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Impfdrängelei: Staatsanwältin ermittelt nicht

29.03.2021 • Achim Süß • Aufrufe: 1091

Moralisch, aber nicht strafrechtlich von Bedeutung – es gibt keinen „Impfdrängelei“-Tatbestand: Die Staatsanwaltschaft Hannover leitet kein Verfahren gegen die Diakonische Altenhilfe Leine-Mittelweser oder deren Vorstände ein. Es bestehe kein Anfangsverdacht, stellt die Oberstaatsanwältin fest.

29.03.2021
Achim Süß
Aufrufe: 1091

Die Staatsanwaltschaft Hannover leitet kein Strafverfahren gegen die Diakonische Altenhilfe Leine-Mittelweser (DALM) oder deren Vorstände Dagmar Brusermann und Joachim von der Osten ein. Es bestehe kein Anfangsverdacht, stellt Oberstaatsanwältin Hilke Markworth fest.

Diakonische Altenhilfe Leine-Mittelweser

Verwaltungssitz der Diakonischen Altenhilfe Leine-Mittelweser in Wunstorf, im Hintergrund das Haus Johannes | Foto: Daniel Schneider

Hannover/Wunstorf (as). Die Nachforschungen waren vom ehemaligen Wunstorfer Bürgermeister und Pastor Harald Brandes ausgelöst worden, der den beiden Vorständen Amtsmissbrauch und Vorteilsnahme im Amt vorgeworfen hatte. Beide hatten während des Besuchs der mobilen Impfteams der Region Hannover ihre Ehepartner regelwidrig entgegen der bundesweit festgelegten Impfreihenfolge mitimpfen lassen. Dafür tragen die Vorstände die alleinige Verantwortung, betont Superintendent Michael Hagen. Konsequenzen sind bislang nicht gezogen worden.

Hagen ist stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums der DALM, des internen Aufsichtsgremiums. Das Kuratorium werde sich nach Ostern mit der Impfdrängelei in Wunstorf befassen, kündigt er im Gespräch mit der Auepost an. Dabei wird es auch um die Frage gehen, wie die Namen der beiden Ehepartner der Vorstände auf die Mitarbeiterlisten der Pflegeeinrichtungen gekommen sind. Während DALM-Sprecher Gunnar Schulz-Achelis zunächst erklärt hatte, dies sei ein Vorschlag des Impfteams gewesen, stellte die Pressestelle der für die mobilen Impfteams zuständigen Region Hannover klar: Die Teams unterbreiten von sich aus keine Vorschläge, selbst wenn bei Terminen Impfdosen übrigbleiben.

Klärung nach Ostern

Unabhängig davon, wie der Sachverhalt tatsächlich lag und was davon geklärt werden kann: Der Superintendent spricht nicht von Schuld, sondern von Fehlern, und lässt keinen Zweifel daran, wer sich falsch verhalten hat – die beiden Vorstände, zuständig für den theologischen und den finanziellen Bereich der DALM. Zu disziplinarischen Folgen für die beiden leitenden Angestellten lehnt Hagen jede Stellungnahme ab. Nach Recherchen der Auepost ist die Lage der DALM angespannt: Der Wettbewerb in der Altenpflege ist hart, die Personalsituation schwierig. Hinzu kommen diverse Projekte und die Folgen der Corona-Pandemie. Die beiden Vorstände seien von zentraler Bedeutung für das Funktionieren des diakonischen Unternehmens, heißt es. Ein Insider: „Die sind praktisch nicht ersetzbar.“

praktisch nicht ersetzbar

Das störte die Absender zweier anonymer Briefe an die Auepost nicht, die im Februar auf die Impfdrängelei aufmerksam gemacht hatten. Auch Brandes hat sich davon nicht leiten lassen. Er hat den Eindruck, dass die Diakonie die Angelegenheit verharmlose, und äußert im Gespräch mit der Auepost seine Verwunderung darüber, dass auch der Oberstaatsanwalt nicht aktiv werde, der ehrenamtlich im Kuratorium der DALM sitzt. Mit seiner Strafanzeige wollte der ehemalige Pastor und Altenheim-Geschäftsführer die Staatsanwaltschaft Hannover ins Spiel bringen. Er wirft den DALM-Vorständen Vorteilsnahme im Amt und Amtsmissbrauch vor.

Keine Ermittlungen

Damit ist er nun allerdings gescheitert. Knapp zwei Wochen nach seiner Anzeige schreibt ihm Oberstaatsanwältin Markworth, sie sehe keinerlei Anfangsverdacht. Als Folge der „Täuschung“ sei kein Körperverletzungsdelikt ausgelöst worden. Auch ein Vermögensschaden sei nicht entstanden. Korruptionsdelikte habe es auch nicht gegeben. Markworth vertritt außerdem die Ansicht, die beiden Vorstände seien keine Amtsträger im strafgesetzlichen Sinne, „also keine tauglichen Täter der Vorteilsnahme oder Bestechlichkeit“.

Offenbar hätten sie auch niemandem „einen Vorteil für die Verabreichung der Impfung“ versprochen, „sondern die Situation für sich ausgenutzt“. Die Oberstaatsanwältin – federführend im Verfahren gegen den früheren hannoverschen Oberbürgermeister Stefan Schostok – schreibt, sie könne es verstehen, dass der Anzeigeerstatter den Verstoß gegen die Impfreihenfolge als ungerecht und inakzeptabel ansehe. Ausreichende Anzeichen für Straftaten seien ihr aber nicht bekannt. Markworth schreibt, sie habe „den Sachverhalt geprüft“. Ob sie sich dabei auf die von Brandes eingereichten Presseberichte beschränkt oder eigene Betrachtungen über die Diakonie in Wunstorf herangezogen hat, ist nicht klar. Eine offizielle Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Hannover war trotz mehrfacher Versuche bisher nicht zu erhalten.

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Kommentare


  • MarieDurand sagt:

    Warum überlässt man Menschen, die offensichtlich ihren moralischen Kompass verloren haben, weiterhin das Steuer des „Schiffes“ DALM in der schweren Corona-Krise? Da die Impfvordrängler, so scheint es, selbst nicht über den gebotenen Anstand verfügen, zurückzutreten, sind hier die Aufsichtsorgane gefragt. Und, Herr Superintendent Hagen, eine Sauerei ist eine Sauerei, kein „Fehler“.

    MarieDurand

  • Grit D. sagt:

    Ein Beispiel vom Allerfeinsten dafür, dass ein gesundes Rechtsempfinden nicht zwingend zu formal-juristischen Gegebenheiten passt.

    Verwerfliches Verhalten erfüllt leider keinen Straftatbestand und somit geschieht einmal mehr:
    Nichts…

  • Ingrid lepold sagt:

    „die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.“
    Da sollte doch ein Herr Brandes „die Füsse still halten!!!

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