Wunstorf (as). Das Projekt scheint nun die Züge einer unendlichen Geschichte anzunehmen: Wo längst die „Neue Mitte“ 250 Wohneinheiten, Kita, Café, Nahversorger, Praxis- und Büroflächen bieten sollte, ragen weiter die Ruinen einer einst florierenden Industrieanlage in den Himmel.
Im Gespräch mit der Redaktion der Auepost lässt der Rathaus-Chef die vergangenen Monate Revue passieren. Dabei wird schnell deutlich: Das Projekt ist Chefsache, Piellusch ist detailsicher – fast alle entscheidenden Verhandlungen hat er selbst geführt. Und noch etwas stellt sich heraus: Während das Thema Vion im öffentlichen Interesse in den Hintergrund gerückt zu sein scheint und sich nicht mehr oft auf den Tagesordnungen öffentlicher Sitzungen findet, hat es sich „weiterentwickelt“, wie Piellusch sagt.
Die Sondierungen – nach dem Eindruck vieler Bürger allzu oft von Widersprüchlichkeiten und Zwist begleitet – sind fortgesetzt worden, mal intensiv, mal weniger. Es sind auch Ergebnisse erzielt worden, und der Bürgermeister hat keine Scheu, jetzt Fakten zu nennen, die in der Vergangenheit nur in vertraulichen Runden behandelt wurden.
Die Mitglieder des vertraulich tagenden Verwaltungsausschusses sind vor wenigen Tagen vom Stand der Dinge unterrichtet worden. Jetzt sei das Projekt „tot“, hörte die Redaktion nach der Sitzung von Teilnehmenden. Derartig negative Bewertungen gab es selbst in den schwierigsten Verhandlungsphasen bisher nicht.
Der Bürgermeister ist im Gespräch mit der Auepost weniger pessimistisch: Er habe Neue-Mitte-Geschäftsführer Björn Hiss empfohlen, „weiterzuverhandeln“. Die Stadt habe weiterhin ihr Ziel im Auge, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. „Daran arbeiten wir.“ Das ist offenbar in den vergangenen Monaten tatsächlich geschehen. Pielluschs Resümee:
■ Neue Mitte Wunstorf (NMW) als Eigentümer und der einzige verbliebene Kaufinteressent MGM Immobilien können sich nicht auf einen Preis einigen. NMW hat 4,5 Millionen Euro beim Erwerb ausgegeben und nach Hiss’ Darstellung viel in Planungen, Gutachten, Absicherung und Grundsteuern investiert. Angesichts der Uneinigkeit hat NMW die Planungen eingestellt – Hiss will verkaufen und verlangte zuletzt 5,8 Millionen Euro, nachdem er zunächst 6,2 bis 6,5 Millionen gefordert hatte.
■ MGM habe das gesamte Vorhaben sehr intensiv geprüft. Piellusch: „Die sehen sich auch ihre Partner sehr genau an.“ So sei ein Repräsentant des Unternehmens auch nach Düsseldorf zu NMW gefahren, um direkt zu verhandeln.
■ MGM erwarte, dass der Kaufpreis erst zur Zahlung fällig werde, wenn ein Bebauungsplan vorliege, also Baurecht bestehe. Das wäre in etwa zwei Jahren.
■ Ende 2024 „haben wir überlegt“, sagt Piellusch. Er habe den Ratsfraktionen vorgeschlagen, „eine Brücke zu bauen“. Die Idee: MGM und Stadt treten Seite an Seite als Käufer auf und zahlen 5,8 Millionen Euro. Der Anteil der Stadt sollte bei 700.000 Euro liegen. Piellusch ist überzeugt, „das wäre eine Möglichkeit“ gewesen, das Projekt voranzutreiben. Der Abwägungsprozess sei auf allen Seiten sehr intensiv gewesen. Es habe Fort- und Rückschritte gegeben, Ankündigungen und Absagen.
■ Schließlich seien die Gespräche über die Kaufsumme von 5,8 Millionen Euro sehr konkret gewesen. NMW-Chef Hiss habe aber verlangt, dass MGM und Stadt bei Vertragsabschluss sofort eine Anzahlung von zwei Millionen leisten. Die Fragen der Fälligkeit der Zahlungen und der Sicherheitsleistungen seien letztlich die zentralen Streitpunkte gewesen. MGM lehne die Forderungen von NMW kategorisch ab, berichtet Piellusch. Die Einigung sei nicht zustande gekommen, weil sich die Positionen nicht annähern ließen.
Piellusch hat den Verwaltungsausschuss in der jüngsten Sitzung informiert, dass die MGM-Führung nicht mit NMW ins Geschäft kommen will. Das Jenaer Unternehmen ist eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts, in der die Gesellschafter persönlich haften. MGM sei das Risiko letztlich zu groß, heißt es in der Absage.
Das Projekt: Das 60.000 Quadratmeter große Areal gehört seit 2022 der NMW Neue Mitte Wunstorf GmbH, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Siedlungsbau aus Düsseldorf. Der Kaufpreis: 4,5 Millionen Euro. Der Plan: Auf der Basis des Siegerentwurfs eines Wettbewerbs der Stadt Wunstorf sollte ein neues Stadtviertel zwischen Luther Weg und Hochstraße entstehen – hinter einem gigantischen Lärmschutzwall neben der Bahnlinie. Der Reiz: Eine großzügige Parkanlage sollte Spiel- und Freizeitangebote ermöglichen. Die Realität: Stadt und neuer Eigentümer können sich nicht auf ein Konzept einigen, wie die siegreichen Ideen der Planer aus dem Jahr 2016 umgesetzt werden sollen.
Keine Einigkeit: Die Stadt will bezahlbaren Wohnraum schaffen und zwar nur, wenn effektiver Lärmschutz sichergestellt ist. Der Investor will die sogenannte Masterplanung von 2017 den veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Konkret: Die Anordnung der Wohnhäuser soll verändert werden. Ebenso die Lage der Grünanlagen. Ein zentraler Streitpunkt war und ist der begrünte Wall, der ursprünglich einschließlich Schutzwand 16 Meter hoch und 400 Meter lang sein sollte. Inzwischen ist die Stadt mit der Reduzierung auf elf Meter einverstanden. Aber Einigkeit konnte nicht erzielt werden.
Plangebiet verkleinert: Die Eigentümer-Gesellschaft begründet ihre Änderungspläne auch damit, dass die Stadt das ehemalige Vion-Verwaltungsgebäude aus dem Plangebiet herausgenommen hat. Es soll auf absehbare Zeit als Unterkunft für Flüchtlinge genutzt werden. Auch eine Fläche entlang der Bahngleise ist für die Projektentwicklung entfallen, weil Deutsche Bahn und Stadt sie für die Umgestaltung des Luther Wegs benötigen. Dort sollen eine Rampe und eine Brücke für Radfahrer und Fußgänger die Schrankenanlage ersetzen.
Auf Eis gelegt: Wegen der fehlenden Übereinstimmung hat der Eigentümer NMW alle Planungen auf Eis gelegt. Der Rat der Stadt Wunstorf hat eine Veränderungssperre für die Fläche beschlossen. Das bedeutet, dass für vorerst zwei Jahre bauliche Veränderungen nicht genehmigt werden: kein Umbau, kein Abriss, kein Neubau.
Das die aktuelle Eigentümerin der Fläche, wenn sie schon kein umsetzbares Baurecht von der Stadt bekommt, nur noch weg will und versucht ihr bisher investiertes Geld zurückzubekommen, ist verständlich. Dass die letzten Kaufinteressenten erst zahlen wollen, wenn ein umsetzbares Baurecht existiert, um nicht ebenso viele Millionen in den Sand zu setzen, ist ebenso verständlich. Und natürlich will die bisherige Eigentümerin keinen Vertrag unterschreiben, der sie bindet und handlungsunfähig macht, nicht wissend, ob die möglichen Käufer jemals ihr Baurecht bekommen und zahlen werden. Das ist auch offensichtlich. Wer würde sowas unterschreiben? Was denkt sich der Bürgermeister eigentlich? Wer wäre so wahnsinnig sich auf diese Verwaltung zu verlassen? Auch der Zeitraum von zwei Jahren ist doch Utopie. So eine Veränderungssperre kann verlängert werden. Ich wette, das wird sie. Vermutlich sogar mehrfach. Die Verwaltung war es, die bislang einen völlig unbrauchbaren Entwurf zur Bebauung unbedingt durchdrücken wollte und sich gleichzeitig selbst nicht daran gehalten hat (entgegen früherer Absprachen eine riesige Flüchtlingsunterkunft im Plangebiet, eine lange Rampe für einen neuen Tunnel unter der Bahntrasse und dadurch auch die Unmöglichmachung des sinnvollen Weges entlang der Bahntrasse von der bisherigen Schranke her Richtung Bahnhof. Das nennt man wohl Maximalforderung? Oder Selbstbedienungsmentalität? Alles habe wollen und sich an nichts halten. Aber mit 700.000,- fremden Geldes winken, das von uns Steuerzahlern? Irre!
Hier 700000 dort 1,2 Millionen und dann noch eine Tiefgarage kaufen. Aber Geld für zum Beispiel ein Schwimmbad aufrecht zu erhalten ist nicht da.
Eine „städtische Finanzspritze“ in Höhe von 700.000 Euro?
700.000 Euro Steuergeld weil die Verwaltung/SPD/CDU nicht mehr bereit ist mit NMW zu verhandeln und die aktuellen Gegebenheiten anzuerkennen? 700.000 Euro aus dem eh klammen Haushalt der Stadt sollten aufgewendet werden, damit die Tischtuchzerschneider nicht ihre Kompromisslosigkeit eingestehen müssen?
Kann man das so verstehen? Muss man das so verstehen?
Und was wäre das Ergebnis? Der neue Besitzer hätte den alten Masterplan auch nicht umsetzen können.