Winzlar/Wunstorf (as). Die Liste mit neun Rednern – darunter zwei Minister aus der Landesregierung – ließ eine steife Feierstunde erwarten. Doch das Team der ÖSSM um den Vorsitzenden Frank Pfeiffer gab dem Ereignis den Charakter eines Familientreffens. Die Erfahrungen der regelmäßigen Hoffeste nutzend, war das Gelände an der Hagenburger Straße mit Festzelt, Sonnenschirmen und vielen Sitzgelegenheiten gestaltet worden. Zwei Musiker sangen vom „Irish Rover“, und es schien, die „Dubliners“ seien auferstanden.
Nach den Reden gibt es bei Kaffee und Kuchen im Gartengelände noch lange Gelegenheit zum Plaudern und zum Gedankenaustausch. Die vielen Gäste der Feierstunde machen davon reichlich Gebrauch. Dabei wird deutlich: Hier treffen sich Gleichgesinnte und freuen sich über eine Erfolgsgeschichte. Vom Resthof ist die ÖSSM seit 1991 zu einem Leuchtturm der ökologischen Bewegung geworden.
Ein „Markenzeichen für erfolgreichen Naturschutz in hochsensiblen Räumen“ nennt Heinrich Aller die Station. Mit vielen anderen Gästen streift er an diesem sonnigen Nachmittag durch den biotopartigen Garten hinter den Gebäuden. Der 74-jährige Seelzer ist ein Urgestein der niedersächsischen Sozialdemokratie: Jungsozialist, Journalist, Lehrer und Politiker, Weggefährte von Gerhard Schröder, der ihn 1998 als Finanzminister ins Kabinett holt. Aller bleibt, als Schröder geht, und kümmert sich auch in den Kabinetten Glogowski und Gabriel um die Landeskasse. In der Partei eher links angesiedelt, pflegt er als Minister einen pragmatischen Stil.
Als Aller 1992 merkt, dass seine Kabinettskollegin Monika Griefahn sehr reserviert reagiert, sucht er sich einen anderen Verbündeten. Die damalige Umweltministerin hatte zwar einst Greenpeace in Deutschland mitgegründet, habe die Idee vom Erwerb eines Resthofs in Rehburg-Winzlar aber ablehnend betrachtet. Aller – schon seit den 80er Jahren mit dem Naturschutz-Gedanken vertraut und besorgt wegen der Verhältnisse rund ums Steinhuder Meer – greift sich am Rand einer Sitzung auf dem Flur des Landtagsgebäudes den burschikosen Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke. Beide finden schnell einen Weg, den alten Hof zu kaufen.
Der frühere Finanzminister erzählt die Anekdote im Gespräch mit der Auepost beim Gang durch den Garten. Auch in sein Grußwort – als neunter Redner – baut er die Erinnerung ein. Er schildert eine der ersten Begegnungen mit Thomas Beuster. Das war bei Küker in Großenheidorn. Karl-Heinz Garberding hatte eingeladen, „und es ging wieder einmal um wirksamen Naturschutz rund ums Meer“. Garberding ist Lehrer, Ornithologe, Tierstimmensammler, Radiomacher und vor allem unermüdlicher Mahner und Motor bei ökologischen Themen. Beuster war damals ein „junger Aktivist“, sagt Aller. Wie so oft ergreift Beuster auch bei Küker das Wort: „Ihr Politiker versprecht viel, tut aber nichts!“ Das bringt den Stein ins Rollen, Aller will den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen.
„Ihr Politiker versprecht viel, tut aber nichts!“
So nimmt Anfang der 90er Jahre eine Idee ihren Lauf, die niemand mehr belächelt. Beuster ist längst Geschäftsführer der ÖSSM, die vom Land gefördert wird und zum Vorbild für 30 ähnliche Einrichtungen geworden ist. Mitstreiter Thomas Brandt ist heute wissenschaftlicher Leiter der Schutzstation. Um ihn herum arbeiten 12 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bundesfreiwillige und ein kleines Heer von Ehrenamtlichen kommen hinzu. Ihre gemeinsame Bilanz ist herausragend: Seeadler, Laubfrosch, Sumpfschildkröte, Nerze, Uhu, Eisvogel, Fischotter, Gelbbauchunke und andere gefährdete Tierarten sind in der Region wieder angesiedelt worden.
Garberding gilt schon lange nicht mehr als Sonderling, der frühmorgens in den Meerbruchwiesen Vogelstimmen dokumentiert und Jahr für Jahr den Konflikt zwischen Natur und Tourismus thematisiert: „Wenn Sie Pfingsten ans Meer kommen, können Sie zu Fuß zum Nordufer gehen – von Boot zu Boot. So viele Segler sind unterwegs …“ Vielmehr hat er dafür gesorgt, dass die Natur am Meer eine Stimme hat und über alle Zuständigkeitsgrenzen hinweg „an einem Tisch“ (Aller) nach Lösungen gesucht wird, die „einzigartige“ Meerregion zu schützen. Garberding sei zu „Mister Naturschutz“ geworden, so Aller, die Station ein bedeutender Teil des niedersächsischen Weges für den Naturschutz.
Diese Entwicklung würdigen auch die übrigen Redner aus der Region und aus der Landesregierung. Allen voran beschreibt Umweltminister Olaf Lies (SPD) die Rolle der ÖSSM beim „Monitoring“ und als Bildungsstätte. 50 Projekte stehen auf dem Themenplan. Dazu gehören öffentlichkeitswirksame Arbeiten wie die Wiederansiedlungsprojekte des Europäischen Nerzes, Laubfrosches, der Moorente und der Sumpfschildkröte. Im Programm auch: Führungen in die Landschaft am Steinhuder Meer. Radtouren zu den Störchen und Wanderungen in den Meerbruch. Ein weiterer wichtiger Bestandteil das Regionale Umweltbildungszentrum Steinhuder Meer (RUZ).
Seit 2013 leitet Frank Pfeiffer den Trägerverein. Während draußen ein munterer Hahn unentwegt kräht, überbrückt er in der Feierstunde geschickt und lebhaft die Wartezeit, bis Lies eintrifft. Staus auf der Autobahn und in Hagenburg verzögern die Ankunft. Aber Pfeiffers Schilderungen lassen keine Langeweile aufkommen. Er nennt die Rolle der Ideengeber und Gründer, würdigt aber den Einsatz der Vereinsmitglieder. Wie bei einem Puzzle fügten sich die Bereiche der Hauptamtlichen und der Freiwilligen aneinander. So sei über die Jahre aus einer „Nischenaktivität“ nicht zuletzt auch ein Wirtschaftsfaktor geworden.
Nach dem Jubiläumsfest gibt es an diesem Sonntag, den 12.6, schon das nächste: Es ist Hoffest auf dem ÖSSM-Gelände in der Hagenburger Straße 16. An diesem Tag ist das Gelände voll von Anbietern ökologischer Waren, die Ausstellung ist geöffnet, und bei Livemusik lässt sich im Hofcafé ökologischer Kuchen und fair gehandelter Kaffee genießen, während sich Kinder im Garten tummeln. Vorstand, Mitarbeiter und Ehrenamtliche geben Auskunft und stehen für Fragen zur Verfügung.
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