Auepost: Frau Dr. Lerch, was ist PEKiP überhaupt, und an wen richtet es sich?
Dr. Melanie Lerch: „PEKiP“ bedeutet „Prager Eltern-Kind-Programm“. Es ist ein Gruppenangebot für Eltern mit Babys zur Entwicklungsbegleitung im ersten Lebensjahr. In einer kleinen Gruppe findet ein wöchentliches Treffen von 90 Minuten statt. Den Babys werden dabei individuell und entwicklungsgerecht Bewegungs-, Sinnes- und Spielanregungen angeboten. Babys bekommen in der PEKiP-Gruppe die Möglichkeit, andere Babys „ihres Formats“ zu erleben und erste Kontakte aufzunehmen, und es gibt Zeit für den Austausch in der Gruppe über den oftmals anstrengenden Elternalltag – und auch ich als Gruppenleiterin beantworte Fragen. Die teilnehmenden Babys sind alle in ähnlichem Alter, so dass sich sowohl ihr Entwicklungsstand als auch die Gesprächsthemen der Eltern untereinander ähneln. Alle Eltern mit Babys sind angesprochen und im Kurs willkommen.
Manche Eltern halten PEKiP für eine Art Krabbel- und Singgruppe. Andere wiederum denken, es wäre ein Frühförderprogramm. Können Sie das Missverständnis aufklären?
PEKiP ist kein „Entwicklungsbeschleuniger“. Gerade die motorische Bewegungsentwicklung ist zu einem großen Teil genetisch vorgegeben. PEKiP unterstützt und begleitet die Entwicklung, indem den Babys die optimale Umgebung zur Bewegung und vielfältige Anregungen geboten werden, während die Bindung zu den Eltern durch intensive Aufmerksamkeit, durch gemeinsame im Spiel und in Interaktion verbrachte Zeit sowie durch körperliche und gefühlsmäßige Nähe gestärkt wird. Auf diese Weise kann ein Baby die ihm gegebenen Möglichkeiten voll ausschöpfen, aber wir verfallen in den Kursen ganz sicher nicht dem „höher, schneller, weiter“-Frühförderwahn. Zudem ist PEKiP keine Baby-Animation. Wir gehen immer von der Eigenaktivität des Babys aus; weder bespielen wir es noch bewegen wir es, wenn es passiv bleibt. Die Babys sollen immer nach Kräften mitmachen, und wenn sie das nicht tun, dann akzeptieren wir das als Signal, dass die jeweilige Anregung gerade nicht das Richtige für das Baby ist und schauen nochmal genau hin, was es gerade braucht und probieren etwas anderes oder lassen es ausruhen. Das Spielzeugangebot bleibt immer überschaubar; Babys brauchen viele Wiederholungen und Zeit, jeden angebotenen Gegenstand kennenzulernen, denn für sie ist absolut alles neu! Eine Spielzeugschlacht wird man beim PEKiP also auch nicht erleben.
Es gibt ziemlich viele Eltern-Kind-Angebote. Warum sollte man insbesondere an einem PEKiP-Kurs teilnehmen?
Natürlich kann man auch jeden beliebigen Eltern-Baby-Kurs besuchen, wenn es einem lediglich darum geht, Kontakte zu anderen Müttern zu finden, Zeit totzuschlagen und nicht tagein, tagaus mit dem Baby allein zu sein. PEKiP bietet aber deutlich mehr als das. Während andere Ansätze in der Pädagogik genauso schnell verschwinden, wie sie aufgetaucht sind, ist PEKiP schon seit über 40 Jahren erfolgreich und beliebt: PEKiP ist also ein sehr bewährtes Konzept. Die sorgfältige Ausbildung der Gruppenleiterinnen sowie das wissenschaftliche Fundament heben es von den zahlreichen Nachahmern ab. Das Wichtigste ist aber, dass die Verwirklichung der Ziele der PEKiP-Arbeit in jeder Gruppenstunde individuell für jedes Baby und jeden Elternteil erfahrbar werden. Das liegt zum einen an der geringen Gruppengröße, die mir Gelegenheit gibt, individuell auf jedes Paar einzugehen. Mehr Personen und die damit verbundene Unruhe, wie etwa in beliebigen Krabbeltreffs üblich, sind für Babys eine Überforderung.
„Ein Highlight in der Alltagswoche“
Auch die feste Zusammensetzung der Gruppe ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sich die Babys wohlfühlen. Ein „Kaffeetreff mit Babys“, bei dem die Teilnehmer wöchentlich wechseln, kann deshalb eine PEKiP-Gruppe nicht ersetzen. Auch das Vertrauen unter den erwachsenen Teilnehmern kann in einer stabilen Gruppe besser wachsen. Kontakte, die in PEKiP-Gruppen entstehen, halten oftmals jahrelang! Und nicht zuletzt zeigt die Erfahrung, dass PEKiP-Gruppen sowohl Eltern als auch Babys einfach Freude bereiten und sehr schnell zu einem Highlight der Alltagswoche werden.
Und was wird nun genau gemacht bei den Treffen?
Bewegungs-, Sinnes- und Spielanregungen für die Babys, die mit dem Entwicklungsstand der Babys „mitwachsen“, sind zentral in den Gruppenstunden. Zu Beginn der PEKiP-Zeit, wenn die Babys noch im ersten Vierteljahr sind, stehen Anregungen mit engem, sicherheitsspendendem Körperkontakt zwischen Elternteil und Baby im Vordergrund, sowie Anregungen und Materialien, die die Kopf- und Blickkontrolle fördern. Bald danach geht es um die Unterstützung der Bauchlage und das Drehen, und dann rückt immer mehr das Greifen in den Mittelpunkt, das wir mit verschiedensten Gegenständen und Materialien für die Babys spannend gestalten können. Im zweiten Lebenshalbjahr bieten Bälle, Schaumstoffelemente, schiefe Ebenen und Sprossen Anregungen zur Entwicklung der Grobmotorik – die Babys beginnen, sich im Raum zu bewegen, krabbelnd, robbend oder rollend, und ziehen sich bald hoch.
Auch die Sprachentwicklung kommt nun richtig in Fahrt, daher begleiten wir alles mit Worten.
Für jede Entwicklungsphase gibt es außerdem viele schöne Anregungen, die schon von Anfang an die Kontakte zwischen den Babys untereinander fördern können – vom Anschauen über erste Berührungen, schließlich das gemeinsame Interesse an einem Spielobjekt bis hin zur gegenseitigen Nachahmung: Babys lernen im gemeinsamen Spiel mit- und voneinander. Und natürlich schauen wir alle immer aufmerksam auf die Babys, um herauszufinden, was in ihrer Entwicklung gerade ansteht. Ich als Gruppenleiterin zeige den Müttern, welche Spiele sie in der entsprechenden Entwicklungsphase anbieten und wie sie Beweglichkeit und die Sinne ihres Babys anregen können. Sie lernen, die Signale ihres Babys genau wahrzunehmen, noch sicherer zu deuten und ihnen einfühlsam zu entsprechen.
Das klingt nach vollem Programm. Ist das nicht stressig für die Teilnehmer?
Nein – denn ganz, ganz wichtig und charakteristisch für das PEKiP-Konzept ist: PEKiP-Kurse haben einen offenen Anfang – in den ersten 15 Minuten der Kurszeit werden noch keine Anregungen angeboten, die Teilnehmer kommen erstmal ganz in Ruhe an, stillen bzw. füttern ihre Babys, ziehen sie nach und nach aus und lassen sie beobachten und in der Gruppe ankommen. Aber auch nach dieser Viertelstunde darf jederzeit gekommen und gegangen werden, und zwar je nach individuellem Bedürfnis der Babys.
„Die Bedürfnisse der Babys gehen immer vor!“
Auf diese Weise sollen die Eltern entlastet werden vom Zeitdruck und Stress, der sich auf ihre Babys überträgt und diese unruhig und dünnhäutig macht, so dass ihre Offenheit für die Angebote des PEKiP rapide sinkt. Auch darf und soll in den Gruppenstunden jederzeit pausiert, gekuschelt, gestillt/gefüttert und geschlafen werden (Letzteres bezieht sich aber nur auf die Babys ;)) – die Bedürfnisse des Babys gehen immer vor – vor den Wünschen der Eltern, aber auch vor den Planungen der Gruppenleitung!
Stimmt es, dass die Babys beim Kurs nackt sind? Warum ist das so?
(schmunzelt:) Es ist wohl der am weitesten verbreitete Fakt, dass die Babys beim PEKiP unbekleidet spielen dürfen. Selbst wenn jemand darüber hinaus nichts über das Konzept weiß – die Babys sind nackt, so viel ist jedem klar. Und ja, es stimmt, im Idealfall spielen die Babys während eines großen Teils der Gruppenstunden ohne einengende Kleidung und dickes Windelpaket – bei ungefähr 26 Grad Raumtemperatur. Die allermeisten Babys fühlen sich auf diese Weise sehr wohl und bewegen sich viel spontaner und intensiver. Es kommt deswegen sogar oft vor, dass Babys eine neue Bewegung das erste Mal in der PEKiP-Stunde ausprobieren. Außerdem erschließen sich dem Baby über die Haut als größtes Sinnesorgan viele entwicklungsanregende Umweltinformationen: sie können über ihre Haut die Berührungen der Eltern und der anderen Babys empfindsamer wahrnehmen, ebenso die Materialien, auf und mit denen sie spielen. Dennoch ist es auch in diesem Punkt entscheidend, das individuelle Wohlbefinden der Babys zu berücksichtigen, denn es gibt durchaus Babys, denen das Nacktsein nicht sofort behagt, da ihnen die enge Körperbegrenzung, das Gehaltenfühlen, durch die Kleidungsschicht fehlt und sie so das Gefühl bekommen „auseinanderzufallen“. Aber auch diese Babys können wir behutsam und Schritt für Schritt an die Bekleidungs- und Bewegungsfreiheit gewöhnen.
Sie haben PEKiP-Kurse bislang in anderen Städten angeboten. Warum starten Sie mit den PEKiP-Kursen nun in Wunstorf?
PEKiP gibt es inzwischen in beinahe jeder Stadt. Allerdings sind die Kurse auch oft hoffnungslos schnell ausgebucht, daher kann ein zusätzliches gutes Angebot nie schaden. Zudem gibt es in Wunstorfs Kernstadt bisher kein PEKiP, so dass interessierten Eltern auf jeden Fall Anfahrtswege entstanden. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Anreise zu Kursen ein Stressfaktor für Eltern mit Babys sein kann – man möchte genügend Zeit einplanen, um pünktlich loszukommen, dann schläft das Baby gerade dann, wenn man es eigentlich anziehen müsste, um im Zeitplan zu bleiben, man möchte es aber auch nicht wecken, damit es möglichst in der Kurszeit ausgeschlafen ist, dann muss es erst nochmal trinken und gewickelt werden, bevor es losgehen kann … und so weiter und so fort. Wenn dann noch eine längere Fahrt nötig ist, kann das ganz schön auf Kosten der Kurszeit gehen – und auf die Nerven. Die Anspannung und Hektik ist den so ankommenden Teilnehmern, groß wie klein, dann auch deutlich anzumerken, und Irritationen des Babys sind eigentlich vorprogrammiert. Es ist für Familien günstiger, wenn PEKiP-Kurse in Wohnortnähe angeboten werden. Ich hoffe daher, dass mein PEKiP-Angebot in der Küsterstraße ein Gewinn für Wunstorf sein wird.
Warum sind Sie PEKiP-Gruppenleiterin geworden?
Ich habe in Berlin Pädagogik mit der Studienrichtung Kleinkindpädagogik studiert. Mein fachlicher Interessenschwerpunkt lag also schon immer bei den ganz Kleinen. Schon während des Studiums wurde ich erstmals auf das PEKiP aufmerksam und hatte mir vorgenommen, mich nach meinem Abschluss mit der Fortbildung in diesem Bereich der Familienbildung zu befassen. Als es soweit war, absolvierte ich die zweijährige Fortbildung zur PEKiP-Gruppenleiterin. 2011, als meine Tochter zwei Jahre alt war, habe ich meinen ersten eigenen PEKiP-Kurs in Berlin angeboten, es folgten viele weitere. Da ich zwischenzeitlich mein zweites Kind bekommen und meine Promotion beendet habe, hat sich der Wiedereinstieg in die Familienbildung verzögert, aber jetzt ist es so weit, und ich bin froh, nun meinen ersten Wunstorfer PEKiP-Kurs anbieten zu können. Ich bin nach wie vor vom PEKiP-Konzept überzeugt und genieße die Möglichkeit, in meinen Kursen alle Facetten der faszinierenden frühkindlichen Entwicklung und der Eltern-Kind-Bindung so zahlreich beobachten und mitverfolgen zu können. Es kommt mir sehr entgegen, meine Kreativität bei der Planung und Gestaltung von Spielanregungen und Materialien einbringen zu können und mein Fachwissen mit den Eltern teilen zu dürfen. Ich freue mich schon darauf, nun wieder Familien in der sehr besonderen Zeit des ersten Lebensjahres ihres Kindes im Rahmen meines Kursangebots begleiten zu können!
Gibt es auch kritische Stimmen zu PEKiP?
Wenn ich im Internet von Eltern lese, die PEKiP ablehnen, dann sind das entweder solche, die niemals selbst eine solche Gruppe besucht haben und einfach nur Vorurteilen unterliegen und diese weiterverbreiten. Oder es wird von Kursen berichtet, die tatsächlich nicht optimal geleitet wurden und in entscheidenden Punkten vom PEKiP-Konzept abweichen. Das ist sehr schade.
Es kann natürlich auch sein, dass jemand mit Erwartungen in die PEKiP-Gruppe kommt, die nicht angemessen sind. Eben etwa das verbreitete Vorurteil, dass das Singen von Kinder- und Bewegungsliedern typisch für eine PEKiP-Gruppe sei. Das zum Beispiel ist grundfalsch. Im Gegenteil, das Singen gehört überhaupt nicht zum PEKiP-Konzept. Jede Gruppenleiterin geht zwar damit anders um, bei mir allerdings spielt es höchstens eine kleine Nebenrolle.
„Es gibt viele Gründe, an einer PEKiP-Gruppe teilzunehmen, aber es gibt eigentlich keine, es nicht zu tun.“Dr. Melanie Lerch
Oder wenn jemand meint, der PEKiP-Raum sei vollgestopft mit Spielzeug, noch dazu aus industrieller Herstellung … derjenige wird sich erstmal ein neues Bild vom PEKiP und den dahinterstehenden Überzeugungen machen müssen – in der Regel wird die angenehme Gruppenatmosphäre und die positive Reaktion der Babys ihn aber recht schnell vom echten PEKiP überzeugen. Erfahrungsgemäß nimmt jeder aus dem Kurs etwas Wertvolles für sich und das Baby mit – für die eine ist es eher der Austausch und die bleibenden Kontakte zu den anderen Müttern, für den anderen sind es eher die neuen Spielideen, für eine weitere die Informationen der Gruppenleitung über die kindliche Entwicklung, und für eine Mehrfachmutter ist es vielleicht einfach die exklusive Zeit mit ihrem Baby, für andere ist es wieder etwas ganz anderes. Daher meine klare Empfehlung: einfach neugierig sein, mitmachen! PEKiP tut praktisch jedem Baby und seinen Eltern gut.
Über welchen Zeitraum läuft der Kurs, wer kann teilnehmen, und wann genau geht es los?
Es gibt zunächst 10 Treffen im wöchentlichen Rhythmus, potentiell können weitere Runden folgen, bis die Babys etwa ein Jahr alt sind. Ein Treffen dauert 90 Minuten. Die Gruppe bleibt während der Kursdauer stabil, das heißt es gibt kein „Kommen und Gehen“ unterschiedlicher Teilnehmer, sondern man bildet eine vertraute Gruppe. 6 bis 8 Paare, bestehend aus Vater oder Mutter plus Kind, können pro Kurs teilnehmen. Mein PEKiP-Kurs startet am Dienstag, den 5. Februar 2019 um 10.45 Uhr. Angemeldet werden können Babys, die zwischen Mitte Oktober und Mitte Dezember 2018 geboren wurden.
Wie viele Plätze sind noch frei?
Es sind noch einige wenige Plätze frei. Interessenten schauen am besten auf meine Homepage www.pekip.knetfeder.de, die viele Infos rund um das Kurskonzept und die Anmeldung bietet, oder schreiben direkt eine Mail an pekip@arcor.de. Ich freue mich auf Eure Anmeldungen!
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