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Liebesgeflüster #6

13.12.2020 • Mirko Baschetti • Aufrufe: 422

Mein Herzallerliebster, der Blick auf dieses Blatt ist noch immer nicht klar, und mein Atem ebenso wenig stolperfrei. Sobald ich den Gedanken zulasse, dir könnte etwas zustoßen, wird es schwarz und still.

13.12.2020
Mirko Baschetti
Aufrufe: 422

LiebesgeflüsterMein Herzallerliebster,

der Blick auf dieses Blatt ist noch immer nicht klar, und mein Atem ebenso wenig stolperfrei. Sobald ich den Gedanken zulasse, dir könnte etwas zustoßen, wird es schwarz und still. Zugleich wütet in mir eine irre Ausdauer und Brutalität gegenüber dieser Vorstellung. Taub vor Schmerz und tief der Fall. Aufbäumen. Regungslosigkeit. Was haben wir schon in der Hand? Jede einzelne Sicherung meines Verstandes brennt durch. Nur einen Grund gäbe es für meine verzweifelte Liebe, dir nicht auf der Stelle nachzulaufen. Ich bliebe zurück und zerrissen zwischen zwei Welten.

Doch ja, gewiss, ich bliebe zurück mit der Kostbarkeit, aufrichtig und wahrhaft geliebt zu haben. Ein Teil von mir ließe sich dankbar, der Liebe meines Lebens begegnet zu sein, vielleicht zusammenkehren, vollständig wäre ich jedoch nie wieder. Tag für Tag würde ich den Staub aus Erinnerungen und deiner Energie mit feinem Filter sammeln und bewahren, mich von gewaltiger Sehnsucht schinden lassen, Einsamkeit erbrechen und nach jedem Erwachen unsere unbeschreibliche Nähe zu erblicken hoffen.

Ob deine Liebe zu mir mit dir begraben werden würde? Niemals! Sie ist inzwischen weit in die Welt geschwommen, über unser beider Ufer geschwappt und hat Gestalt angenommen. Ewig werde ich sie in mir tragen, vor mir her und durch sie sein. Deiner Liebe gelingt es, mir nach holprigen Tagen und gehässigen Nächten Licht in dunkler Gedankensuppe zu sein, meine beizeiten doch sehr großmäuligen Selbstzweifel gescheit ins Weite zu schicken und mich perfekt im Unperfektsein zu fühlen. Ich staune. Mal für Mal.

Im Versuch, flirrende Gedanken und Schwermut zu bändigen, tauche ich nun für ein paar Stunden in die Eilenriede ein, laufen und lüften. Europas größter Stadtwald ist stets sehr zuverlässig und großzügig darin, Nervengeäst wieder etwas gängiger zu machen. Zu gerne lehnte ich mich derweil in deine Arme, würde für ein paar Schritte getrost die Augen schließen und in deiner Obhut etwas schweben. Aber gerade bist du nicht hier und stattdessen auf eigenen Pfaden in Wunstorfs Wäldern unterwegs. Über Tage deiner Stimme und Berührung beraubt zu sein, quält mich und beklemmt. Wie es dir wohl ergeht? Was bewegt dich? Wie riecht die Luft, in der du bist? Über dieses allumfassende Verzehren wird später wohl auch der schmatzige Käsekuchen im „Kaffee Kann Ich“ nur sehr oberflächlich hinweghelfen können. Aber es ist ein schönes Ritual nach einem ausgiebigen Spaziergang, das so sehr zu uns gehört und in dem ich jetzt versinken möchte. Auf ganz bald!

Deine Liebste

PS: Ja, lass uns aufbrechen, das Steinhuder Meer umrunden, unsere gemeinsamen Träume schnappen, sie übers Parkett wirbeln und große Bilder malen, die einmal Skizzen waren, keine lauwarmen und leeren Worte und Truhen voller Schätze aufreißen.

Dieser Liebesbrief erschien zuerst in Auepost #6 (März 2020)

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