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Ohne Kampf kein Ertrag

20.01.2019 • Redaktion • Aufrufe: 263
20.01.2019
Redaktion
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Miguels Kabinenpredigt

Hannover (mj). Nun war es wieder so weit: die Bundesliga-Rückrunde der Saison 2018/19 wurde eröffnet. Und dies am Samstag auch in der hannoverschen HDI Arena. Nachdem sich Mannschaft und Verein in der Wintervorbereitung auf einen harten Kampf gegen den Abstieg eingeschworen hatten, war auf dem Platz von einem solchen „Kampf“ nur sehr wenig zu sehen.

Egal ob man sich als Fan gerade in der „Wir sind eh schon abgestiegen“-Fraktion oder doch in der „Wir schaffen das noch“-Fraktion sieht, der Stadionsprecher der Hannoveraner war beim Heimspiel gegen Werder Bremen bereits bei der Mannschaftsaufstellung „on fire“. Er peitschte die Namen der Spieler heraus, als ob das Finale der Saison und alles entscheidende Spiel gegen Bremen anstehen würde, sodass die 96-Fans im Stadion gar nichts anderes konnten, als diese Energie zumindest bei der jeweiligen Spieler-Antwort zu erwidern. Leise war es auf jeden Fall auch während des Spiels im Stadion nicht. Nicht nur die Nordkurve, sondern vor allem die fest in Bremer Hand befindliche Südkurve schwor ihre Mannschaften konstant auf einen Sieg ein.

Kompaktheit gegen ballverliebte Bremer

In den auf Grund von Verletzungen (Elez, Füllkrug, Maina, Asano, Sarenren-Bazee, Hübers, Muslija) stark gelichteten Reihen der 96er befanden sich die beiden rasch in der Winterpause transferierten Neuzugänge Kevin Akpoguma in der rechten Innenverteidigung und Nicolai Müller auf dem rechten Flügel. Wie so oft in dieser Saison hatte André Breitenreiter tief in seine Taktikkiste gegriffen, um mit seinem dezimierten Kader eine möglichst schlagkräftige Truppe zusammenzustellen und ein Mittel gegen Ballbesitz-liebende Bremer zu finden. So stellte er seine Mannen in einem 4-3-3-System auf, indem er vor einer Viererkette mit Anton, Schwegler und Walace gleich drei 6er nominierte. Anton fiel – wie schon in der Vorbereitung trainiert – dabei immer wieder beim Spielaufbau zwischen die Innenverteidiger zurück.

In der vorderen Reihe fand sich hingegen eine auf den ersten Blick äußerst behelfsmäßige Formation wieder. In der Sturmspitze Bobby Wood, über den rechten Flügel der Neuzugang Nicolai Müller und über links, äußerst ungewohnt für einen so stämmigen Stoßstürmer, Hendrik Weydandt. In den ersten Minuten sah man auch, wie sich Hannover ihr Spiel gedacht hatte. Sie standen vertikal extrem kompakt in ihrer Verteidigung, sodass zwischen dem hintersten Verteidiger und der Sturmspitze Wood manchmal gefühlt lediglich fünf Meter lagen. Wenn ein Ball im Bremer Aufbau erobert wurde, versuchten die 96er, sofort umzuschalten, um Richtung gegnerisches Tor zu kontern.

Dieser Plan war von den Rängen aus betrachtet erst einmal nachvollziehbar. Das Problem, das sich relativ rasch zeigte, war jedoch, dass die Männer in Rot dieses Spielkonzept nicht umzusetzen wussten. Das Trainerteam setzte in dieser Saison – und möchte es auch nach wie vor – auf ein spielerisches, den Ball besitzendes Konzept, wodurch ein effektiver Konterfußball in den Mechanismen des Hannoveraner Spiels nicht angelegt ist.

Körpereinsatz im falschen Bereich der Arena

Leider konnten die Hannoveraner aber auch mit dem Ball nicht genug anfangen. Wenn sie einmal in Ballbesitz waren, stellten die Bremer die zentralen Positionen gut zu, sodass sich Hannover nicht durch die Mitte kombinieren konnte. Über außen gelang 96 jedoch nahezu nichts, da die Flügelpositionen zu selten besetzt waren. Die Außenverteidiger Oliver Sorg und Miiko Albornoz gelangten nur sehr selten in Richtung gegnerische Grundlinie, die „Flügel“ Weydandt und Müller agierten eher in zentralen Halbpositionen, als an der Seitenlinie. Hinzu kam, dass letztere beiden vor allem defensiv immer wieder gefordert waren und so bei Ballbesitz die Wege nach vorne erst wieder finden mussten.

Für den für Rot fiebernden Zuschauer auf dem Rang war es ein äußerst frustrierendes Spiel. Nicht nur, weil die taktische Umsetzung nicht gelang, sondern auch weil die vermutlich 35.000 Hannoveraner Fußballexpertinnen und -experten auf den Rängen eine körperbetonte und absolut kämpferische Spielweise vorausgesetzt hatten, die aber nur sehr selten auf dem Grün zu sehen war. Kaum intensiv geführte Zweikämpfe, kaum Fouls, fast keine – aber eigentlich im Abstiegskampf häufig vorkommende – gelbe Karten. Alles in allem ein äußerst entspannter Nachmittag für den unparteiischen Marco Fritz. Da musste der geneigte Fan beim dringend notwendigen Toilettengang nach Abpfiff des Spiels in den überfüllten dafür vorgesehenen Räumlichkeiten eine ganze Schippe mehr Körpereinsatz zeigen als der abstiegsbedrohte Spieler auf dem Platz.

Man kommt doch auch lieber für die Bratwurst ins Stadion

Defensiv sah es gegen stark spielende Bremer insgesamt recht ordentlich aus. Vor allem im Spielaufbau brachte sich Neuzugang Akpoguma recht positiv ein. Die kompakte Defensive kam dennoch nicht nur einmal ins Wanken – vor allem wenn die Mittelfeldreihen Fehler im Spielaufbau begingen. Dies ergab zumindest die Gelegenheit für einen Hannoveraner Spieler einen Bundesligarekord aufzustellen: Torwart Michael Esser parierte so viele Schüsse in einem Spiel wie kein anderer Keeper in der Bundesligageschichte seit Beginn der statistischen Aufzeichnungen. Und manche von diesen Paraden konnten die Fans auf den Rängen ohne Bedenken mit dem Titel „weltklasse“ versehen. Aber auch er konnte den spielentscheidenden Treffer von Milot Rashica nicht verhindern.

Vermutlich könnte Hannover bei einem solchen Glanztag seines Torhüters gut mit dieser defensiven Leistung leben – wenn dabei die Offensive Zählbares hervorbringen würde. Aber eine klare Torchance kam über 90 Minuten kein einziges Mal zustande. Zwei Kopfballbogenlampen von Anton und Weydandt, ein weiterer Fernschuss von letzterem und ein zu lang geratener Steilpass auf den etwas zu langsamen Fossum, der mit seiner Einwechslung in der zweiten Halbzeit offensive Kreativität bringen sollte. Auch das potentielle Märchen wurde an diesem Tag nicht geschrieben. Nämlich der überraschend zurückgeholte Rekordtransfer Jonathas stand zwei Tage nach Rückkehr aus Brasilien tatsächlich im Kader und wurde in der zweiten Hälfte für Bobby Wood eingewechselt.

Als Fan auf der Tribüne war man überrascht, dass Wood überhaupt ausgewechselt werden musste, da man ihn im gesamten Spiel nahezu keinmal auf dem Platz in Aktion gesehen hatte. Jonathas selbst konnte das erhoffte Tor und damit die Märchenschlagzeilen nicht liefern, da er kein einziges Mal in eine mögliche Torchancegelegenheit kam. Überraschend war zu erleben, dass sowohl in der Halbzeitpause, als auch nach Abpfiff des Spiels nahezu keine Pfiffe von den Rängen zu hören waren. Dies passierte in der Hinrunde schon bei besseren Spielen der 96er. Vielleicht haben sich zu viele der Fans schon an das momentane spielerische Potential der letzten Spieltage gewöhnt, haben sich mit dem möglichen Abstieg bereits abgefunden oder wurden von den frenetisch feiernden Bremer Fans übertönt. Aber die Ränge, die in 96-Farben gekleidet waren, wirkten an diesem Heimspieltag wie eine eingespielte, aber lethargische Fußballatmosphäre: die Klassiker des 96-Fangesangs, stimmungsvoll aber uninspiriert eingestimmt und unabhängig vom Spielverlauf auf dem Platz vorgetragen. Nach Abpfiff trotteten die meisten Anhänger wie nach einem mäßigen Kinofilm aus dem Saal und erfreuten sich daran, dass man heute zumindest eine leckere Bratwurst in der Halbzeitpause genossen hatte.

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