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Naturschutz-Flugverbot über dem Steinhuder Meer war unzulässig

31.01.2023 • Redaktion • Aufrufe: 1387

Nach Jahren der Auseinandersetzung hat ein Ballonflug-Unternehmer vor Gericht gesiegt: Die Region Hannover darf Überflüge über das Steinhuder Meer nicht mit Hinweis auf den Naturschutz verbieten.

31.01.2023
Redaktion
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Ein Heißluftballon über Wunstorf (Symbolbild) | Foto: Daniel Schneider

Leipzig/Region (red). Eine Naturschutzbehörde darf nicht im Wege einer Naturschutzgebietsverordnung Flugverbote für Luftfahrzeuge anordnen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in der vergangenen Woche entschieden. Die Entscheidung hat unmittelbare Auswirkungen vor allem auf den Flugbetrieb über dem Steinhuder Meer.

Im Mai 2016 hatte die Regionsversammlung die Naturschutzgebietsverordnung „Totes Moor“ im Bereich des Steinhuder Meers beschlossen: Danach war es unter anderem verboten, im Naturschutzgebiet mit bemannten Luftfahrzeugen zu starten, eine Mindestflughöhe von 600 Metern zu unterschreiten oder zu landen. Dagegen ging ein hiesiger Ballonunternehmer, der im Umland des Steinhuder Meers Startplätze nutzt und gewerbliche Ballonfahrten anbietet, vor.

Das Naturschutzgebiet ist ca. 3.200 Hektar groß und umfasst Teile der Wasserfläche des Steinhuder Meeres und einen Landbereich östlich und nordöstlich des Sees. Ungefähr die Hälfte des von der Verordnung unter Schutz gestellten Gebiets ist zugleich ein Europäisches Schutzgebiet nach der Vogelschutzrichtlinie. Neben der Umsetzung der EU-Richtlinien zum Schutz der Vogelwelt sollte auch die Entwicklung des Hochmoores und wertvoller Grünlandstandorte gesichert werden.

Mit einem Normenkontrollantrag ging er auf verwaltungsgerichtlichem Wege gegen die Verbote vor. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatte daraufhin bereits entschieden, dass bestimmte Teile des Gebietes überflogen werden dürfen, wenn dabei eine Mindestflughöhe von 150 Metern eingehalten wird. Gegen dieses Urteil hatte das Ballonunternehmen jedoch Revision eingelegt, so dass die Sache vor dem Bundesverwaltungsgericht landete.

Naturschutzbehörde darf nicht den Flugverkehr regeln

Dieses hat nun entscheiden, dass die Naturschutzverordnung der Region in diesen Punkten unwirksam ist – der Revision wurde stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht stellt dabei fest, dass eine Naturschutzbehörde – in diesem Fall die für das Steinhuder Meer zuständige Region Hannover – nicht befugt ist, eine Flughöhenfestlegung für Luftfahrzeuge anzuordnen. Diese Sperrwirkung folge aus dem Regelungskonzept des Luftverkehrsgesetzes, für das der Bund insoweit abschließend von seiner ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit für das Luftverkehrsrecht Gebrauch gemacht habe.

Das bedeutet, dass Beschränkungen dafür ebenfalls nur durch Bundesrecht erfolgen können – in diesem Fall etwa durch das Bundesverkehrsministerium. Dies gelte sogar dann, wenn europäisches Naturschutzrecht verlangt, Gebiete mit Flugbeschränkungen zu belegen. Verschiedene Behörden dürften nicht nebeneinander zuständig sein, denn das widerspräche dem gesetzlichen Bestimmtheitsgebot. Im Ergebnis sind die Regelungen der Naturschutzverordnung nun nichtig – der Luftraum über dem Naturschutzgebiet am Steinhuder Meer darf nun nicht nur von Militärmaschinen des Fliegerhorstes, sondern auch von anderen Luftverkehrsfahrzeugen genutzt werden.

Region Hannover: Kein Freibrief

Die Region reagiert auf die höchstrichterliche Entscheidung mit der Feststellung, dass sich der Naturschutz nach europäischen Vorgaben derzeit nicht umsetzen lässt: „Das Gericht hat klargestellt, dass es die Aufgabe des Bundes ist, Flughöhen über FFH- und Vogelschutzgebieten festzulegen. Der Gesetzgeber ist nun aufgefordert, abschließend zu klären, wer diese Aufgabe wahrnimmt. Ohne eine solche Klärung wird es nicht möglich sein, Natura-2000-Gebiete nach den Vorgaben der Europäischen Union zu sichern“, betont Umweltdezernentin Christine Karasch. Der Naturschutz sei deswegen aber nicht abgeschafft: „Auch wenn die Regelungen zu den Mindestflughöhen in der NSG-Verordnung für nichtig erklärt worden sind: Dies ist kein Freibrief für den Freizeit- und gewerblichen Luftverkehr im Naturpark Steinhuder Meer. Wer mit seinen Aktivitäten etwa brütende See- oder Fischadler stört, verstößt gegen geltendes Recht, was entsprechende Sanktionen zur Folge haben kann“, betont Karasch.

Moewe
Die Vögel im Naturschutzgebiet am Steinhuder Meer erhalten bald Gesellschaft im Himmel | Foto: Daniel Schneider

Das Bundesnaturschutzgesetz gelte: In Natura-2000-Gebieten wie dem Toten Moor seien die „Verschlechterung von Lebensraumtypen“ und die „Störung“ von Arten“ zu vermeiden, sofern sich diese Störungen „erheblich auswirken“ können. Daher seien nach dem Bundesnaturschutzgesetz alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele oder den für den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, unzulässig.

EU-Vertragsverletzungsverfahren läuft

Die 600-Meter-Mindestflughöhe hält man bei der Region aus Naturschutzsicht weiterhin für geboten und hofft, dass das Bundesverkehrsministerium oder eine andere autorisierte Stelle nun tätig wird. Denn für eine Regelung nach Bundesrecht bliebe nicht viel Zeit: „Ich erinnere daran, dass die EU-Kommission gegen ihr Mitglied Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstoßes gegen die FFH-Richtlinie führt“, so Karasch weiter.

Solange keine solche Regelung gefunden wird, haben Freizeitflieger und Fluganbieter nun jedoch die Möglichkeit, das Steinhuder Meer auch unmittelbar aus der Luft zu erkunden – sofern sie keine erheblichen Störungen hervorrufen. Mit dem vermehrten Auftauchen von Heißluftballonen in der Saison 2023 über dem Steinhuder Meer ist zu rechnen.

Das Ziel von Natura 2000 ist der Erhalt und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt auf dem Gebiet der Europäischen Union. Die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) zur "Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen" trat bereits 1992 in Kraft. Die Vogelschutzrichtlinie gibt es schon seit 1979 und sollte dem dramatischen Rückgang der Vogelarten entgegenwirken. Durch die Vogelschutzrichtlinie sind alle heimischen wildlebenden Vogelarten geschützt, einschließlich ihrer Eier, Nester und Lebensräume.
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