Steinhude (as). Vor sieben Jahren war der pechschwarze Kahn noch im Einsatz: Fritz Papes Enkel Christian Tatje nutzte das neun Meter lange Schiff zum Fischen vor Steinhude. Dann wurde es in einem Schuppen nahe des Alten Winkels gelagert. „Viel zu schade“ sei das, berichten Brita Menßen und Ulrike Sievers, als ein Team vom Wunstorfer Baubetriebshof den Kahn am Ortseingang aufstellt. Die beiden Frauen sind die Töchter von Fritz Pape, der jahrzehntelang damit gefischt hat und von allen nur „Böker“ genannt wurde.
So entschied die Familie, den alten Einbaum wieder öffentlich zu zeigen. Der Platz dafür war schnell gefunden, denn der bisher Am Sandbrinke platzierte Kahn war weitgehend verrottet. Dem originalgetreuen Nachbau hatten Wetter und Wind allzu sehr zugesetzt. Im Bauhof wurde Bökers Kahn gründlich aufgearbeitet und sieht jetzt aus wie neu.
Torfkahn, Fischerboot, Transportboot beim Stegbau oder Expeditionsfahrzeug: Den Bootstyp gibt es in dieser Form nur am Steinhuder Meer. Lang und schmal, tonnenschwer, mit flachem Boden und ohne Kiel ist das Boot nicht leicht zu manövrieren. Ursprünglich wurde es zum Torfabbau entwickelt: In den schmalen Schneisen zu den Stellen für den Torfstich kam es auf geringen Tiefgang an.
Angetrieben wurde der Torfkahn einst mit Muskelkraft: Der Bootsführer stakt mit einer langen Stange aus Holz und schiebt sich und den Einbaum übers Wasser. Bis 1970 noch zu sehen waren auch Kähne mit zwei viereckigen Sprietsegeln. Mehr und mehr setzten die Fischer und die Stegbauer aber Außenbordmotoren ein.
Torfkähne wurden auch am Teufelsmoor bei Bremen verwendet – wie in Steinhude zum Torftransport. Die Konstruktionen sind allerdings unterschiedlich. Ein unverwechselbares Merkmal der Kähne vom Steinhuder Meer sind die sogenannten Firrer, spatenförmige Seitenruder. Diese Eigenheit war es, die Anfang der 1980er Jahre eine Expedition besonderer Art auslöste. Im Schifffahrtsmuseum Bremerhaven erforschten Experten 1979 den Gebrauch des Firrers, und der damalige Institutsleiter kam deshalb nach Steinhude. Er lud die Steinhuder ein, ins Museum zu kommen, und daraus entstand die Idee, mit Torfkähnen auf der Weser von Nienburg nach Bremerhaven zu fahren.
Die anfängliche Skepsis wegen der speziellen Bauform der Kähne ohne Schwert und Ruderanlage wurde überwunden, und nach einer heimlichen Probefahrt auf der Weser starteten vor fast genau 42 Jahren drei Kähne mit je drei Mann Besatzung gen Norden. Als Berichterstatter für die überall höchst interessierten Medien war Fotograf Rudi Diersche dabei. Ein Schiff der Wasserschutzpolizei stellte Sicherheit und geordneten Funkkontakt her, und in einem Dickschiff begleiteten Journalisten von Meerblick und Tageszeitung die abenteuerliche Reise.
Schlechtes Wetter, Begegnungen mit mehr oder weniger großen Schiffen und Unvorhersehbares stellten die Steinhuder auf dem Weg nach Bremerhaven vor viele Herausforderungen. Letztlich war die Werbefahrt für das Steinhuder Meer und den Torfkahn aber ein so großer Erfolg, dass noch zwei weitere Touren organisiert wurden: 1985 von Hannoversch Münden nach Nienburg und 1987 ein Besuch beim Berliner Bootskorso anlässlich der 750-Jahr-Feier.
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