Wunstorfer Auepost
[Anzeige]

Zwischen Panzern und Pazifisten

10.06.2018 • Horst Koschinsky • Aufrufe: 649
10.06.2018
Horst Koschinsky
Aufrufe: 649

Ja super, das Freibad in Bokeloh ist endlich wieder offen – und dann kommste nicht hin, weil gerade halb Niedersachsen zum Bundeswehrtag anreist.

Für die Bundeswehr war der Tag ein Riesenerfolg – für Wunstorf leider eine Imagekatastrophe. Wer’s bis jetzt noch nicht wusste, dem hat es sich spätestens an diesem Wochenende ins Hirn gebrannt: Wenn du durch Wunstorf willst, dann stehste gefühlt von Luthe bis an die holländische Grenze. Und von auswärts waren nicht wenige da, wenn ich mir die Nummernschilder so anschaue. Sogar aus der Schweiz war jemand angereist.

Hätte man mit der Bewerbung zum Tag der Bundeswehr nicht warten können, bis die Nordumgehung gebaut ist? Die soll ja bald stehen, verspricht die Politik. Nein, darauf will sich wohl auch die Bundeswehr nicht verlassen.

Statt Freibad also Fliegerhorst: Rentner, Jugendliche und Familien mit kleinen Kindern staunen über Technik und Strahlkraft der Maschinen. Da kommen mir dann doch Zweifel, ob die Friedensaktivisten vielleicht recht haben, wenn sie sagen, dass hier eine zu einseitige Super-Werbeveranstaltung läuft, um neues Kanonenfutter für die Truppe zu gewinnen. Da ist zwar der Vati, der mal Eurofighter gucken gehen will und den Sohnemann als Alibi nur mitschleppt, im Endeffekt werden dann aber doch die Jüngsten fürs Militär begeistert.

Belehrungen brauche ich aber auch nicht. Ja, die Bundeswehr ist kein Kaninchenzüchterverein und der A 400 M ist, trotz anderslautender Meldungen, durchaus kein Ferienflieger. Wir sind zwar in Wunstorf, aber nicht völlig blöde. Natürlich veranstaltet die Bundeswehr diesen Tag nicht nur, damit alte Säcke wie ich Flugzeuge fotografieren können und alle einen schönen Tag haben. Sondern macht knallhart Marketing. Aber ob sich jemand als junger Mensch wirklich für eine Bundeswehrkarriere entscheidet, nur weil er mit den Eltern als Grundschüler mal Flugzeuge gucken war?

Da frag ich mich eher: Schnaps trinken und rauchen darf man erst ab 18, und wenn du mit 20 Jahren eine Tankstelle überfällst, wirst du immer noch wie ein Jugendlicher behandelt. Aber zur Bundeswehr darf man schon mit 17? Und wenn die jungen Leute dann ihren Zeitvertrag unterschrieben haben und an marodem Gerät ausgebildet wurden, werden sie mit schlechter Ausrüstung in Krisengebiete geschickt. Aber für Bundeswehrtage wird das Geld rausgehauen.

Trotzdem: Lasst die Leute selbst entscheiden und sich selbst informieren – und ja, dazu gehört auch, mal auf Tuchfühlung mit der Truppe zu gehen, auch wenn ein Tag der offenen Tür bei schönstem Sonnenschein natürlich nicht die Realität abbildet. Und bitte keine naiven Forderungen, den Fliegerhorst dichtzumachen. Denn dann würde der eben woanders gebaut. Für noch mehr Geld und mit noch mehr Belastungen für die Umwelt.

Eine Welt ohne Krieg ist eine schöne Utopie, aber leider nun mal weltfremd. Bundeswehr abschaffen steht nicht zur Debatte. Und die Ansicht, wir wären von Freunden umgeben, ist doch auch ein bisschen kurz gedacht und angestaubt. Sollen die Freunde dann allein die Arbeit machen, wenn Aggressoren vor der Tür stehen? Die Meinung darf man gerne haben, aber man muss sie mir nicht als Handzettel ins Gesicht halten. Und das auch noch im Russland-Fan-Shirt. Schöner kann man den Widerspruch in der eigenen Argumentation nicht zur Schau tragen.

Ach, noch was, liebe Fliegerhorst-Besucher, von denen ich dachte, dass es sie nicht mehr gibt: Knallkurze Herrenhosen und weiße Tennissocken in Sandalen. Spätestens da wünsch ich mir einen Bundeswehreinsatz auch im Innern.

Mit militärischem Gruß
Horst Koschinsky

[Anzeigen]
Auepost wird unterstützt von:

Kommentare


  • Mike Scholle sagt:

    Ich wusste gar nicht, dass ihr auch Comedy Beiträge veröffentlicht.

  • Oh man das war jetzt mal ein tag so schlim…und alle pissen sich gleich ein…seit doch mal froh das in der toten stadt wunstorf überhaupt noch was los ist man man man

  • Grit Decker sagt:

    Wieder ein schöner Beitrag vom „Grantler“.
    Und Erleichterung über seine Gruß-Formulierung.

    Stellt’s Euch vor, er hätte „Mit deutschem Gruß“ gewählt:
    dann wohl nicht ausschließlich bei mir ein entsetztes AUA!

    Diese höchst fragwürdige Formel aus dunklen- sehr dunklen Zeiten überlässt Grantel-Horst dann dankenswerterweise den Rechtspopulisten…

  • Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    Kontakt zur Redaktion

    Tel. +49 (0)5031 9779946
    info@auepost.de

    [Anzeigen]

    Artikelarchiv

    Auepost auf …