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Gespräche im Blauen Haus der Lebenshilfe

31.08.2017 • Daniel Schneider • Aufrufe: 1156
31.08.2017
Daniel Schneider
Aufrufe: 1156

Die Lebenshilfe assoziiert man in Wunstorf zunächst oft mit dem Kindergarten in der Barne, doch dieser Eindruck greift zu kurz. SPD-Direktkandidatin Caren Marks besuchte das „Blaue Haus“ und informierte sich über die Vielfalt der Aufgabenfelder – aber auch der Probleme von Behinderten.

Caren Marks (in Rot) im Gespräch im Blauen Haus | Foto: Daniel Schneider

Wunstorf (ds). Hohen Besuch aus der Politik begrüßt man bei der Lebenshilfe selten, allenfalls zu großen Jubiläen. Doch nun in der Wahlkampfzeit stehen Politiker quasi Schlange: In Wunstorf war es Caren Marks, die am gestrigen Mittwoch das „Blaue Haus“ am Barneplatz besuchte.

Noch nicht lange residiert die Wunstorfer Zweigstelle der Lebenshilfe Seelze in der Barne. Als die Stadtsparkasse größtenteils auszog, verließ die Lebenshilfe ihr altes Domizil in der Langen Straße. Auch den Namen nahm man mit: wegen der blauen Fassadeneinfassungen am alten Standort hatte die Leiterin, Gudrun Rohe-Kettwich, diese griffigere Bezeichnung für die Beratungsstelle geprägt. Auch die neuen Büros am Barneplatz werden nun weiterhin so genannt, was sich auch in der Außengestaltung widerspiegelt.

Info: Blaues Haus
Das Blaue Haus in Wunstorf ist eine Beratungsstelle der Lebenshilfe für Behinderte und ihre Angehörigen. Es ist Anlaufpunkt für Fragen rund um Sozial- und Pflegeleistungen, gelegentlich auch Treffpunkt für Betreuer und Behinderte. Wie geht es für behinderte Menschen nach der Schule weiter? Wie kann möglichst viel Selbständigkeit erreicht werden? Wo kann gewohnt und gearbeitet werden? Diese und andere Fragen versuchen die Mitarbeiter im Blauen Haus zu beantworten. Auch Angehörige von Demenzerkrankten oder Pflegebedürftigen lassen sich hier erstberaten. Beratungen im Blauen Haus sind kostenlos.

Im modernen, neuen blauen Haus begrüßte Rohe-Kettwich nun Caren Marks, Ortspolitiker und Mitarbeiter zu einem Gespräch. Es ging um Inklusion, um Teilhabe und auch ganz alltägliche Probleme im Leben von behinderten Menschen. Doch es wurde nicht nur über Behinderte gesprochen, sondern auch mit ihnen. Drei Betroffene, die Marks bereits einmal in Berlin begrüßt hatte, nahmen ebenfalls wieder an den Gesprächen teil. Marks machte deutlich, dass ihr die Inklusion eine Herzensangelegenheit wäre, es solle keine Atempause geben bei der weiteren Verbesserung der Belange von behinderten Menschen.

Hohe Arbeitsbelastung, wenig Anerkennung

Wie auch schon beim Besuch von Bundesministerin Barley in der Kita Kinderzeit angeklungen war: die Sozial- und Gesundheitsberufe brauchen mehr Anerkennung und müssen attraktiver werden – für die Sozial- und Gesundheitskräfte. Es sei für Einrichtungen immer schwieriger, Personal zu finden und vor allem auch zu halten. Denn Arbeitsbelastung und Gehalt korrespondierten oft nicht. Pflegekräfte z. B. hätten oft nur eine Verweildauer zwischen 5 und 7 Jahren in ihrem eigentlichen Beruf. Schlechte Bezahlung, fehlende Aufstiegsmöglichkeiten und hohe Arbeitsbelastung und -verdichtung bei zu wenig Zeit für das Umsetzen der eigenen Ansprüche mache das Berufsfeld unattraktiv.

„Der Zopf muss nicht kürzer, der muss radikal ab.“Caren Marks

Marks sieht hier historische Entwicklungen als einen Grund für die derzeitige Situation, diese alten Zöpfe müssten jedoch endlich abgeschnitten werden. Die Wertschätzung in den Gesundheitsberufen müsse steigen, ebenso wie die Zufriedenheit mit dem Beruf.

Qualifizierte Schulbegleitung

Auch der Wunsch nach stärkerer Regulierung im Bereich Schulbegleitung wurde an Marks herangetragen. Die Berufsbezeichnung Schulbegleiter ist nicht geschützt, und jede Firma könnte die Dienstleistung anbieten, mit teils gravierenden Qualitätsunterschieden, da keine Qualitätsstandards definiert seien. Aufseiten der Schule würden Lehrkräfte die qualifizierten Begleiter dann oft mit den ungelernten, unerfahrenen in eine Schublade gesteckt. Leidtragende wären die Kinder.

„Betreuung soll etwas kosten – aber nicht die Eltern Gebühren“Caren Marks

Das Thema Schulbegleitung bot eine willkommene Überleitung zum Thema Kinderbetreuung allgemein. Die Qualität der Kinderbetreung dürfe vor dem Hintergrund kostenfreier Kitabesuche nicht absinken, es dürfe kein Entweder-Oder geben, sagte Marks. Gute Betreuung solle etwas kosten – aber nicht die Eltern Gebühren. Aber gerade der Kindergartenbesuch müsse kostenlos sein, denn bei mehreren Kindern summierten sich die Kosten für Eltern schnell – was verhindere, dass Kinder früh in den Kindergarten kämen, wenn das Geld knapp sei – gerade bei Familien, die auf eigenen Beinen stünden, aber nur knapp über dem finanziellen Minimum lebten.

Teilnehmer der Gespräche vor der Beratungsstelle der Lebenshilfe | Foto: Daniel Schneider

Erschwert würde vieles durch die Bürokratie. Die Unterscheidung nach Art der Behinderung, die Trennung von seelischen und geistigen/körperlichen Behinderungen in verschiedene Bereiche der Sozialgesetzgebung führe oft dazu, dass sich Sozial- und Jugendämter die Verantwortung gegenseitig zuschöben. Ein schon fertiger Gesetzesentwurf zur SGB-VIII-Reform sei am Widerstand der Länder gescheitert, da für die Umsetzung mit Schwierigkeiten für die Verwaltung gerechnet worden sei. Doch sie erwarte, dass Verwaltungen in der Lage seien, sinnvolle Änderungen auch umzusetzen, führte Marks aus. Es müsse „vom Kind aus“ gedacht werden.

Kleine Probleme im Alltag leicht lösbar

Doch nicht nur über Geld wurde geredet. Vieles ließe sich im Leben von Behinderten leichter bewältigen, wenn die Umwelt mit mehr Wissen und Verständnis bei weniger Gedankenlosigkeit reagieren würde. Befragt nach persönlichen Eindrücken, war zu hören, dass die Ausgrenzung im Alltag immer noch weit verbreitet ist. Sätze wie „du bist ja behindert, brauchst ja nicht mitkommen“ bei Veranstaltungsplanungen kommen auch im Jahre 2017 noch vor. Behinderte Menschen möchten wie alle anderen auch einfach ins Kino, Café oder ins Stadion zum Spiel von Hannover 96 – ohne Angst haben zu müssen, schief angesehen oder gar verspottet zu werden. Die Menschen sollten gleichberechtigter sein.

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