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Grundsteuer auf dem Prüfstand

17.01.2018 • Nadine Rochlitzer • Aufrufe: 3270

Seit Dienstag, den 16.01.2018, steht eine der wichtigsten Einnahmequellen von Gemeinden – die Grundsteuer – vor dem Bundesverfassungsgericht auf dem Prüfstand. Im Kern geht es um die Frage, ob eine realitätsgerechte Steuererhebung auf Basis der jahrzehntealten Einheitswerte möglich ist. Der Bundesfinanzhof hält die Steuer in ihrer jetzigen Form für verfassungswidrig.

17.01.2018
Nadine Rochlitzer
Aufrufe: 3270

Seit Dienstag, den 16.01.2018, steht eine der wichtigsten Einnahmequellen von Gemeinden – die Grundsteuer – vor dem Bundesverfassungsgericht auf dem Prüfstand. Im Kern geht es um die Frage, ob eine realitätsgerechte Steuererhebung auf Basis der jahrzehntealten Einheitswerte möglich ist. Der Bundesfinanzhof hält die Steuer in ihrer jetzigen Form für verfassungswidrig.

Deutsche Verwaltungsgesetze | Foto: Daniel Schneider

Wunstorf/Karlsruhe (nr). Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der Gemeinden, so auch der Stadt Wunstorf. Das Bundesverfassungsgericht prüft derzeit die Rechtmäßigkeit der Berechnungsgrundlage der Grundsteuer. Nach Überzeugung des Bundesfinanzhofs verstoßen die für die Berechnung der Grundsteuer herangezogenen Einheitswerte gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Der Ausgang der fünf Verfahren, die derzeit in Karlsruhe verhandelt werden, hat große Bedeutung für Immobilienbesitzer, Mieter und Kommunen.

Was ist die Grundsteuer?

Als sog. Objektsteuer besteuert sie das Eigentum an Grundstücken und deren Bebauung. Sie ist eine der ältesten bekannten Steuerarten. Die Grundsteuer wird von den Gemeinden, also von der Stadt Wunstorf, erhoben und fließt ausschließlich in die Kassen der Städte und Gemeinden.

Für Grundstücke der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gilt die sogenannte Grundsteuer A, für alle anderen Grundstücke gilt die Grundsteuer B. Die Grundsteuer B fällt deutlich höher aus und ist damit deutlich wichtiger für die Gemeinden. Die Grundsteuer ist eine verlässliche Größe. Durch weitere Bebauungen entwickelt sich das Steueraufkommen eher nach oben, daher hat die Grundsteuer lokalpolitisch eine besondere Bedeutung.

Die Grundsteuer macht in Wunstorf rund 10 % des gemeindlichen Steueraufkommens aus. Im Jahr 2016 wurden in Wunstorf Grundsteuern in Höhe von 8.289.000 Euro (Grundsteuer A: 198.000 Euro / Grundsteuer B: 8.091.000 Euro) eingenommen. 2017 wurden Grundsteuern in Höhe von 8.540.000 Euro (Grundsteuer A: 200.000 Euro / Grundsteuer B: 8.340.000 Euro) in Ansatz gebracht. Für den Haushaltsplan 2018 plant die Stadt Wunstorf mit Einnahmen aus Grundsteuer in Höhe von rund 8.400.000 Euro (Grundsteuer A: 199.000 Euro / Grundsteuer B: 8.120.000 Euro).

Wer muss die Grundsteuer zahlen?

Steuerpflichtig sind alle Grundstückseigentümer. Aber auch Mieter sind von der Grundsteuer betroffen, da sie umlagefähig ist und somit über die Nebenkostenabrechnung durch den Mieter bezahlt wird.

Wie wird die Grundsteuer errechnet?

Wie alle Steuern errechnet sich die Grundsteuer nach einer komplizierten Formel. Die Berechnung erfolgt in drei Verfahrensstufen.

Zu Beginn wird ein sog. Einheitswert ermittelt. Der Einheitswert ist der Wert eines unbebauten oder bebauten Grundstückes. Er wird an einem bestimmten Stichtag – am 01. Januar – durch das zuständige Finanzamt individuell für jedes Grundstück festgelegt.

Muster eines Einheitswertbescheides des Finanzamtes Nienburg/Weser. | Foto: Nadine Rochlitzer

Danach wird, ebenfalls durch das Finanzamt, der Grundsteuermessbetrag ermittelt. Hierzu wird der Einheitswert mit der Grundsteuermesszahl multipliziert. In Wunstorf beträgt die Grundsteuermesszahl für Einfamilienhäuser 2,6 Promille für die ersten 38.346,89 Euro (75.000 DM) des Einheitswerts und 3,5 Promille für den Rest, für Zweifamilienhäuser 3,1 Promille und für alle restlichen Grundstücke 3,5 Promille.

Zu guter Letzt wird der Grundsteuermessbetrag mit einem Hebesatz multipliziert. Dieser Hebesatz wird von der Stadt Wunstorf bestimmt und beträgt derzeit sowohl für die Grundsteuer A als auch für die Grundsteuer B 490 Prozent.

Beispiel: Ein Einfamilienhaus in der Blumenauer Straße hat einen Einheitswert von 21.167 Euro. Der Steuersatz wird wie folgt ermittelt: 21.167 Euro dividiert durch 1000 mal 2,6 (Grundsteuermesszahl) = 55,03 Euro (Grundsteuermessbetrag). 55,03 Euro mal 490 dividiert durch 100 (Hebesatz) = 269,65 Euro (Grundsteuer).

Was ist an der Berechnung der Grundsteuer problematisch?

Grundsätzlich soll der Einheitswert für Grundstücke alle 6 Jahre neu festgelegt werden. Die für die Berechnung der Grundsteuer herangezogenen Einheitswerte gehen jedoch in den alten Bundesländern auf das Jahr 1964 und in den neuen Bundesländern auf das Jahr 1935 zurück. Dies wirft die Frage auf, ob heute noch eine realitätsgerechte Steuererhebung auf Basis der Jahrzehnte alten Einheitswerte möglich ist. Diese Frage verneint der Bundesfinanzhof, da tiefgreifende Veränderungen im Gebäudebestand und am Immobilienmarkt sowie die Veränderungen am Wohnungsmarkt bei der Bewertung des Einheitswertes nicht mit einbezogen werden würden. Auch die Weiterentwicklung des Bauwesens nach Bauart, Bauweise, Konstruktion und Objektgröße bleibe unberücksichtigt wie die Wertminderung eines Gebäudes auf Grund des Alters. Die Folge seien Wertverzerrungen. Nach der Auffassung des Bundesfinanzhofes liegt daher ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vor. Aber auch die Anwendung zweier unterschiedlicher Einheitswerte zur Bewertung von Grundstücken in West- und Ostdeutschland sei eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes.

„Ab 1964 sollte alle sechs Jahre der Wert neu bestimmt werden“, erinnerte Ferdinand Kirchhof, der Vorsitzende des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts. „Und 53 Jahre später ist das immer noch nicht gelungen.“

Bis zu einer Entscheidung werden noch mehrere Monate vergehen. Das Bundesverfassungsgericht äußerte in der mündlichen Verhandlung am Dienstag Zweifel, dass die Basis zur Erhebung der Grundsteuer mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Wie kann sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes auswirken?

Sollten die Karlsruher Richter die aktuelle Praxis zur Ermittlung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklären, hätte dies eine erneute Feststellung des Marktwerts von Millionen Gebäuden und Grundstücken zur Folge. Damit verbunden wäre ein erheblicher Verwaltungsaufwand und im Ergebnis wahrscheinlich auch eine deutliche Mehrbelastung für viele Eigentümer und auch Mieter. Ferner könnte eine Verfassungswidrigkeit den Ausfall der Grundsteuer zur Folge haben. Dies würde den Gemeindehaushalt enorm belasten.

Die Reform der Grundsteuer

Der Bundesrat hat bereits im November 2016 reagiert und einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht. Dieser nun diskutierte Gesetzesentwurf sieht die Besteuerung nach dem Wert des Grundstücks und des darauf errichteten Gebäudes vor. Die Ermittlung des Gebäudewertes erfolgt auf Basis der gewöhnlichen Herstellungskosten je Flächeneinheit (der sog. Gebäudepauschalherstellungswert) unter Berücksichtigung der Altersminderung (bis zu 70 Prozent) eines Gebäudes.

Immobilien werden dabei in drei Altersgruppen eingeteilt (vor 1995, 1995-2004, ab 2005). Die einzelnen Altersgruppen weisen erhebliche Unterschiede auf, was problematisch ist. Für ein nicht unterkellertes Einfamilienhaus mit Dachgeschoss werden Pauschalherstellungskosten pro m ² in Höhe von 730 Euro angesetzt, wenn das Baujahr vor 1995 liegt, 835 Euro für Gebäude die zwischen 1995 und 2004 errichtet wurden und 1.010 Euro, wenn das Einfamilienhaus nach 2004 gebaut wurde. Baumängel, unterschiedliche Ausstattung oder eine Kernsanierung werden dabei gar nicht berücksichtigt.

Eigentümer von Altbauten würden insbesondere von dieser Regelung profitieren, da sie einen großen Teil des Gebäudewerts abschreiben können. Neubauten werden gegenüber modernisierten Altbauten benachteiligt. Die in den letzten Jahren gestiegenen Grundstücks- und Hauspreise würden zu einer deutlichen Erhöhung der Grundstücksteuer führen.   Die Verlierer des Reformvorschlags sind Hauseigentümer in teureren Lagen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Hauseigentümer in günstigen Lagen nicht von der Grundsteuer-Reform profitieren werden. Ein Verzicht auf Grundsteuereinnahmen wird für wirtschaftlich schwächere Gemeinden nicht in Frage kommen, sie werden daher die Hebesätze entsprechend anheben.

Ein anderes Modell, welches vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) und dem Deutschen Mieterbund bevorzugt wird, ist das Bodenwertmodell. Danach soll nur das Grundstück besteuert werden, egal ob es bebaut oder unbebaut ist.

Welches Modell zukünftig für die Ermittlung der Grundsteuer herangezogen wird, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Fest steht jedoch bereits jetzt, eine Reform der Grundsteuer wird kommen.

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