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Ramadan in Wunstorf

25.06.2017 • Daniel Schneider • Aufrufe: 1989

Für gläubige Muslime ist das Fasten im Ramadan Normalität, es zählt z. B. neben der Pilgerfahrt nach Mekka oder dem Glaubensbekenntnis zu den sogenannten Säulen des Islams, den Pflichten eines Muslims. Das abendliche Fastenbrechen gehört in dieser Zeit wie selbstverständlich dazu, doch für Nichtmuslime ist es wie der Islam selbst oft eine völlig fremde Welt. Teil 2 unseres Ausflugs in das islamische Wunstorf.

25.06.2017
Daniel Schneider
Aufrufe: 1989
Beim Gebet

An diesem Wochenende endete der muslimische Fastenmonat Ramadan. Am Samstag, den 24. Juni, war der letzte Tag, an dem Muslime auch in Wunstorf gefastet haben. Die vergangenen vier Wochen waren Speisen, Getränke und Genussmittel vor Sonnenuntergang tabu. Wir waren an einem Freitag zum Fastenbrechen eingeladen und durften dem „Mahl des Abends“ in der Wunstorfer Moschee beiwohnen.

Für gläubige Muslime ist das Fasten im Ramadan Normalität, es zählt z. B. neben der Pilgerfahrt nach Mekka oder dem Glaubensbekenntnis zu den sogenannten Säulen des Islams, den Pflichten eines Muslims. Das abendliche Fastenbrechen gehört in dieser Zeit wie selbstverständlich dazu, doch für Nichtmuslime ist es wie der Islam selbst oft eine völlig fremde Welt.

Gebrochen wird das Fasten täglich nach Sonnenuntergang, und das nicht nur in den eigenen vier Wänden, sondern auch gemeinsam in der Wunstorfer Moschee. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang wird Verzicht geübt, erst am Ende des Tages steht eine üppige Mahlzeit – das „Mahl des Abends“, das Iftar. Ausnahmen gibt es z. B. bei Krankheit oder sonstiger wichtiger Notwendigkeit. Die Enthaltsamkeit erstreckt sich jedoch nicht allein auf Mahlzeiten und Getränke, auch der Tabakgenuss ist z. B. untersagt.

„Flexibler“ Ramadan

Eine jährlich feste Fastenzeit gibt es nicht, denn der Ramadan richtet sich nach dem Mondkalender. Die Fastenzeit wandert daher im Laufe der Jahre durch die Jahreszeiten, rückt immer ein wenig weiter nach vorne im regulären Jahreskalender. Das Fasten in den Sommermonaten, womöglich auch noch bei hohen Tagestemperaturen, verlangt den Fastenden besonders viel ab, denn die Tage zwischen Sonnenauf- und Untergang sind rund um die Sommersonnenwende natürlich besonders lang.

Dem Ramadan liegt der islamische Mondkalender zugrunde. Dieser hat nur knapp 354 statt 365 Tage im Jahr, sodass pro Jahr etwa 11 Tage Unterschied zum gregorianischen Sonnenkalender entstehen. Die Fastenzeit verschiebt sich dadurch jedes Jahr etwas weiter nach vorn. Im Moment wandert der Ramadan vom Sommer weiter Richtung Frühling.

Auch der Sonnenauf- und Untergang variiert selbstverständlich von Tag zu Tag. Die türkische Gemeinde in Wunstorf lässt daher extra jedes Jahr einen neuen Ramadan-Kalender drucken. Im DIN-A-3-Format listet er für die Gläubigen genau auf, wann der Fastenmonat beginn und endet, und nennt dazu die täglichen Gebetszeiten, die auch Beginn und Ende des Fastens markieren. Eingerahmt wird die Tabelle von dekorativen Ornamenten und Zitaten, die z. B. von der Sündenvergebung durch das Fasten sprechen.

Ramadan-Kalender für Wunstorf

In diesem Jahr fiel der Beginn des Ramadans auf den 27. Mai, das Ende wird vom 24. Juni markiert. Anschließend, an diesem Sonntag, beginnt das Zuckerfest, mit dem das Ende des Ramadans gefeiert wird – und das wegen seines familiären Charakters und der Geschenke, die man sich anlässlich des Fastenbrechen-Festes macht, äußerlich einen ähnlichen Stellenwert hat wie Heiligabend für andere. Im Islam zählt es ebenfalls zu den wichtigsten Festtagen.

Gemeinsames Fastenbrechen

Zum abschließenden, letzten Fastenbrechen des Ramadans bleiben die Gläubigen lieber unter sich, das Ende des Ramadans ist besonders geprägt von Gebet und innerer Einkehr. Schon am vorletzten Freitag waren daher neben den Gemeindemitgliedern auch Vertreter der Stadt, der städtischen Institutionen und der Kirchen zu einem gemeinsamen Fastenbrechen eingeladen. Gebetet wird an diesem Abend auch, aber das Fastenbrechen als solches nimmt noch größeren Raum ein.

Geschlechtertrennung auch beim Fastenbrechen: Die Frauen begehen es unter sich im Zelt vor der Moschee

In der Moschee

Als wir eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang an der Moschee eintreffen, herrscht schon viel Betrieb. Vor der Moschee ist ein Zelt aufgebaut, in dem Frauen und kleine Kinder auf Bänken zu Tisch sitzen, ein Gedeck mit Essen schon vor sich stehend. An einer Tafel an der Seite wird aus großen Töpfen und Schalen Essen ausgegeben. Wir wundern uns zunächst, weshalb nur Frauen und Kinder zu sehen sind – doch die Geschlechtertrennung gilt in der Gemeinde auch beim Fastenbrechen.

Noch immer treffen weitere Menschen aus allen Richtungen ein, Jugendliche parken ihre Fahrräder und gehen hinein in die Moschee. Dort, im Versammlungsraum und im Innenhof, halten sich die Männer auf. Auch hier versorgt man sich schon mit Essen und Getränken vom Buffet, das im Hof angerichtet ist. Auch hier sind lange Tafeln aufgebaut. Die Atmosphäre ist wuselig, es wird viel miteinander gesprochen.

Warten auf den Sonnenuntergang

Der Imam der Gemeinde, Zekeriya Yaşar, sitzt im Raum und spricht Rezitationen in ein Mikrofon. Seine Stimme wird über die Lautsprecheranlage nicht nur verstärkt, sondern mit einem künstlichen Hall-Effekt versehen, sodass es klingt, als stünde er mitten in der Istanbuler Altstadt auf einem Minarett und würde in die Straßen rufen. Seine nun widerhallende Stimme wird über die Lautsprecher in die Räume der Moschee und in den Hof übertragen.

Der Imam spricht ins Mikrofon

Der Gemeindevorstand entdeckt und begrüßt uns. Wir fühlen uns geehrt, als Außenstehende am Fastenbrechen in der Moschee eingeladen worden zu sein, und dürfen am Tisch des Imams an der Stirnseite des Raumes Platz nehmen. Dort sitzen neben dem Gemeindevorstand in Person von Mustafa Çöl und Orhan Güner noch als weitere Gäste Thomas Gleitz, Pfarrer der Stiftskirchengemeinde, und Birgit Mares, stellvertretende Bürgermeisterin.

Das Fastenbrechenmahl

Man hat uns Gedecke an unsere Plätze gestellt: Teller gibt es nicht, benutzt wird Einweggeschirr. Nur das Essbesteck, Messer, Gabel und Löffel, sind nicht aus Kunststoff. Jeder hat eine Polystyrol-Schale vor sich, die in mehrere Kammern unterteilt ist. Darin befindet sich eine Dattel und ein Stück Baklava – süßes Blätterteiggebäck -, Joghurtsuppe mit Kichererbsen, Eintopf aus Fleisch, Kartoffeln und Zucchini, sowie Reis und gemischter grüner Salat. In die Plastikbecher wird Mineralwasser gefüllt.

Das reichhaltige Essen wird aus Kunststoffschalen gegessen

Zusätzlich wird für alle geschnittenes Fladenbrot, Melone und sehr süßer Grießkuchen herumgereicht – ebenso wie türkischer Tee. Auch Kinder nehmen entsprechend ihrem Alter schon am Fasten und Fastenbrechen teil, sind „wie die Großen“ am Abend dabei.

Nach dem Gebetsruf wird gegessen

Auf die Minute genau beginnt der Imam mit der Lobpreisung Allahs und einem Gebet: „Allahu akbar“ – Gott ist größer – schallt der Ruf des Imams mehrmals über die Lautsprecher. Es markiert den Beginn des Fastenbrechens. Die Anwesenden halten dabei die Hände vor sich mit den Handflächen nach oben gewandt – die Geste des Gebets. Erst danach wird das auf den Tischen stehende Essen angerührt. Es wird gemeinsam gegessen, sich unterhalten. Die Teller und Getränke werden herumgereicht. Es ist eine gesellige Zusammenkunft, eingerahmt von Gebet.

Beim Gebet
Die Männer brechen das Fasten im Versammlungsraum der Moschee

Etwa eine Stunde später, als alle ihr Mahl beendet haben, wird abgeräumt. Der Imam ruft erneut zum Gebet – diesmal zum Beginn des Nachtgebets. Auch dieser Zeitpunkt, ab dem das Gebet begangen werden kann, ist exakt nach dem Sonnenstand in Wunstorf bestimmt.

Abschließendes gemeinsames Nachtgebet

Das Nachtgebet wird ein Stockwerk höher verrichtet. Der Imam trägt nun keine Straßenkleidung mehr wie zum Fastenbrechen-Mahl, sondern ein Gewand und Kopfbedeckung in Weiß. Die meisten Männer und Frauen nehmen gleich teil oder schließen sich später an.

Gemeinsames Nachtgebet nach dem abendlichen Fastenbrechen

Der Ramadan endet nun mit dem Zuckerfest, dem großen Fest des Fastenbrechens – in diesem Jahr am 25. Juni. Erst im nächsten Jahr, dann ab Mitte Mai, wird im Islam wieder rituell gefastet werden.

Fotos: Mirko Baschetti, Daniel Schneider

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