Wunstorfer Auepost
[Anzeige]

Ralf Völkers erlebt den ersten Schnee

07.06.2018 • Daniel Schneider • Aufrufe: 621
07.06.2018
Daniel Schneider
Aufrufe: 621

Respekt vor wilden Hunden, ein unüberwindbarer Gebirgspass, neue Zeitzone und unheimlich viele hilfsbereite Menschen: Ralf Völkers fährt durch Bulgarien.

Kurz am Straßenrand geparkter Esel | Foto: Ralf Völkers

Wunstorf/Sofia (ds). Als er Ende Mai Ungarn verließ und durch Serbien fuhr, hatte Ralf Völkers damit auch das Gebiet der EU verlassen. Inzwischen ist er wieder in die EU eingereist: nach Bulgarien. Eigentlich hatten die ursprünglichen Planungen auch Rumänien auf der Route vorgesehen. Doch als Völkers Anfang der Woche den Grenzübergang von Serbien nach Rumänien erreichte, entschied er sich spontan anders und fuhr weiter durch Serbien Richtung Bulgarien. Ein wenig dürften dabei auch die Bedenken vor dem wilden Campen eine Rolle gespielt haben – denn vor der Abfahrt hatte sich der Wunstorfer in Hinblick auf die rumänischen Wälder extra Tierabwehrspray zur Ausrüstung gepackt – zu viele Horrorgeschichten über die Angriffslust der dort streunenden Hunde hatte er gehört und entsprechenden Respekt.

Bargeldlos in Bulgarien

Während in Wunstorf noch das Schützenfest tobte, fuhr Völkers daher nun über die Grenze nach Bulgarien – das als eines der ärmsten Länder in Europa gilt. Und obwohl er nun wieder in der EU war, half das auf praktischer Seite nicht wirklich weiter, denn den Euro wollen die Bulgaren zwar einführen, haben ihn aber noch nicht. Ein geeintes Europa, doch beim Geld scheitert es mal wieder. Also war erneut Geldtauschen angesagt. Doch direkt an der Grenze klappte es nicht – und so fuhr Völkers die ersten Kilometer zwar an einigen Geschäften vorbei, konnte mangels passender Währung aber nicht einmal eine Flasche Wasser kaufen. Erst in der Stadt Widin gelang das Geldwechseln: witzigerweise in einem „Kaufland“.

Verdampfendes Bier

Dabei zeigte das Thermometer bis zu 36,7 Grad, und auch die Gebirgsausläufer waren noch nicht überwunden. Das billigste Getränk in den Geschäften an der Reisestrecke ist übrigens gar nicht Wasser, sondern Bier – und das andere „Zeug“, das dort so verkauft werde, könne man nicht trinken, weiß Völkers zu berichten. Also „zwang“ er sich teilweise schon am Vormittag zum Bierkonsum. Denn zu späterer Stunde verdampfte auch das Bier regelrecht in der Sonne.

Verdientes Bier nach schlimmer Strecke | Screenshot: Auepost

Osteuropäische Zeitzone

Mit dem Erreichen Bulgariens hat Völkers nun auch erstmals die mitteleuropäische Zeitzone verlassen. Als er über die Grenze fuhr, „verlor“ er eine Stunde: für Völkers ist es seitdem nun immer schon eine Stunde später im Vergleich zur Heimat. Einen Mini-Jetlag konnte er tatsächlich in den ersten Tagen in Bulgarien schon bei sich beobachten, die Zeitumstellung brachte ihn etwas durcheinander.

Die Straßenschilder sind leider wie in Serbien weiterhin in Kyrillisch geschrieben – der offiziellen Schrift auch in Bulgarien. Auf seinem Reiseweg entfernt sich Völkers aber nun erstmals nennenswert von der Donau. Auf dem Weg ins Landesinnere trifft er dann überraschenderweise gleich auf einen Landsmann, denn der Deutsche Werner Ertl führt an der Straße ein schmuckes bulgarisches Motel. Dort erhält Völkers nicht nur Obdach, sondern gleich auch viel Hilfe für die weitere Streckenplanung. Das entschädigt für so manche Strapaze auf der Tagesstrecke. Denn er will direkt weiter in die Hauptstadt Sofia – doch die liegt mitten im Gebirge.

Über die bulgarischen „Alpen“

Im Ertl’schen Gasthaus wird ihm auch gleich die Story von einem Radfahrer-Pärchen erzählt, das 2013 hier vorbeigekommen war – und ebenfalls das Ziel Australien hatte. Und sie schafften es tatsächlich bis nach Sydney, wie die Postkarte beweist, die Ertl vorzeigt. Die Motivation bei Völkers steigt wieder.

Dahin will er auch: Die beiden hatten die Tour schon vor 5 Jahren gewagt – und am Ziel diese Postkarte verschickt | Foto: Ralf Völkers

Doch nun steht erst einmal das Balkangebirge an. Die Alternative wäre, weiter an der Donau zum Schwarzen Meer zu fahren und erst dann den Weg Richtung Türkei einzuschlagen, doch Völkers will Sofia nicht auslassen. Sein Gastgeber bietet ihm an, eine Mitfahrgelegenheit im LKW zu organisieren, dort könne Völkers bis Sofia mitfahren – aber das lässt die Radfahrerehre nicht zu. An eine Bahnfahrt denkt er zwar auch kurz, doch die Zugverbindung geht nur einmal am Tag – und viel zu spät, womit sie ausscheidet. Völkers will es allein und mit Pedalkraft schaffen.

Widin – Montana – Sofia

Also geht es mit dem Rad weiter, nun hauptsächlich auf Landstraßen, vorbei an sozialistischer Architektur und dem Charme verfallener Gebäude. Die Straßen haben teils 20 Zentimeter tiefe Schlaglöcher und manchmal auch gar keinen Straßenbelag.

„Hier brettern sie ganz schön lang. Scheißegal, auch wenn die Karren auseinanderfallen.“Ralf Völkers über die Situation auf den bulgarischen Landstraßen

Nun ist das Balkangebirge in Sichtweite – hier sieht Völkers zum ersten Mal Schnee auf seiner Reise: Unterhalb der Bergspitzen liegt er noch auf den Nordwänden des Gebirges – ein surrealer Anblick bei hochsommerlichen Temperaturen auch auf dem Weg durch Bulgarien. Einsetzender Regen bringt in diesen Tagen auch keine wirkliche Erleichterung: Nach einer kurzen Abkühlung folgt dafür umgehend eine drückende Schwüle – genau dieselbe, die auch an den Wunstorfer Schützentagen zu spüren war.

Es geht nicht mehr

Das Tolle ist: wo es raufgeht, geht es auch wieder herunter: Völkers genießt sichtlich die schnellen Abfahrten, wenn wieder mal eine Steigung erkämpft ist. Doch die Steigungen werden höher und höher – bis es nicht mehr geht. Zwischen Montana und Sofia liegen die richtig hohen Berge. Wer bei Montana an „montan“ oder „Mountains“ denkt, liegt daher nicht verkehrt – der Name der Stadt ist nicht ohne Grund vom lateinischen „Gebirge“ abgeleitet.

Eine bulgarische Familie nahm Völkers im Kleinbus mit | Screenshot: Auepost

Das Herz war Völkers schon in die Hose gerutscht, als er das Schild am Straßenrand entdeckt hatte, das Schneekettenpflicht anordnete. Doch nicht die Witterungsverhältnisse im Gebirge sind nun das Problem, sondern die schiere Höhe des Gebirgsmassivs. Selbst mit einem leichten Rennrad wäre es eine Höchstleistung, doch Völkers fährt ein schweres, vollbepacktes Reiserad. Es geht nicht mehr weiter. Keine Chance.

„Das hätt‘ ich im Leben nicht geschafft“Ralf Völkers

Rettung kommt von einer bulgarischen Familie im Ducato-Kastenwagen, die den erschöpften Völkers, der es doch schon ziemlich hoch geschafft hat, kurzerhand einsammelt und 50 Kilometer mitnimmt, bis die gröbsten Höhen überwunden sind. So kommt Ralf Völkers doch noch über die Berge – und Sofia wird sogar etwas früher als geplant noch am 3. Juni erreicht.

Abgetrennte Radwege in Sofia

In seiner Videobotschaft spricht er davon, dass es allgemein ein gutes Gefühl ist, dass er nun bereits von sich sagen kann: „Mit dem Fahrrad bis nach Bulgarien“. Und lächelt.

Die folgenden Tage wird die bulgarische Hauptstadt erkundet. Sie gefällt Völkers ausgesprochen gut – besser als Belgrad. Aufgefallen waren ihm unter anderem sofort die dortigen Fahrradwege. Sie sind wie neuerdings die Radschutzstreifen in Deutschland direkt auf der Fahrbahn angelegt, vom restlichen Verkehr aber oft mit Mini-Baken baulich abgetrennt. Im Ergebnis können dort tatsächlich nur Radfahrer fahren und müssen keine Angst vor schneidenden Autos oder sich öffnenden Türen haben.

Nach zwei Tagen Aufenthalt in Sofia soll es jetzt weiter in Richtung Türkei gehen, aber keinesfalls wieder mit dem Fahrrad über die Berge. Daher hat sich Völkers nun doch für die Bahn entschieden, um aus dem Balkangebirge wieder herauszukommen. Das Zugticket im Hauptbahnhof von Sofia zu kaufen war nicht einfach und scheiterte fast an der Sprachbarriere und unengagiertem Personal, aber nun sollte der Weiterreise nichts mehr im Wege stehen. Mit der Bahn geht es daher nach Plowdiw, Bulgariens zweitgrößte Stadt – und damit raus aus dem Gebirge um Sofia. Ab Plowdiw kann Völkers dann wieder im Flachland reisen – bis an die türkische Grenze.

Ganz oben liegt Schnee

Screenshot: Auepost

Bulgarisches Frühstück

Foto: Ralf Völkers

Endlich eine kurze Abkühlung

Foto: Ralf Völkers

Der war ganz lieb

Foto: Ralf Völkers

Alter Militärlaster

Foto: Ralf Völkers

Nobelkarossen gibt es natürlich auch

Foto: Ralf Völkers

Schneekettenpflicht!

Screenshot: Auepost

Bayerisches Flair an einer bulgarischen Straßenecke

Foto: Ralf Völkers

Glücklich, es schon so weit geschafft zu haben

Foto: Ralf Völkers

Fahrradweg in Sofia

Screenshot: Auepost

Von Serbien nach Bulgarien

Über Montana in die Berge

Eindrücke aus Sofia

[Anzeigen]
Auepost wird unterstützt von:

Kommentare


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kontakt zur Redaktion

Tel. +49 (0)5031 9779946
info@auepost.de

[Anzeigen]

Artikelarchiv

Auepost auf …