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Abstiegskampf oder schon begonnener Wiederaufstieg?

11.03.2019 • Redaktion • Aufrufe: 350
11.03.2019
Redaktion
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Miguels Kabinenpredigt

Hannover (mj). Als 96-Fan musste man sich an diesem Wochenende entscheiden, welche Brille man für das Heimspiel gegen Bayer 04 Leverkusen beim Betreten der HDI-Arena aufsetzen wollte. Die mit den „Rechnerisch ist noch alles drin“- oder die mit den „Heute ist der erste Tag des Wiederaufstiegs“-Gläsern. Leider hatte man mit beiden keine gute Sicht auf die Partie.

Für die letztere Variante stellte Thomas Doll an diesem Sonntag nicht entsprechend auf. Bis auf den wiedergenesenen und sofort in die Startelf beförderten Linton Maina, suchte man Nachwuchsspieler, denen man wie vor drei Jahren Sarenren-Bazee oder Anton Bundesligaluft gewähren hätte können, vergeblich. Auch die Hoffnung auf Punkte, um vielleicht noch die Stuttgarter auf dem Relegationsplatz einholen zu können, wurde mit einer knappen 2:3-Niederlage erneut enttäuscht. Sowohl Trainer Doll als auch der Vereinsboss Kind haben vergangene Woche verbal ordentliche Ohrfeigen verteilt. Während man dem Trainer noch einen pädagogischen Hintergrund abkaufte, war es nur schwer nachzuvollziehen, warum Martin Kind in einem Interview von einer gescheiterten und kaputten Mannschaft sprach – und das mitten im zumindest noch rechnerisch möglichen Abstiegskampf. Dies quittierte die Nordkurve prompt mit einem quer unter dem Oberrang hängenden Banner, warum Herr Kind denn dann Transfers verweigert habe, wenn er der Mannschaft nun sämtliche Qualität abspräche. Bei Anpfiff war dieses Banner jedoch bereits wieder verschwunden, um der Mannschaft vermutlich nicht noch deutlicher in Erinnerung zu rufen, was unter der Woche zur Genüge durch die hiesigen Medien gegangen war.

Vorweihnachtliche Stimmung

Hatte man keine der oben genannten Brillen aufgesetzt, hatte man dennoch keine gute Sicht auf das Spiel. Kurz vor Anpfiff begannen dezent die Schneeflocken durch das offene Dach der HDI-Arena zu segeln. Zu Beginn der zweiten Spielhälfte, der sich durch Schneeschippaktionen nun bereits um eine viertel Stunde nach hinten verzögert hatte, wurden die Schneeflocken so groß, dass wohl nicht wenige auf den Rängen reflexartig im Kopf durchgingen, ob man schon alle Weihnachtsgeschenke für dieses Jahr besorgt habe. Im Nachhinein musste man den Einfluss des Wetters als 96-Fan zwiespältig betrachten. Zum einen hat es vermeintlich geholfen, den in den vergangenen Wochen teils beeindruckenden Offensivfußball der Leverkusener einzudämmen. Zum anderen sah man die individuelle und vor allem technische Überlegenheit der Leverkusener in so manchen Situationen – vor allem in der ersten Spielhälfte – sehr deutlich zu Tage treten. Kombinationsfußball hatte man in seltenen Situationen lediglich von Bayer 04 gesehen. Außerdem verhinderte das Wetter den Anschlusstreffer der Niedersachsen durch Genki Haraguchi auf spektakuläre Weise, nachdem Leverkusen nach zwei klaren Torchancen mit zwei Treffern vorne lag. Nach einem weiten Pass in die Spitze spritzte Haraguchi zwischen Verteidiger und Torwart an der Grenze des 16ers vorbei. Der Weg zum Tor war sperrangelweit offen, Haraguchi setzte zum Torschuss an, schoss flach, timte den Ball in Kraft und Richtung perfekt, hatte jedoch nicht den Untergrund miteinberechnet. Das ganze Stadion setzte schon zum Jubelschrei an, doch blieb der Ball einen Meter vor der Torlinie wie in einer Pfütze hängen, sodass Jonathan Tah den Ball entspannt von der Grundlinie aufnehmen und den Spielaufbau der Leverkusener initiieren konnte.

Keine Gegenwehr des Leverkusener Anhangs

Den 96-Ultras gelang es von der ersten Minute an, den Abend überraschend stimmgewaltig zu gestalten. Vielleicht lag es aber auch daran, dass die Ränge überraschend leer blieben (knapp 33.000 Zuschauer) und das Stadion so mehr Schallkraft erhielt. Vielleicht lag es aber auch daran, dass der Anhang des Leverkusener Werkklubs nicht einmal den kleinen Oberrang-Gästeblock vollends auszufüllen vermochte (was in dieser Saison in diesem Maße noch bei keinem anderen Verein der Fall war) und so auch keinen Gegenpol zu den 96-Anhängern darstellte. Zudem gelang es der 96-Mannschaft in der zweiten Hälfte durch schön anzusehende Schnee-unterstützte Grätschen, vehement geführte Zweikämpfe, Pressing gegen die Reihen der Leverkusener und zweier Tore zum Ausgleich, die Ränge zu alter Wettkampf-Lautstärke zu führen. Bis zum entscheidenden 3:2 wurde jeder erfolgreiche Zweikampf, jede Aktion in Richtung gegnerischer 16er, wie auch jeder verhinderte Angriff der Leverkusener begeistert beklatscht und umjubelt. Auf dem Platz gelang es Dolls Mannschaft in einem 4-3-3-System in der ersten Hälfte noch kaum Drang nach vorne zu entwickeln, auch wenn man dem Team den Einsatzwillen nach der bitteren Pleite gegen Stuttgart in der vergangenen Woche ansah. Vor allem der brasilianische Nationalspieler Walace blieb auf dem weißen Geläuf äußerst blass. Lediglich Jonathas versuchte trotz seiner schlaksigen Art auf dem rutschigen Untergrund immer wieder für Nadelstiche zu sorgen. Sein Einsatzwille zeigte sich zusammen mit dem in der zweiten Hälfte eingewechselten Weydandt noch deutlicher: beide sprinteten jeder Möglichkeit, den Ball zu erobern, hinterher und trafen letztendlich auch beide durch gut angesetzte Kopfbälle ins Tor – auch wenn das Tor von Weydandt als Eigentor von Weiser gewertet wurde. Im nun umgestellten 4-4-2 entwickelte Hannover einen immensen Druck auf Leverkusen, der erst mit dem Ausgleich sein Ende fand. Viel haben die 96er bis dahin investiert, bis es sich konditionell rächte und Bayer 04 in Person von Kai Havertz die 96er mit einem sehenswerten Treffer auskonterte. Dieses Mal wieder – vielleicht auch auf Grund des Heimspiels – mit mehr Einsatz und Siegeswillen, aber wieder nichts Zählbarem, mit dem Hannover in die Trainingswoche startet. Nächste Woche geht es auswärts gegen Augsburg. Wieder ein „noch“-Abstiegskonkurrent. Und wieder fürchtet sich das 96-Fanherz vor einer schallenden Auswärtsklatsche. Man darf gespannt sein, ob die „Jetzt ging ein Ruck durch die Mannschaft“- und „Jetzt haben sie Abstiegskampf verstanden“-Stimmen mal recht behalten sollten oder wieder eines Besseren belehrt werden.

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