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Betrüger verkaufen Eintrittskarten in Wunstorf – wir kaufen sie uns

30.10.2024 • Redaktion • Aufrufe: 1590

Im Gespräch mit Kartenbetrügern: Die Auepost auf der Spur von Fake-Ticket-Verkäufern rund ums Wunstorfer Handball-Länderspiel. Wie die Internetbetrüger arbeiten und kartensuchende Opfer in die Falle locken, haben wir uns genauer angesehen.

30.10.2024
Redaktion
Aufrufe: 1590
Die Angebote, die unter der Auepost-Nachricht auftauchten | Screenshot: Auepost

Am vergangenen Freitag fand ein Handball-Länderspiel in Wunstorf statt. Die Karten dafür waren nicht besonders teuer, und sie waren schnell komplett ausverkauft: Über 650 Menschen hatten sich ein Ticket im Vorverkauf besorgt, so dass die eigentlich angekündigte Abendkasse bereits einen Tag vor dem Spiel abgesagt wurde.

Doch scheinbar gab es doch noch Karten für das Sportevent: Kurz nach Veröffentlichung der Meldung, dass das Spiel ausverkauft sei, tauchten unter dem entsprechenden Facebook-Beitrag der Auepost gleich zwei Offerten auf: Zwei verschiedene Nutzer boten ihre angeblich bereits gekauften Karten an, weil sie laut eigener Aussage doch verhindert waren am Tag des Spiels.

Etwas schien jedoch nicht ganz koscher zu sein bei diesen Angeboten. Die Formulierungen waren unterschwellig aggressiv und sollten offenbar dazu animieren, sich schnell für den Kartenkauf zu entscheiden. Davon abgesehen, dass die Beitragsseite eines Mediums für derlei Verkaufsangebote der falsche Ort ist, hätten bereits ab diesem Moment die Alarmglocken schrillen können, denn wenn vermeintliche Privatleute psychologischen Verkaufsdruck aufbauen, ist das bereits ein Indiz für Abzocke.

Zum Konzert in Frankreich oder zum Handball nach Wunstorf?

Ein Blick auf die Profile der Kartenanbieter wirkte ebenfalls seltsam, und beide ähnelten sich auffällig. Auf ihnen war schon lange nichts mehr gepostet worden, obwohl sie schon einige Jahre bestanden, und zeigten jeweils eine kleine Auswahl von Familienbildern: Vater, Mutter, Kinder – im Urlaub, am Strand, in den Bergen und in der Landschaft beim Selfiemachen. Texte gab es keine, nur Fotos. Keines der Profile und Bilder ließ irgendeinen Rückschluss auf einen bestimmten Ort oder eine echte Interaktion zu. Es wirkte, als hätte jemand ein Familienalbum geplündert und damit eine brachliegende Facebookseite bestückt, die überall nach Deutschland passen könnte. Und genau das dürfte auch der Fall gewesen sein – mit gekaperten Accounts, woanders gestohlenen Bildern oder sogar einfach nur KI-generierten Motiven.

Noch bevor wir auf unserer Social-Media-Seite diese Angebote sperren konnten, machten andere bereits auf den möglichen Betrugsversuch in den Kommentaren aufmerksam und hatten sogar ähnliche Angebote derselben Profile an ganz anderer Stelle entdeckt. Dass jemand gleichzeitig Karten für ein Rockkonzert in Frankreich und ein Handballspiel in Wunstorf kauft und dann zu überhaupt keiner Veranstaltung geht – das mag es vielleicht geben, aber lässt die Zweifel nicht gerade geringer werden. Wir fanden bei einer Recherche weitere Übereinstimmungen: Eines der Profile hatte noch an anderen Stellen immer wieder vermeintliche Karten angeboten.

Mit Betrügern verhandeln

Aber warum bietet jemand offenbar in betrügerischer Absicht Karten an, die im Vorverkauf 9 Euro kosten? Was passiert, wenn jemand auf dieses Angebot eingeht? Wir haben es ausprobiert.

Noch bevor wir „Janine“, die gleich 4 Karten zu verkaufen hatte, kontaktieren konnten, war ihr Profil allerdings bereits verschwunden – womöglich entfernt von Facebook oder vom Besitzer selbst, um die Rückverfolgung zu erschweren. Blieb noch „Manuel“, der ebenfalls Tickets angeboten hatte.

Kontaktaufnahme | Screenshot: Auepost

Wir bekundeten Interesse und mussten nicht lange auf eine Antwort warten: Der Verkäufer schien direkt anzurufen, doch die Verbindung kam nicht zustande. Das sollte offenbar Seriosität und Echtheit vermitteln, letzte mögliche Zweifel von vornherein ausräumen.

Aber „Manuel“ schrieb uns nun und fragte, wie viele Karten wir wollten. Wir wünschten uns zwei, woraufhin der Verkäufer uns nach einem eigenen Preisvorschlag fragte. Wir schlugen 15 Euro vor. Das war „Manuel“ zu wenig, er wollte 18 Euro – immerhin kein überzogenes Last-Minute-Angebot, sondern der Originalpreis der Karten. Darauf gingen wir aber nicht ein. Zeitungmachen kostet schließlich auch Geld, und für 18 Euro hätten wir die Karten außerdem auch gleich so kaufen können. Letzteres teilten wir unserem Verkäufer auch genau so mit. Das sah er überraschenderweise ein und wusste offenbar gar nicht, dass die Karten in Wunstorf wirklich ausverkauft waren, versuchte angesichts der Kartenknappheit keinen noch höheren Preis auszuhandeln – und war nun mit 15 Euro einverstanden.

Angebissen

An welche E-Mail-Adresse er die Karten denn schicken solle, wollte „Manuel“ nun wissen – und den Deal damit perfekt machen. Aber nun ließen wir unser Gegenüber erst einmal zappeln – immerhin will solch eine finanzielle Investition gut überlegt sein. Doch nun wurde unser Verkäufer ungeduldig. „Bist du da?“, fragte er wiederholt.

Feilschen und falsche Karten | Screenshot: Auepost

Als wir ihn gerade fragen wollten, ob wir die Karten auch persönlich abholen könnten, brach der Kontakt ab – auch „Manuels“ Profil war nun nicht mehr aufrufbar.

Mit einer positiven Antwort hatten wir ohnehin nicht gerechnet, denn solche Betrüger arbeiten in der Regel nicht vor Ort – sondern durchaus vom anderen Ende der Welt. Es wird geschickt vorgespielt, dass man es mit jemandem von nebenan zu tun hat, doch in Wirklichkeit können die Täter auch von einem Callcenter auf einem anderen Kontinent aus agieren. Ob uns tatsächlich irgendwelche Karten zugeschickt worden wären und welcher Zahlungsweg vorgeschlagen worden wäre, das konnten wir damit nicht mehr in Erfahrung bringen.

Warnsignale

Dass wir es hier mit Betrügern zu tun hatten, davon sind wir jedoch überzeugt. Denn weitere Warnsignale waren: Obwohl „Manuel“ mit einem deutschen Allerweltsnamen unterwegs war, kommunizierte er nur in holprigem Deutsch. Die Person im Chatfenster klang so überhaupt nicht wie der freundliche Familienvater, der auf den Social-Media-Bildern zu sehen war.

Und es wurde immer abwechselnd mal die höfliche, mal die persönliche Anrede verwendet, es ging wild zwischen „Sie“ und „Du“ hin und her. Das deutet darauf hin, dass hinter dem Account tatsächlich mehrere Personen saßen, die die Opfer, die angebissen hatten, gemeinsam „betreuten“. Insgesamt ergab sich der Eindruck, dass eine Gruppe mit dem zwischengeschalteten Google-Übersetzer eine vorgefertigte Gesprächsliste abarbeitete.

Auch wenn 15 Euro keine große Beute gewesen wären – in der Breite rechnet sich die Masche für die Täter, sonst würde sie nicht stattfinden. Gearbeitet wird in großem Stil – und es werden mit Sicherheit automatisiert Facebookmeldungen durchsucht, die die Schlagworte „Veranstaltung“ und „ausverkauft“ beinhalten. Reagieren nun genügend Opfer auf die Angebote zum privaten Kartenkauf, kommen schnell hohe Summen zustande.

Persönliche Karten fürs Länderspiel hatten wir auf diesem Wege nun leider nicht bekommen, aber immerhin konnten wir die Täter eine Weile beschäftigen – und in dieser Zeit vielleicht davon abhalten, andere hereinzulegen.

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