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Die Stimmen-Stimmerin

16.05.2020 • Daniel Schneider • Aufrufe: 977

Dorothea Schmidt liebt die Arbeit mit ihren Klienten, und wenn sie davon erzählt, strahlen ihre Augen. Denn sie wollte eigentlich nie etwas anderes machen und ist 2018 dort angekommen, wo sie schon immer sein wollte: als Stimmlehrerin mit eigener Praxis in Steinhude.

16.05.2020
Daniel Schneider
Aufrufe: 977

Dorothea Schmidt liebt die Arbeit mit ihren Klienten, und wenn sie davon erzählt, strahlen ihre Augen. Denn sie wollte eigentlich nie etwas anderes machen und ist 2018 dort angekommen, wo sie schon immer sein wollte: als Stimmlehrerin mit eigener Praxis in Steinhude.

Dorothea Schmidt

Stimmlehrerin Dorothea Schmidt | Foto: Mirko Baschetti

Die heute 41-Jährige wuchs in der fränkischen Schweiz in der Nähe von Nürnberg auf. Noch in der Schule durchblätterte sie im Berufsinformationszentrum die Berufs-Ordner. Gleich im ersten war sie beim Buchstaben „A“ fündig geworden: Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin stand dort in großen Lettern. Doch Ernüchterung machte sich bei ihr breit, als sie erfuhr, dass sie zuvor eine abgeschlossene Ausbildung absolvieren müsse, bevor sie sich ihren Traum erfüllen könne.

So lernte sie vorerst Erzieherin und arbeitete im Kindergarten. Es war ein wundervoller Beruf, und ihr ursprünglicher Traumberuf geriet dadurch in Vergessenheit. Doch noch bevor sie das 30. Lebensjahr erreichte, wollte sie sich im Job verändern. „Etwas fehlte. Meine kreative Ader wurde nicht genug gefordert“, sagt sie rückblickend. „Zudem klingelte mir vom permanenten Lärmpegel auf der Arbeit der Kopf.“ Sie erinnerte sich daran, was sie eigentlich einmal werden wollte, und erinnerte sich dabei an den Ordner mit dem Buchstaben A. Sie fuhr 700 Kilometer nach Bad Nenndorf, zum weltweit einzigen Ort, der entsprechend ausbildete. „Weil dies ein ganz spezieller Beruf ist“, sagt Dorothea Schmidt noch voller Pioniergeist. Nach einer 3-tägigen Aufnahmeprüfung war sie mehr denn je überzeugt von ihrer neuen beruflichen Ausrichtung. Sie trat die Heimreise mit klarem Kopf und einem „phänomenalen Körpergefühl“ an, sagt sie. „So wollte ich mich immer fühlen.“

Viele Menschen finden ihre eigene Stimme auf Aufnahmen schrecklich Dorothea Schmidt

Im Jahre 2006 begann sie die Ausbildung zur staatlich geprüften Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin und folgte damit ihrer eigentlichen Berufung. Drei Jahre lernte sie in der Kurstadt. Nach erfolgreicher Prüfung arbeitete sie sieben Jahre in einer logopädischen Praxis und anschließend als Sprachfachkraft in Kindergärten, ehe sie 2018 den Schritt in die Selbständigkeit wagte.

Ihre Klientel sind Menschen jeden Alters, die Schwierigkeiten mit der Sprache, dem Schlucken und akustischen Verstehen haben. Aber sie coacht auch Schauspieler, Moderatoren und Sprecher, die Reden halten, erwachsene Schlaganfallpatienten, Kinder, die lispeln oder nicht mehr oder nur selektiv sprechen, oder Sänger, die ihre Stimme schulen. So wie den Heavy-Metal-Sänger, dessen Stimme „auch gesund klingen kann, ohne nach einem Konzert seine Stimmbänder blutig zu schreien und sich eine Woche wie eine Krähe im Stimmbruch anzuhören“, berichtet Schmidt.

„Meine Arbeit hat viel mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun“, sagt sie, und so ist es auch kein Wunder, dass die Menschen in der Regel selbstbewusster aus ihren Behandlungsräumen gehen. Neben der Leidenschaft für ihren Beruf hat sie auch eine für die eigene Musik. In der Jazz-Soul-Funk Formation „Trift“ singt sie, spielt Piano und komponiert deutschsprachige Songs. „Die deutsche Sprache klingt im internationalen Vergleich vielleicht etwas hart“, sagt Schmidt, aber „ich mag sie einfach sehr gerne“. Auf Spotify und ITunes sind sie bereits zu hören und bald vielleicht schon auf einer eigenen CD. „Wir arbeiten dran“, sagt sie gespannt, „und daran, auf noch größeren Bühnen zu spielen.“

Therapie soll Spaß machen Dorothea Schmidt

Fast alle Menschen finden ihre eigene Stimme auf Aufnahmen am Anfang schrecklich“, sagt sie. „Das liegt daran, dass man sich innen anders anhört als außen.“ Allerdings findet sie, dass Menschen manchmal sehr hart mit sich ins Gericht gehen. Das habe viel damit zu tun, wie man sich selbst sehe. Leider denken wir nicht immer so gut von uns selbst“, erzählt sie nachdenklich.

Der Behandlungsraum ist voll mit Spielen und Bewegungsgeräten: Luftballons, Bälle, Seile, Gesellschaftsspiele. „Therapie soll auch Spaß machen“, sagt Dorothea Schmidt, und gerade Bewegung helfe, weil Stimmbildung immer auch mit Spannung zu tun habe. In der Bewegungsarmut sieht sie ohnehin ein großes Problem. „Wir sitzen zu viel und bewegen uns zu wenig. Und das bereits im Kindesalter“, sagt sie. „Dadurch atmen viele Menschen zu flach und wenig tief.“ Kinder „sollen raus an die frische Luft, raus in den Wald und auf unebenem Boden laufen, um Körper und Gehirn zu trainieren“. Am liebsten bezieht Schmidt Eltern mit in die Therapiesitzungen ein, um sie aktiv zu beteiligen und therapeutische Maßnahmen ins häusliche Umfeld zu integrieren.

Ich brenne für diesen Beruf Dorothea Schmidt

„Manchmal stoße auch ich an meine beruflichen Grenzen“, sagt Schmidt reflektierend, doch sie versuche alles in ihrer Macht Stehende, um den Problemen auf den Grund zu gehen und dem Menschen individuell zu helfen. „Da ist Schema F unangebracht“, sagt sie energisch. „Querdenken und Selbstreflexion ist daher sehr wichtig in meinem Beruf“, fährt sie fort, denn wenn es zum Beispiel mal vorkommt, dass etwas im Heilungsprozess stockt, dann verweist sie auch an andere Stellen wie Ergotherapeuten, Osteopathen und auch Psychologen, da die aufgespürten Probleme vielleicht auch woanders oder tiefer liegen. Dennoch muss sie sich immer wieder ganz speziell auf den Klienten einstellen und kreative Methoden anwenden, um einen Erfolg herbeizuführen. Aber das mache sie gerne. „Ich brenne einfach für diesen Beruf und übe ihn leidenschaftlich gerne aus“, sagt sie freudig.

Auch wenn sie manchmal außerhalb ihrer Arbeitszeit über bestimmte Fälle nachdenkt, geht sie doch mit einem sehr guten Gefühl nach Hause, denn sie weiß, dass ihr Beruf nicht nur Berufung ist, sondern sie Menschen in ihrer ganz persönlichen Entwicklung weiterhilft.

Dieser Bericht erschien zuerst in Auepost 02/2020

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