Das Leben hat sich in den letzten Wochen ziemlich verändert. Auch das Familienleben. Von ständig was zu tun und ständig irgendwohin zu erstmal fast nichts zu tun und nirgendwohin. Von hundert auf null in wenigen Tagen. Von alle immer weg zu alle zuhause. Ungewohnt. Ich habe mich in den ersten Tagen dabei erwischt, wie sich eine ständige unterschwellige Grundanspannung bezüglich Logistik und Organisation (Wer muss wann mit was wohin?) komplett aufgelöst hat.
Ganz ohne zu werten ausgedrückt: Wenn man nirgendwohin kann, muss man sich darum schon mal keine Gedanken machen. Kann auch befreiend sein, wenn man keine Auswahl hat. Kennt man ja vom Einkaufen. Die Qual der Wahl ist manchmal stressig. Irgendwann wurde das Entspanntsein natürlich langweilig. Eustress und Disstress. Irgendwann nach dem völligen Herunterfahren, dem Shutdown, dem Ausknopf sucht man sich dann wieder ein paar Stimuli neben den normalen Alltagsbeschäftigungen.
Wir sind dann mangels täglichem und von außen bestimmtem Alternativprogramm mit dem Fahrrad in den Wald gefahren. Haben wir früher eher selten gemacht. Sporadisch mal. Jetzt ist es unsere Lieblingsbeschäftigung. Zuerst fanden es die Kinder langweilig, anstrengend und doof. Mittlerweile haben wir ein abgeschiedenes Bärlauchfeld gefunden, einen Damm gebaut, Ostereier gesucht und gefunden, Wildkräuter gesammelt, eine Rampe gebaut, einen Moorsee entdeckt, verschiedene Themen-Picknicks veranstaltet und eine große Vorliebe zum entspannten Dahinradeln im Grünen entwickelt. Kein „Ich kann nicht mehr“ oder „Ich will nach Hause“ zu hören.
Das Radfahren an sich, ohne bestimmtes Ziel, ist plötzlich sehr angenehm geworden. Total zenmäßig. Man nimmt das (Wenige), was man hat, nimmt es hin (weil es ja eh gerade nicht anders geht) und fängt irgendwann automatisch an, es zu genießen. Der Knaller. Kinder können das viel besser als Erwachsene, ist mir aufgefallen. Als Erwachsener muss man aufpassen, dass man nicht zu viel nachdenkt und sich in Pro und Contra und Analysen und Zahlen und Nachrichten und „Warum eigentlich so und nicht anders“-Überlegungen und Statistiken verfängt. Auch wichtig, aber nicht den ganzen Tag lang.
Das Leben bahnt sich seinen Weg. Und wir lernen. Eigentlich wie immer. Und doch anders. Genießen Sie die Zeit und leben Sie entspannt in Ihren Tag hinein. Er gehört Ihnen.
Eure Vivian
Aus Auepost #8 (Mai 2020). Die Kolumne „Familienpackung“ erscheint monatlich im Auepost Stadtmagazin
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