Wunstorfer Auepost
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Ein Amazon-Verteilzentrum in Wunstorf?

01.03.2019 • Daniel Schneider • Aufrufe: 2496
01.03.2019
Daniel Schneider
Aufrufe: 2496

Ein Amazon-Verteilzentrum könnte in Wunstorf entstehen. Kein Lager, keine Spedition, sondern der nächste Schritt von Amazon zu mehr Marktmacht im Handel. Während die Wunstorfer zunächst an neue Arbeitsplätze und steigenden Verkehr denken, gehen die Einzelhändler von Arbeitsplatzverlust in der Innenstadt aus.

Amazon-Paket

Amazon-Pakete könnten künftig aus Wunstorf kommen

Die Nachricht kam überraschend: Amazon spielt mit dem Gedanken, ein Verteilzentrum am Standort des ehemaligen Lidl-Lagers an der Adolf-Oesterheld-Straße zu errichten. Seit 2016 ist das dortige Gelände ungenutzt. Überraschend erscheinen die Pläne auch deshalb, weil gerade erst in Garbsen ein neues Logistiksortierzentrum entstanden ist.

Doch in Wunstorf soll kein Zentrallager oder Sortierzentrum entstehen, sondern ein Verteilzentrum. Der Unterschied ist essentiell: Während das Garbsener Sortierzentrum als Zwischenglied im Amazon-Logistiknetzwerk funktioniert, indem es Sendungen aus den Logistiklagern (vor-)sortiert und an die Paketzentren weiterleitet, wäre Wunstorf eines dieser Paketzentren. Garbsen und Wunstorf würden sich also keineswegs „Konkurrenz machen“, sondern sind verschiedene Bausteine der Amazon-Versandstrategie. Mit den großen Amazon-Logistiklagern, den „Logistikzentren“, in denen die Waren gelagert, zusammengestellt, verpackt und verschickt werden, hat ein Verteilzentrum ebenfalls wenig zu tun.

Verteilzentrum?

Kunden, die auf ein Paket warten, sehen z. B. im DHL-Sendungsverlauf einen Hinweis wie „Die Sendung wurde im Ziel-Paketzentrum bearbeitet“ – es ist der letzte Schritt der Reise eines Pakets, bevor es in das Zustellfahrzeug geladen und ausgeliefert wird. Bei Amazon selbst ist dagegen von „Verteilzentren“ die Rede. Verteilzentren sind die Amazon-eigene Antwort auf die Paketzentren der Paketdienste wie DHL, Hermes, DPD etc. Damit versucht Amazon, sich einerseits von den externen großen Paketdiensten unabhängiger zu machen und andererseits schnellere Lieferketten zu garantieren: Das soll letztlich ermöglichen, dass der Amazon-Kunde sein Paket schneller bekommen kann.

Amazons „eigener“ Paketdienst

Bisher werden die meisten Amazon-Pakete in Deutschland mit den großen Paketdiensten verschickt: Die LKWs von z. B. DHL werden direkt an den Amazon-Logistiklagern beladen und nehmen von dort ihren Weg in die DHL-eigenen Paketzentren, wo die Lieferfahrzeuge bestückt werden. Künftig wird dieser Weg immer öfter entfallen können, Amazon somit auch auf „der letzten Meile“ zum Kunden selbst zum Logistiker werden. Die Pakete kommen letztlich aber dann doch nicht mit „Amazon-Paketautos“ – auch wenn sie das Amazon-Logo tragen. Amazon arbeitet stattdessen mit kleineren lokalen Zustelldiensten zusammen, um seine Pakete auszuliefern, bildet also quasi mit Subunternehmern seinen eigenen Paketdienst, ohne eigene Fahrer beschäftigen zu müssen.

Bislang ist Amazon nur in einigen wenigen Regionen mit seinem eigenen Zustelldienst „Amazon Logistics“ vertreten, etwa in Berlin, München oder im Ruhrgebiet. Weitere Standorte sollen wohl jedoch folgen, und für die Region Hannover könnte es eben Wunstorf werden. Wunstorf wäre damit das letzte Glied in der Versandkette: ein Paketzentrum, das exklusiv Pakete nur für Amazon und dessen Kunden an die Paketboten der verschiedenen Zustelldienste weiterreicht. Der Zustellradius beträgt dabei etwa maximal 120 Kilometer. Olching bei München war das Pilotprojekt in Deutschland, nach dessen Vorbild wird nun offenbar in den Ballungsgebieten der ganzen Republik der Amazon-Paketversand revolutioniert.

Altes Lager

Das ehemalige Lidl-Lager soll Amazon-Paketzentrum werden | Foto: Daniel Schneider

Steigender Verkehr

Wunstorf scheint dabei perfekt in die Amazon-Strategie zu passen: Es ist verkehrsgünstig gelegen, hat mit Wunstorf-Luthe und Wunstorf-Kolenfeld gleich zwei Autobahnanschlüsse vor der Haustür – und ist als Teil der Region Hannover Bestandteil des wohl künftigen Kerngebietes des entsprechenden Amazon-Lieferdienstes. Die bisher entstandenen Amazon-Verteilzentren wurden ebenfalls stets an die Autobahn gebaut, und dabei nicht zwangsläufig mitten in die Großstadt. Für München wurde ein Amazon-Verteilzentrum in Olching an der A 8 errichtet, ebenfalls am Rande der Region, und in Raunheim entstand eines vor den Toren von Frankfurt/Main neben dem dortigen Flughafen an der A 3.

Paket-Bahnhof

Doch ein Verteilzentrum ist nicht einfach nur ein Speditionsgelände. Praktisch würde sich der Standort bei Luthe zu einer Art Amazon-Paket-Bahnhof entwickeln. Neben den LKWs, die die Pakete anliefern, würde auch eine Flotte der Lieferwagen – in der Regel Kleintransporter – von mehreren Paketdiensten das Gelände regelmäßig anfahren, um die auszuliefernden Sendungen aufzunehmen. Anders als in Garbsen wären die Verkehrsströme in Wunstorf kleinteiliger, was eine nicht zu unterschätzende zusätzliche Verkehrsbelastung vor allem auf der B 441 und der Adolf-Oesterheld-Straße bedeuten würde. Dementsprechend steht vor allen weiteren Umsetzungsplänen nun zunächst einmal die Einholung eines Verkehrsgutachtens.

Angst der Einzelhändler vor Same-day-Lieferungen

Für den Einzelhandel ist es schon das Schreckgespenst schlechthin: Wenn Amazon nun bald die gesamte Lieferkette kontrollieren – und somit dank seiner Marktmacht Einfluss auf die Konditionen der Branche nehmen kann, wird es nicht nur für die traditionellen Paketdienste unschöner. Auch der Einzelhandel fürchtet die zunehmende Marktmacht des Onlinehändlers. Eigene konkurrenzfähige Lieferangebote der lokalen Händler, die vielleicht in Eigenregie online verkaufen möchten, würden noch schwieriger, wenn Amazon auf seine eigenen Zustelldienste setzen kann. Denn irgendwann wird niemand mehr auf den nächsten Tag oder sogar tagelang auf seine bestellte Ware warten wollen. An Amazon käme man dann im Online-Handel tatsächlich kaum noch vorbei.

Amazon-Pakete

Ein unbegeistertes Amazon-Paket (Symbolbild)

Die Vorteile, die der Einzelhandel bislang noch gegenüber den Versandhändlern hat, schmelzen zudem immer weiter dahin: Schon heute haben Kunden nur bei Onlinebestellungen ein gesetzliches „Umtauschrecht“; im Laden vor Ort lässt sich die Ware zwar direkt begutachten, aber wer nach dem Kauf zu Hause feststellt, dass sie doch nicht das Richtige ist, ist auf die Kulanz der Händler angewiesen. Wenn Amazon durch eigene regionale Logistikstrukturen nun auch noch taggleiche Lieferungen anbieten kann, fällt der Unterschied zum „Direkt-im-Laden-Mitnehmen“ noch geringer aus.

Ladensterben befürchtet

Aus Fachkreisen erfuhr die Wunstorfer Auepost, dass es eine klare Meinung unter den Wunstorfer Einzelhändlern gibt: diese gehen von einem weiteren Ladensterben in der Innenstadt aus, sollten die Amazon-eigenen Lieferungen Realität werden. Schon jetzt kämpft der Einzelhandel mit der Online-Konkurrenz, doch die noch attraktiver werdenden Onlinebestellungen könnten einen Teufelskreis in der Innenstadt in Gang setzen. Warum soll man sich noch die Mühe machen, in der Wunstorfer Innenstadt einen Parkplatz zu suchen, der auch noch Parkgebühren kostet, wenn Amazon das Gewünschte auf Mausklick noch am selben Tag direkt vor die Haustür bringt?

PLZ-Abfrage Wunstorf bei Amazon

Derzeit liegt Wunstorf nicht im Same-Day-Gebiet von Amazon | Screenshot: Auepost

Auf die Politik können die Einzelhändler dabei momentan wenig zählen, die neue Parkplätze lieber an den Ortsrand setzt und dafür die Parkgebühren für die Stellplätze in Laufweite der Geschäfte sogar noch weiter anheben will. Doch dies ist ein generelles Problem für den örtlichen Handel, was nichts direkt mit der möglichen Ansiedlung des Amazon-Paketzentrums in Wunstorf zu tun hat. Die Effekte würden genauso entstehen, wenn Amazon sein Verteilzentrum an anderer Stelle in der Region errichtet.

Schöne Aussichten?

Statt vieler neuer Arbeitsplätze könnte ein Amazon-Verteillager in Wunstorf daher auch lediglich zu einer Abwanderung von Arbeitsstellen führen – und manche Angestellten, die heute noch tarifgebunden im Einzelhandel in der Wunstorfer Innenstadt arbeiten, sich womöglich irgendwann als Kurierfahrer oder Packer in einem Amazonlager bei schlechterer Bezahlung wiederfinden. Am Ende hätte Wunstorf nicht bedeutend mehr Arbeit, sondern hauptsächlich nur mehr Verkehr. Und Kunden würden damit rechnen müssen, dass sie künftig immer seltener die Wahl haben werden, wo sie einkaufen gehen können – wenn der lokale Einzelhandel erst einmal marginalisiert ist und am Ende nur noch Amazon übrigbleibt. Ob Wunstorf – trotz eines Amazon-Standortes in der Stadt – überhaupt von Same-Day-Delivery profitieren würde oder die schnellen Lieferungen auf das Stadtgebiet von Hannover beschränkt blieben, ist dabei noch eine ganz andere Frage.

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Kommentare


  • Frank Dahnke sagt:

    Warum soll das jetzt wieder schlecht sein ?

  • Dann kommen einige von ihren hohen Preisen endlich mal runter, bei einem und dem selben Produkt, von dem selben Hersteller, ist ein Elektronikfachmarkt ca 150%teurer. Hab denen das gesagt, Preis wurde um ca 30 % reduziert…..

  • Jan Krage sagt:

    Ob das Ding nun hier steht oder in Lehrte oder in Hameln ist doch für die Einzelhändler völlig egal. Amazon will selber ausliefern. Das machen sie eh ob das Lager nun hier steht oder woanders…jammert nicht rum sondern freut euch dass die Stadt als Wirtschaftsstandort wächst…

  • es kommt eh – wenn nicht hier dann woanders. Für mich ist es immer noch ein „Erlebnis“ einkaufen zu gehen. Ich will fühlen, anprobieren und ganz wichtig: Ich suche Beratung! Diese bekomme ich bei Amazon nicht! Zum Thema: Parkgebühren – früher (ja früher als wir noch einen Kaiser hatten), konnten meine Eltern ihre Parkkarte bei Händlern abstempeln lassen und erhielten so die Parkgebühr erstattet! Vielleicht könnten ja auch die Wunstorfer Händler über eine eigene Online-Plattform nachdenken?

  • Peter Demuth sagt:

    Typisch Wunstorfer…
    70er+80er jahre: Flugplatzrennen… ca 35000 besucher. Grosses Geschrei, alles verstopft, abgase usw. Rennen gibts nimmer. ABER… Festliches Wochenende Steinhude… 30000 besucher + feuerwerksqualm.. Jubilieret und frohlocket, immer mehr Besucher.

    Fliegerhorst Anlieger: Bääh, dieser Krach und Lärm. Aber womöglich günstige Grundstücke bekommen.
    Grenzöffnung: Fliegerhorst soll in Osten verlegt werden.
    Gleiche Leute: Oh, unsere Kaufkraft geht flöten…..
    usw usw

  • Ham Ad sagt:

    Wo bitte würden hier Arbeitsplätze in der Innenstadt verloren gehen?! Bei den Friseuren, Döner-Läden, Apotheken, Fleischer, Drogerie-Ketten, Boutiquen?! Schwachsinn! Die Innernstadt besteht zu 80% aus diesen o.g. Geschäften. Die o.g. Geschäfte existieren nicht bei Amazon, abgesehen von Drogerie und Klamotten. Drogerie-Geschäfte bestehen aus Ketten, und wer kauft schon Klamotten bei Amazon, bitte? Alles reine Panikmache!

  • Paul Treptow sagt:

    was haben lokale händler hiermit zu tun? das ist ein paket lage zentrum. und kein edeka/saturn wo man einkaufen gehen kann.
    ist also keine „bedrohung“ für irgendeinen laden.

  • Basti g. sagt:

    Arbeitsplatzverlust in der Innenstadt:-) ist doch nur eine lohnfrage

  • Herri Trinker sagt:

    Lob für diesen Artikel an die Auepost-Redaktion!
    Diese Qualität habe ich in der Leine-Zeitung bisher nicht gefunden…

  • Simone Behne sagt:

    Die Lage ist halt total wirtschaftlich für Amazon. Zwei Autobahnanbindungen, Kanalanbindung und diverse Bundesstraßen. Ist doch aber super. Und rettet vorm Aussterben das Amazon hierher kommt und Arbeitsplätze bietet.
    Was wird eigentlich aus dem alten Aldigebäude im Industriegebiet?

    • Basti g. sagt:

      Kanalanbindung werden die wohl nicht brauchen ! Aber der Standort Wunstorf ist perfekt und schafft Arbeitsplätze Amazon zahlt zwar kein wucherlohn aber schuld sind die Arbeiter die sich so günstig verkaufen

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