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Als Nächstes bitte einen Klassenzimmer-Drive-in!

04.11.2019 • Horst Koschinsky • Aufrufe: 941

Mit weiteren Elterntaxizonen vor Grundschulen kapituliert die Stadt vor den PS-starken Eltern und schafft unter den Schülern eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, findet Horst Koschinsky.

04.11.2019
Horst Koschinsky
Aufrufe: 941

Horst Koschinsky Elterntaxis

Nee, das gab’s in meiner Jugend noch nicht. Mit dem Auto zur Schule gebracht werden – dieser Luxus kam viel später auf. Zur Seuche ist es aber erst in den letzten Jahren geworden. Gerade wir älteren Anwohner sind es, die sich darüber beschweren. Aber warum zieht man dann ausgerechnet neben eine Schule, wenn einen Lärm und Verkehr stören? Man kann nicht erwarten, dass alles immer so bleibt wie in den 60er Jahren.

Nun hat also auch die Albert-Schweitzer-Grundschule seine Elterntaxizone. Was man den Kindern in der Oststadt nicht zumuten kann, kann man natürlich auch in der Barne nicht verlangen: dass sie ganz allein zur Schule gehen. Später will man, dass die Sprösslinge möglichst selbstständig und unabhängig durchs Leben finden, aber im Moment finden sie noch nicht mal allein ins Schulgebäude. Betreutes Schulweg-Bewältigen für die Elite von morgen. Manche scheinen nicht mal ohne Hilfe von Mama und Papa in den Klassenraum zu kommen. Das lassen die Schilder an den Eingängen vermuten, die darum bitten, die Kinder wenigstens im Treppenhaus allein gehen zu lassen.

„Mit dem SUV direkt in die Pausenhalle“

Langsam merken auch die größten Leugner, dass da was dran sein könnte am Klimawandel, aber wenn’s um die eigenen Kinder geht, fahren selbst Grünenwähler mit dem Auto bei der Schule vor. Ich könnte es ja nachvollziehen, wenn die Barne noch immer ein Problemviertel wäre. Doch diese Zeiten sind nun wirklich lange vorbei. Da gibt es inzwischen deutlich gefährlichere Ecken in Wunstorf.

Die Arschkarte haben diejenigen Kinder, die tatsächlich zu Fuß zur Schule kommen. Weil sie durch die zusätzlichen Abgase müssen, und weil ihnen die autofahrenden Eltern den Schulweg schneiden. Der Schulweg ist dadurch tatsächlich gefährlicher geworden als zu früheren Zeiten. Statt aber dagegen anzugehen, kapitulieren Stadt und Schulen vor den PS-starken Eltern und hofieren sie sogar noch – indem diese Elterntaxizonen geschaffen werden.

Sogar die neuen Schilder sind unsinnig: „Ab hier zu Fuß“. Viel näher kann man an die Albert-Schweitzer-Schule doch gar nicht heranfahren. Außer, man steuert den SUV direkt in die Pausenhalle. Natürlich: aus Kostengründen hat die Stadt die gleichen Schilder wie an der Oststadtschule montiert, wo sich die Elterntaxizone wirklich etwas weiter entfernt befindet.

„Stadt und Schulen kapitulieren“

Haltezonen lösen das Problem aber nicht, sondern verschieben es nur ein bisschen. Besser wären großzügige Bannmeilen für Kurzzeitparker rund um die Schulen – und saftige Strafen für alle, die ihre Kinder trotzdem auf vier Rädern vor der Schule abladen. Dann hätten nicht nur die Anwohner Ruhe, sondern auch alle Kinder wieder einen sicheren und angenehmen Schulweg.

Alles andere ist unfair. Nicht nur, weil es die Schüler in eine 2-Klassen-Gesellschaft aus Gebrachtwerdern und Selbstlaufenmüssern einteilt, sondern weil es auch eine bestimmte Verkehrsart bevorzugt. Wieso nicht die Kinder auch mit dem E-Roller zur Schule bringen und dabei an der Schulsteckdose gratis Strom tanken? Wann werden die ersten Markierungen für Elternflugtaxis auf dem Schuldach gezogen? Und was ist mit Eltern, die ihre Kinder lieber mit dem Boot bringen möchten? Kleiner Tipp für die Stadtschule, falls es dort nicht auch bald klappt mit der gewünschten Elterntaxizone: Wenigstens schon mal einen Steg zur Westaue bauen.

Ich jedenfalls fahr jetzt erstmal mit dem Auto die 200 Meter zum Brötchenholen.

Mit gehfaulen Grüßen
Horst Koschinsky


zuerst erschienen in Auepost 10/2019

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Kommentare


  • Karin H. sagt:

    Was waren wir noch für Helden, konnten ganz allein zu Fuß zur Schule gehen!

    • Grit Decker sagt:

      Ich bin mit Sicherheit keine Anhängerin des „früher war alles besser“!
      Doch auch ich denke mit einer gewissen Wehmut zumindest an meine Wege per Fußweg an meine Schulzeit zurück.
      Da komm‘ ich schon irgendwie ins Schwärmen…

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