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Ein echtes „NDR-Gewächs“

14.03.2021 • Mirko Baschetti • Aufrufe: 2568

Christina Harland-Lange arbeitet schon ihr halbes Leben lang in ihrem Traumberuf. Seit mehr als 20 Jahren ist sie Redakteurin beim NDR im Landesfunkhaus Niedersachsen am Maschsee in Hannover. Sie ist ein echtes „NDR-Gewächs“ und lebt heute auf einem Resthof mit vielen Tieren in Großenheidorn.

14.03.2021
Mirko Baschetti
Aufrufe: 2568

Christina Harland-Lange arbeitet schon ihr halbes Leben lang in ihrem Traumberuf. Seit mehr als 20 Jahren ist sie Redakteurin beim NDR im Landesfunkhaus Niedersachsen am Maschsee in Hannover. Sie ist ein echtes „NDR-Gewächs“ und lebt heute auf einem Resthof mit vielen Tieren in Großenheidorn.

Christina Harland-Lange

Christina Harland-Lange arbeitet schon ihr halbes Leben lang in ihrem Traumberuf | Foto: Mirko Baschetti

Mit 13 Jahren fasste sie den Plan, später einmal eine „rasende Reporterin“ zu werden. Ihre Mutter unterstützte das und tippte auf ihrer kleinen gelben Kofferschreibmaschine einen Brief an Dagobert Lindlau, Urgestein des Bayerischen Rundfunks und damals Moderator der NDR-Talkshow: „Meine Tochter möchte unbedingt Journalistin werden. Was raten Sie ihr?“ Seine knappe Antwort: „Reden Sie ihr das unbedingt aus, ansonsten wünsche ich ihr alles Gute.“ Christina wollte es jetzt erst recht.

Der erste Bericht: Grünkohlernte in Wunstorf

Rückblickend haben sich immer wieder im richtigen Moment Türen geöffnet, durch die sie beherzt durchgegangen ist. Ihr erstes Zeitungspraktikum trat sie bei der „Leine-Zeitung“ in Garbsen an. „Ich war noch Schülerin, deswegen hatte der dortige Redakteur Achim Süß (heute „Auepost“-Redakteur) vermutlich begrenzte Erwartungen an meine Einsatzfähigkeit“, lacht Christina. Mühsam versuchte sie sich auf der Schreibmaschine unter seiner gestrengen Anleitung an ersten Meldungen, damals noch mit zwei Fingern. Später durfte sie auch aus der Redaktion in Wunstorf berichten. Über die Grünkohlernte auf Wegeners Hof oder das rührende Wiedersehen von Hilde Pinkenburg, einer alten Wunstorferin, bekannt durch die Mühle gleichen Namens, mit einem französischen Kriegsgefangenen, der in Wunstorf Freunde fürs Leben gefunden hatte.

In Hannover hat sie Englisch, Politik und BWL studiert – mit Stationen in Bristol, Großbritannien, und San Marcos, Texas. Ihr Abitur machte sie am Hölty-Gymnasium. Auch dort fand sie es schon außerordentlich spannend, für die Schülerzeitung zu schreiben. „Dazu kam, dass ich glücklicherweise nicht schüchtern bin und ein großes Interesse an Menschen habe. Ich möchte unbedingt verstehen, was Menschen antreibt, und ich lasse mir gerne Zusammenhänge erklären, die ich nicht verstehe“, sagt Christina zu ihrem Berufswunsch.

Während des Studiums sah Christina zu, dass sie in den Ferien bei verschiedenen Radio- und Fernsehsendern Praktika ergatterte: ffn, Antenne, SAT1. In der Uni-Pressestelle arbeitete sie für die Hochschulzeitung „Uni intern“. Ganz die rasende Reporterin. Mit dem Magister in der Tasche landete sie nach dem Studium im kleinen Studio Göttingen von „Radio Antenne“, bis sie dann im Jahr 1996/97 ein Volontariat beim NDR antreten konnte und dort Radio und Fernsehen „von der Pike auf“ lernte. Dort wurde sie direkt als feste Redakteurin beim Fernsehen übernommen, „Hallo Niedersachsen“ ist seitdem ihre Stammredaktion.

In all den Jahren hatte sie aber auch viele unterschiedliche Aufgaben: Nachrichtensprecherin, Wirtschaftsredakteurin, Moderatorin der „Nordtour“, von Sondersendungen und Featureproduktionen, Berichterstattung für „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ und andere ARD-Magazine, Aktuellplanung und Senderedakteurin.

Herzklopfen weicht Herzblut

Heute ist Christina in der Redaktion „Landespolitik“ für die Sozialberichterstattung bei „Hallo Niedersachsen“ verantwortlich, führt regelmäßig in Vertretung der Abteilungsleitung die Geschäfte der Redaktion und koordiniert Zulieferungen für das ARD und NDR Fernsehen. „Mein Job ist über die Jahre immer abwechslungsreich geblieben. Das liegt in der Natur der Sache. Journalisten müssen immer wieder raus aus ihrer Komfortzone, immer neu auf Menschen und Situationen zugehen, sich immer wieder Wissen aneignen“, sagt Christina. Oft arbeitet sie unter enormem Zeitdruck. Damit kann sie inzwischen jedoch gut umgehen. „Als Jungredakteurin bin ich so manches Mal mit Herzklopfen zur Arbeit gefahren: Gorleben, Eschede, erste Moderationen im Messestudio. Das waren sehr aufregende Sprünge ins kalte Wasser“, erinnert sie sich.

Ich liebe es, wenn sich Menschen vor der Kamera öffnen

Was sie besonders liebt, ist, Menschen vor der Kamera zu „öffnen“, sie die künstliche Interviewsituation vergessen zu lassen, so dass sie sich zeigen, wie sie wirklich sind. „In kaum einem anderen Beruf tauchst du in die Geschichten so unterschiedlicher Menschen ein. Dabei sind es nicht unbedingt Menschen mit großen Namen, die viel zu sagen haben. Oft ist das Gegenteil der Fall“, sagt sie.

Auch bei sehr komplexen Themen versucht Christina immer, die Zuschauer irgendwie zu berühren – bei Nachrichten mit knappen anderthalb Minuten manchmal eine echte Herausforderung. „Da bin ich schon froh, wenn wenigstens alle verstehen, worum es geht“, lacht Christina. „Aber uns allen ist bewusst: Wir dürfen unsere Zuschauer nie langweilen oder überfordern. Die Fernbedienung ist erbarmungslos.“

Ein Schwerpunkt ihrer Berichterstattung ist seit einigen Jahren die Pflege. „Ich habe einen guten Zugang dazu, weil ich mit einer an MS-erkrankten Mutter groß geworden bin“, erzählt sie. Damals kam noch eine Gemeindeschwester vorbei, zu der ihre Familie ein inniges Verhältnis hatte. „Heute arbeiten Pflegekräfte unter ganz anderen Bedingungen. Das System befördert Überforderung, Vernachlässigung und Kosten, die uns vermutlich allen noch um die Ohren fliegen werden“, so Christina. Sie legt bei „Hallo Niedersachsen“ immer wieder den Finger in die Wunde. „Wir sind in der Redaktion stolz, wenn das auch Folgen hat“, sagt sie.

Ich brenne nach wie vor für meinen Beruf

Ihre Berichterstattung über eine private Pflege-WG im Raum Neustadt im vergangenen Dezember veranlasste das Sozialministerium, mit der geplanten Pflegegesetz-Novelle einen Ansprechpartner für Pflegemängel in allen Einrichtungen, auch privaten, zu installieren. Vier Ermittlungsverfahren in der Sache laufen noch nach ihrem Bericht. Ihr Beitrag hat kürzlich den Bremer Fernsehpreis in der Rubrik „Beste Recherche” gewonnen.

„Ich bin dem NDR sehr dankbar, dass ich so viele spannende Aufgaben bekommen habe, obwohl ich in den Jahren drei Kinder bekommen, deswegen Auszeiten genommen habe und jetzt noch nicht wieder in Vollzeit arbeite. Das alles unter einen Hut zu bekommen ist oft sportlich“, sagt Christina zu ihrem Alltag. Seit der Geburt ihrer jüngsten Tochter lebt sie mit ihrer Familie auf einem Resthof in Großenheidorn – mit Schafen, Hühnern, Kaninchen, Katzen und einem Hund. „Es wird nie langweilig, egal ob zu Hause oder im Sender. Ich brenne nach wie vor für meinen Beruf“, sagt sie. Entspannen kann sie bei täglichem Yoga und Meditation am Morgen, wenn der Rest der Familie noch schläft, bei der Gestaltung ihres Gartens, beim Segeln mit ihrem Mann und bei langen Spaziergängen mit dem Hund, außerdem singt sie im Kirchenchor und leitet eine Meditationsgruppe.

Corona und die Berichterstattung

In den vergangenen Monaten hat sich auch bei Christina fast alles um Corona gedreht. In den zurückliegenden Wochen der Pandemie hat sie darüber berichtet, wie Menschen mit Handicap endlich zurück in ihre Werkstätten durften. Wie die Tagespflegen zur großen Erleichterung der Angehörigen und der Pflegebedürftigen wieder anliefen. Und wie die Heime sich wieder öffneten und Pflegekräfte über die belastende erste Zeit der Pandemie erzählten. Alles Geschichten von Menschen, die monatelang viel aushalten mussten, still gelitten haben.
„Das ist manchmal schwer auszuhalten, aber für mich gehört es unbedingt erzählt“, sagt Christina. „Ich bin auch unabhängig von der aktuellen Pandemie häufig fassungslos, für wie viel Not es in diesem hochentwickelten Land keine Hilfe gibt und was Menschen alles aushalten müssen, weil ihr Problem in keine Schublade passt. Wir Journalisten haben eine wichtige Rolle, wenn es gilt, diese Menschen mit ihrer Not ins öffentliche Bewusstsein zu bringen.“

Dieser Text erschien zuerst in Auepost #14 (12/2020).

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