

Den gelernten Betriebswirt merkt man ihm an. Killat denkt analytisch, nennt die Dinge ohne Umschweife beim Namen. Und die Lebenserfahrung spricht aus seinen Worten. Man merkt in der ersten Minute: Hier ist nicht nur jemand, der die Welt gesehen hat, sondern der sie auch erklären kann. Er ist überzeugter Teetrinker, Kaffee hat er keinen zu Hause. Tagebuch schreibt er in einer Handschrift, die wie aus dem Computer geflossen aussieht: Gleichmäßig und akkurat, und seine Notizen geben keinen Hinweis darauf, dass sie teils unter widrigen Bedingungen während seiner Weltreisen aufgezeichnet wurden. Die Notizen hat er einerseits gemacht, um später vielleicht Vorträge zu halten oder Reiseliteratur schreiben zu können, aber auch, um die vielen Eindrücke zu verarbeiten. Denn einzelne Orte und Ereignisse verschwimmen sonst schnell ineinander.

Halb im Nebel liegend: Brücke der „Marin Headlands“ bei San Francisco

Halb im Nebel liegend: Brücke der „Marin Headlands“ bei San Francisco | Foto: privat

Für Killat zählen auf Reisen neben den Begegnungen mit Menschen anderer Kulturen vor allem drei Dinge: Berge, Brücken und Bauwerke – alte Bauwerke. Er liebt Berge und Vulkane, Wüsten, und auch die Kälte. Immer wieder schwärmt er während des Gesprächs auch von schneebedeckten Gebirgen. Die Anden sind ihm in Erinnerung geblieben. Wenn es nicht die Berge sind, dann sind es Leuchttürme und Brücken, die ihn faszinieren. Die Golden Gate Bridge, die „Mama aller Brücken“, hat es ihm angetan. Steifer Wind, im Nebel verschwindend – „ein Wahnsinnsbauwerk“, sagt Killat. Noch stärker beeindruckt hätten ihn nur die ägyptischen Pyramiden.

Ich bin gerne in Gegenden, wo keine Sau ist

Unterwegs war er immer mit einem 80-Liter-Rucksack und Zelt, um auch „in der Wüste“ übernachten zu können. Er sei mehr „auf der Abenteuerschiene“ unterwegs, sagt er. Die Menschen heute seien zu materialistisch, ist er überzeugt. Er hingegen sammele Erlebnisse und Erfahrungen anstelle von Dingen. Die Begegnung mit Menschen sei das A und O. Die Landessprache wäre dabei der Türöffner, sagt Killat, man dürfe die Leute nicht immer auf Deutsch oder Englisch ansprechen. Selbst ein auswendig gelernter Satz in der Landessprache würde zeigen, dass man sich Mühe gebe. Ein „Bitte“ oder „Danke“ in der Fremdsprache täte es auch, danach könne man sich mit Händen und Füßen verständigen. Natürlich sei es ihm aber auch zugutegekommen, dass er Englisch und Spanisch spreche. Über Fußball komme man immer schnell ins Gespräch.

Autos, Bier – und Hitler

Dass man als Deutscher einen unheimlich guten Ruf habe in der Welt, das hat Killat immer wieder erlebt. „Genauigkeit, Pünktlichkeit, Gründlichkeit, Fleiß … den Ruf haben wir weg“, unterstreicht er. „Wenn ein Deutscher sagt, er kommt um vier, dann kommt er um vier.“ Wenn er sich als Deutscher zu erkennen gab, dann sei er auch immer wieder auf dieselben Dinge angesprochen worden. Natürlich Autos und Bier. Dass es in Deutschland angeblich keine Geschwindigkeitsbegrenzungen auf den Autobahnen gibt, gehört ebenso zum weltweiten Allgemeinwissen. Und: „Hitler kennt jeder – und Frankfurter Würstchen.“

Killats Mietwagen vor dem „Balanced Rock“ in Lees Ferry, Arizona

Killats Mietwagen vor dem „Balanced Rock“ in Lees Ferry, Arizona | Foto: privat

Auch das Klischee vom graubrotvernarrten Deutschen erfüllt Killat. Wie gut die deutsche Küche wirklich ist, sei ihm erst aufgefallen, als er auf Reisen war. Er liebt das deutsche Brotangebot. „Diese Vielfalt an deutschem Brot gibt es nirgendwo“, sagt er mit einem Ausrufezeichen. Von Weißbrot habe er irgendwann „die Schnauze voll gehabt“. Pizza in Uruguay und Steak in Argentinien seien wunderbar, aber die vielseitige Küche wie in Deutschland finde man woanders nicht. Die einzelnen Mahlzeiten seien woanders zwar oft sehr gut, aber weniger abwechslungsreich. Nach 6 bis 8 Wochen habe er genug gehabt von der Einseitigkeit.

Heimweh nach Südamerika

Als er nach seiner ersten Weltreise nach Deutschland zurückgekehrt war, hatte der Wunstorfer zwar wieder große Brotauswahl, aber dafür keine Wohnung mehr. Killat kam bei Bruder und Schwester unter, und kurz darauf ergab sich eine Jobgelegenheit. So fand Killat schnell wieder den Einstieg ins bürgerliche Leben. Knapp zwei Jahre arbeitete er wieder in Deutschland. Doch dann hielt er es nicht mehr aus, das Fernweh war ungebrochen. Killat ließ seine Unzufriedenheit im Job durchblicken, verstellte sich nicht und hoffte insgeheim auf eine Abfindung. Es klappte. Somit konnte er gleich zur nächsten Reise aufbrechen, ohne erst wieder lange ansparen zu müssen.

Wanderung entlang der „Ruta 5“ in Tacuarembó, Uruguay

Wanderung entlang der „Ruta 5“ in Tacuarembó, Uruguay | Foto: privat

2011 brach er wieder auf. Mittlerweile hatte er eine neue Freundin, doch diesmal startete er – nach den vorherigen Erfahrungen – gleich allein. Denn auswandern wollte er nun nicht mehr. Er war älter geworden, der Kontakt zu seiner Familie wichtiger, und auch die neuen Möbel, die er sich inzwischen wieder angeschafft hatte, wollte Killat nicht schon wieder verschenken. Aber er setzte die Weltreise fort, wo er sie hatte unterbrechen müssen – in Südamerika. Er reiste durch Kolumbien, Equador, Peru, Chile, Bolivien, Argentinien, Uruguay und Brasilien – wo er natürlich in Blumenau eine Visite machte – bis er die Vereinigten Staaten erreichte.

Frisch gebrühter Kaffee in Yungay, Perue

Frisch gebrühter Kaffee in Yungay, Perue | Foto: privat

Zwiegespalten in den USA

Es gibt Länder, sagt Killat, da könne man einen schönen Urlaub verbringen, aber leben wolle er dort nicht. Auch Amerika wäre kein dauerhaftes Ziel für ihn. „Das Land ist wunderschön, aber die Amis haben ’ne Vollmeise“, sagt er mit deutscher Direktheit – was ihm jeder Amerikaner sofort übelnehmen würde … natürlich insgeheim. Was Killat in den Staaten erlebt hat, habe oft seine Erfahrungen in „exotischeren“ Ländern übertroffen, wie er sagt. Es fing schon bei der Einreise an. Nach Los Angeles konnte er überhaupt nur fliegen, weil er schon das Rückflugticket ebenfalls vorlegen konnte. Auch waren die USA das erste Land, in dem er komplett die Fingerabdrücke beider Hände abgeben musste. Wie ein Verbrecher habe er sich behandelt gefühlt. „Die sind so paranoid“, sagt er über seinen Amerikaaufenthalt. Das spürte er auch, als er sich einen Mietwagen nahm. Beim ersten Tankstopp dachte er zuerst, dass die Zapfsäulen alle defekt seien – bis er auf Nachfrage beim Tankwart erfuhr, dass dort nur nach Vorkasse getankt wird. Dieses Misstrauen sei ein grundsätzliches und ziehe sich durch alle Branchen, erzählt Killat. Überall müsse man vorab zahlen.

Killat am „Bright Angel Point“ in North Rim, Arizona

Killat am „Bright Angel Point“ in North Rim, Arizona | Foto: privat

Aber er machte auch sehr positive Erfahrungen in den USA. Er war gerade in Utah in der Wüste, als ihn der gemietete Ford Fiesta wegen eines technischen Fehlers aussperrte. Der Schlüssel steckte innen, bei laufendem Motor und Countrymusik im Autoradio. Eine surreale Situation. Ein vorbeikommender Einheimischer hielt, bot ihm Hilfe an und benachrichtigte die Ranger vom nahegelegenen State Park. Nach einer Weile tauchte eine Rangerin auf, versuchte die Autotür mit Draht zu öffnen – doch letztlich blieb Killat nichts anderes übrig, als die Scheibe einzuschlagen.

Die Amis haben ’ne Vollmeise

In den USA hat er viele Klischees bestätigt bekommen – es sei oft wirklich wie in den Filmen. Motels in Hufeisenform, der plötzlich aus der Seitenstraße herausschießende Pick-up des Sheriffs, der den Fremden für eine Verkehrskontrolle anhält, Wildwestromantik im Grand Canyon, die Route 66 und Typen in Arizona, die wie selbstverständlich mit der Knarre im Holster in die Bank oder zum Bürgermeister marschieren. Viele tragen Waffen, die Straßenschilder sind durchschossen.

In New York war Killat natürlich auch, fühlte sich dort aber beengt und erdrückt von Beton. „Alle Nervenkrankheiten kommen aus New York“, fasst er seinen Eindruck zusammen. New York bildete dann auch den vorläufigen Abschluss. Nach anderthalb Jahren in Süd- und Nordamerika kehrte er wieder nach Deutschland zurück und ist seitdem wieder in Wunstorf „sesshaft“. Eine dritte Weltreise schließt er nicht aus, im Gegenteil. Wenn es so weit ist, dann geht es wieder los. Auswandern ist aber kein Thema mehr. Wunstorf bleibt seine „Komfortzone“.

Verwurzelt in Wunstorf

Bis dahin bleiben ihm seine Fotos. Um die 5.000 hat er geschossen, nur ein Bruchteil davon hängt nun in der Wohnung an den Wänden. Es sind dabei nicht nur die eindrucksvollsten Fotografien von seinen Reisen, sondern insbesondere diejenigen, mit denen er eine besondere Bedeutung verbindet.

Wenn sich Reisende über die schönsten Städte der Welt unterhalten, dann werden in der Regel vier Städte genannt, erzählt er: San Francisco, Sydney, Kapstadt und Rio. Killat sieht das differenzierter. Wenn es allein nach der spektakulären Lage ginge, dann steht an erster Stelle Rio, gefolgt von Kapstadt. Aber wenn man das Thema Sicherheit noch dazunimmt, dann stehen Sydney und San Francisco vorne.

Frank Killat

Frank Killat mit seinen Reisetagebüchern im Wunstorfer Zuhause | Foto: Mirko Baschetti

„Du bist mutig“, habe er oft gehört, wenn es darum ging, Deutschland für länger den Rücken zu kehren. Doch einen Job würde man immer wieder finden in Deutschland, verglichen mit der Welt lebten wir hier im Schlaraffenland, sagt er. Auch seine Freundschaften hätten nie gelitten. Stattdessen habe er neue geschlossen und interessante Menschen getroffen.

Alaska, Sibirien, die Antarktis und Spitzbergen würde er gerne noch bereisen, aber auch wieder Afrika. „Das ist etwas ganz Besonderes. Wer einmal dort gewesen ist …“, sagt er und überlässt das Ende des Satzes der Phantasie des Zuhörers. Am wohlsten hat sich Killat bis jetzt aber in Argentinien gefühlt, Er kann es nicht wirklich erklären. Es habe einfach alles gepasst: Gastfreundschaft, eine spektakuläre Landschaft, ein weites Land, Unabhängigkeit. Auch Australien ist sein Favorit. Das „beste Land“ auf der Welt kann er nicht benennen. Jedes Land und jede Gegend sei auf ihre ganz eigene Art und Weise geprägt und unterschiedlich. Wir setzen ihm trotzdem die Pistole auf die Brust: Wohin würde er gehen, wenn er von heute auf morgen Deutschland verlassen müsste? „Australien oder Norwegen“, lautet seine Antwort.


Text: Daniel Schneider; Interview: Mirko Baschetti/Daniel Schneider
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in Auepost #7/April 2020.

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