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Wenn der Kunde zum Kassierer wird

02.09.2018 • Daniel Schneider • Aufrufe: 3208
02.09.2018
Daniel Schneider
Aufrufe: 3208

Wenige tausend gibt es bislang davon in Deutschland – und Wunstorf hat nun auch 4 davon: Selbstscanner-Kassen im Einzelhandel. Seit Ende August kann man nun auch bei „Edeka Kappe“ selbst zum Kassierer werden, wenn man sich nicht an einer traditionellen Kassentheke anstellen möchte.

SB-Scannerkassen

Die neuen SB-Kassen im Wunstorfer Edeka | Foto: Daniel Schneider

Wunstorf (ds). Der Kernstadt-Edeka gilt als innovativ: Der Firmenwagen ist ein Elektroauto in Edeka-Dekor, gerade erst wurde ein Parkplatzdach in Form einer Photovoltaikanlage errichtet – und nun führt er als Erster in großem Stil SB-Kassen in einem Wunstorfer Supermarkt ein. Regionsweit ist der Supermarkt in seiner Kategorie damit Vorreiter. Sobald der regionale Verbund, die Edeka Minden, eine entsprechende Hauslösung anbot, wurde nicht mehr gezögert. SB-Kassen hätte Inhaber Cord Kappe ansonsten auch schon früher aufgestellt.

Wer in der vorletzten Woche beim Edeka in der Hindenburgstraße einkaufen ging, konnte bereits an der Position der alten Kassen eine Veränderung bemerken: Hatten diese bislang allesamt leicht schräg gestanden, waren sie nun auf einmal rechtwinklig ausgerichtet. Und eine Kasse war ganz verschwunden: links, an der Wand zum Obst/Gemüse-Bereich, war eine komplette Kassenzeile abmontiert worden. Sie machte Platz für die neuen Selbstscannerkassen, die dort nun in Betrieb genommen wurden.

SB-Kassieren

Ist es noch zeitgemäß, durch den Supermarkt zu hetzen, nur um am Ende eine gefühlte Ewigkeit in der Kassenschlange zu warten, bis man endlich bezahlen darf? Seit Jahrzehnten versucht der Einzelhandel, das aktuelle Konzept der Kassen zu revolutionieren. Immerhin ist es schon über 100 Jahre alt. Seit die Selbstbedienungsgeschäfte nach und nach die Tante-Emma-Läden ersetzten, ist die Kasse am Ausgang des Ladens nicht mehr wegzudenken. Einkaufswagen kennt man seit den 50er Jahren, Scannerkassen gibt es seit den 70er Jahren. Und selbst kleine Kassentheken hatten irgendwann alle ein Laufband. Doch am eigentlichen Prinzip hat sich auch durch all diese Modifikationen nicht viel geändert: der Kunde sammelt im Laden seine Einkäufe zusammen, räumt sie danach an der Kasse wieder aus, bezahlt, und räumt sie danach abermals zusammen.

SB-Scannerkasse

Touchscreen der SB-Scannerkasse | Foto: Daniel Schneider

Neue Konzepte sollen hier Abhilfe schaffen. Amazon experimentiert in seinen Hightech-Läden mit vollautomatischer Erfassung der Einkäufe durch Kameras und automatischer Abbuchung, sodass man gar keine Kasse mehr braucht, andere Systeme drücken dem Kunden einen Scanner in die Hand, mit dem er bereits während des Einkaufs die Preisschilder scannt – und am Ende nur noch die EC-Karte zückt, ohne die Ware nochmal aufs Kassenband legen zu müssen. Doch einen Zeitgewinn hat das alles bisher nicht wirklich gebracht, das „Anstehen“ verlagert sich nur auf andere Bereiche.

Was soll erreicht werden?

Einen schnelleren Einkauf will auch der Wunstorfer Edeka mit den neuen SB-Kassen nicht primär erreichen, es geht eher um eine bessere Bewältigung der Kundenströme, verrät Inhaber Cord Kappe der Auepost im Gespräch. Die neuen Selbstscannerkassen sollen entzerrend wirken. Denn zu Stoßzeiten werden die Schlangen an den Kassen trotz Vollbesetzung mitunter lang. Weichen Kunden, die nur wenige Artikel zu bezahlen haben, nun auf die SB-Kassen aus, verringert sich zunächst die Kassenschlange an den traditionellen Kassen, wodurch es zumindest für die altmodisch Bezahlenden schon einmal schneller vorangeht.

Ob die SB-Kassen-Kunden schneller durch die Kassenzone kommen, hängt dann jedoch davon ab, wie viele Artikel sie tatsächlich kaufen, welche Bezahlungsart sie wählen und wie routiniert sie mit dem Gerät umgehen. Kappe hat dabei gerade auch die junge Klientel aus dem gegenüberliegenden Hölty-Gymnasium im Blick.

„Sind nicht für jeden was“Inhaber Cord Kappe über die Notwendigkeit, trotz neuer Technik den Stellenwert der traditionellen Kassen beizubehalten

Und einen Platzvorteil bringt das Ganze: An die Stelle der entfallenen 6. Kasse sind gleich 4 neue SB-Kassen gerückt, sodass es also dort statt zuvor sechs nun insgesamt neun Kassen gibt. Personaleinsparungen soll es wegen der SB-Scannerkassen nicht geben. Auf klassische Kassen wird man nicht verzichten, die neuen Kassenplätze zum Selberabfertigen sind als reine Ergänzung gedacht. Letztlich geht es also um die Umsatzsteigerung, bei dem der Zeitgewinn der Kundschaft nur ein mittelbarer Faktor ist.

Wie es funktioniert

Das Bargeld wird auch an den SB-Kassen keineswegs abgeschafft. Bezahlt werden kann nicht nur mit Karte, sondern auch mit Scheinen und Münzen. Die SB-Kassen nehmen das Bargeld an und geben es auch als Rückgeld direkt wieder aus, sowohl Scheine als auch Münzen – jedes Terminal hat einen in sich geschlossenen Bargeldkreislauf. im unteren Bereich mittig gibt es dafür mehrere Ein- und Ausgabeschächte.

SB-Scannerkasse

Die rechte Ablagefläche kontrolliert, ob das Gewicht mit dem der gescannten Artikel übereinstimmt | Foto: Daniel Schneider

Das Herzstück ist jedoch der Scannerbereich: Hier zieht der Kunde den Strichcode einfach durch den roten Laser, genau wie eine Kassenkraft auch. Einen Handscanner gibt es nicht. Ist kein Strichcode vorhanden, etwa bei Backwaren oder Obst/Gemüse, fungiert der Scanbereich auch als Waage – auf dem Touchscreen muss das passende Produkt dann ausgewählt werden. Gescannt wird von links nach rechts – nach dem Scannen ist die Ware in den rechten Metallkorb zu legen. Der ist in Wirklichkeit eine weitere Waage – und kontrolliert, ob die Artikel auch wirklich alle gescannt wurden. Das System kennt das Gewicht aller Waren und blockiert den Kassenvorgang, wenn das erwartete Ergebnis abweicht.

„Wir sind die Anleitung“

Eine Anleitung zur Bedienung der SB-Kassen gibt es nicht, aber selbsterklärend ist das System auch nicht, wenn man es zum ersten Mal benutzt. „Wir sind die Anleitung“, lacht Cord Kappe und wuselt bereits weiter zu einem Kunden, der zum ersten Mal die SB-Kasse ausprobiert und im Ablauf steckengeblieben ist. Die Erfahrung machen einige, die die SB-Kassen in diesen Tagen zum ersten Mal nutzen. Wo muss ich drücken? Warum geht es nicht weiter? Wo finde ich diese Salatsorte in der Übersicht? Wo ist das Wechselgeld? Kappe und seine Mitarbeiter sind zur Stelle und helfen notfalls mit dem Generalschlüssel nach, wenn es nötig ist.

Und einen Schubs in die richtige Richtung braucht man manchmal selbst für scheinbar banalste Dinge. Beim Selbstversuch vergessen auch wir einmal, nach dem manuellen Eingeben der Brötchenanzahl den „Weiter“-Button zu drücken, obwohl er groß genug aufleuchtet. Etwas, was man beim Scannen von Strichcodes zuvor natürlich nicht machen musste. Auch die Darstellung auf dem Bildschirm ist manchmal nicht perfekt: Auf der Taste zur Brötchenauswahl bekommt man wg. Platzmangel z. B. statt „Brötchen“ nur „rötchen“ zu lesen.

SB-Scannerkasse mit Geldschein

Banknoteneinzugfach der SB-Scannerkasse | Foto: Daniel Schneider

Auf das Wechselgeld muss man besonders achten, denn Scheine und Münzen werden in unterschiedlichen Fächern zurückgegeben. Wechselgeld in Papier wird etwa unter dem Einzugsschacht ausgegeben – und von diesem in der Draufsicht leicht verdeckt.

Zeitersparnis: optional

Zeit der Kunden und auch Arbeitszeit spart das alles auf diese Weise noch nicht ein, im Gegenteil. Bis der richtige Knopf gefunden ist, bis das Geld in die richtigen Fächer gelegt ist und das Restgeld danach aus anderen Fächern wieder eingesammelt wurde, vergeht einige Zeit – zusätzlich zum Scannen, das man ja auch noch übernehmen muss. Und wo früher ein Kassierer oder eine Kassiererin kassierte, stehen zumindest aktuell manchmal bis zu 3 Mitarbeiter, die die SB-Kassen erklären und beaufsichtigen.

Die SB-Kassen bieten jedoch vor allem den psychologischen Vorteil, dass eher eine Kasse frei ist und man sich nicht anstellen muss in der Warteschlange. Einen Geschwindigkeitsvorteil erreicht man nur beim Scannen weniger Artikel, die man kontaktlos mit NFC-Chip-Karte bezahlt – oder eben die anderen Kassenschlangen sehr lang sind und man beim Scannen und ggf. der Warenkategorisierung ebenso routiniert vorgeht wie eine Kassenkraft. Für große Einkäufe eignen sich die SB-Kassen sowieso nicht, da nur eine begrenzte Anzahl von Artikeln auf der Kontrollwaage Platz findet.

Berührungsängste scheinen die Wunstorfer Edeka-Kunden jedenfalls nicht zu haben. Kleine Schlangen bilden sich zeitweise nun sogar bereits vor den SB-Kassen, und allein in der ersten Woche probierten um die 500 Kunden die neue Möglichkeit des Bezahlens aus, obwohl die dafür vorgesehene flankierende Dekoration noch nicht einmal angebracht war. Ob das nur die erste Neugier war oder die Kundschaft sich auch dauerhaft zum Selberscannen entschließt, muss sich erst noch zeigen – doch Cord Kappe ist zuversichtlich. Bleiben werden die neuen Kassen auf jeden Fall.

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Kommentare


  • Schlimm es wird wieder die Menschen treffen, die dort arbeiten.

  • Michael Lau sagt:

    Hab das bei Famila Nienburg ausprobiert.
    Wenn das Aufsichtspersonal bloß nicht so genervt wäre wenn der SB Kunde Fehler macht

  • …und irgendwann wird der Döner den Menschen ersetzen ;-)

  • Nicht nutzen, dann verschwindet das auch wieder .

  • Das ist super, weil man sonst immer so lange warten muss

  • Vera Krüger sagt:

    Also fällen wieder Arbeitsplätze weg denkt da keiner dran

  • Stefan Gold sagt:

    Am Samstag direkt ausprobiert. Ergebnis : 8 x Sixpack, nach 6 Sixpack war es der Waage zu schwer. Nettes Personal war zur Stelle und musste eingreifen. Dann erstmal bezahlen. Altersabfrage da es sich um Biermischgetränke handelte. War mit dem Auto unterwegs, konnte die Kasse aber nicht wissen. Also hat mir wieder das nette Personal geholfen. So kamen wir zu einem kleinen Gespräch. Den Rest gescannt, bezahlt und nein noch nicht fertig. Altersabfrage mit Hilfe vom Personal. Fazit : Es wurden aus einem Einkauf zwei Rechnungen. Und ohne die Hilfe des Personals wäre ich wohl ohne Getränke nach Hause gefahren. Für den kleinen Einkauf sicher gut, sollte der Einkaufswagen voll sein, dann empfehle ich die normale Kasse.

  • Richtig dumm halte davon nix mehr arbeitslos und somit mehr Hartz IV

  • Ich geh lieber zur klassischen Kasse. Man kennt sich und quatscht nebenbei. Genau das menschliche macht Kappe aus

  • Ich geh lieber zur klassischen Kasse es ist persönlicher

  • Biggi Selli sagt:

    ich will Menschen AN DER kASSE

  • Ich find es gut, weil so die Schüler mit ihren 1 € Beträgen von der Kasse weg sind und man selber schneller durch ist.

  • Kasse, das Leben ist schon unmenschlich genug. Aber wenn es um Profit geht, wird dann vermutlich der ein oder andere Mitarbeiter entlassen, oder nicht mehr ersetzt….weiter so. Maschinen können aber keine Lebensmittel kaufen.

  • Ich habe es heute getestet, alles super geklappt.

  • Mike Aha sagt:

    Ich werde sowas auch weiterhin boykottieren, halte nichts von verstecktem Personalabbau! Der Einzige der wirklich etwas davon hat ist der Marktleiter, oder evtl. die Kette.

  • hatte mir es mal ne zeit angesehen. fast jede kasse musste während des scannens neugestartet werden und der kunde an eine andere, bis diese auch neugestartet werden musste

  • Habe es auch schon getestet: Mit etwas Übung eine super Sache. Gerade wenn man nur wenig einkauft.

  • Wolfgang Ahl sagt:

    Gerda Industrie 4.0

  • Nicht gut, so fallen auch die Kassierer/innen irgendwann weg

  • Stefan Gold sagt:

    Ihr wollt doch kein warmes Bier trinken oder?

  • Ich gehe lieber zum Verkäufer. Wen die Kassen voll sind und ich keine Zeit und nur Kleinigkeiten dann nutze ich das auch mal

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