Ein Lehrstück, was sich bei spektakulären Autounfällen in den Medien abspielt, erlebte Wunstorf am gestrigen Donnerstag. Noch während die Feuerwehr mitten bei der Arbeit ist, sind Reporter verschiedener Medien vor Ort und fotografieren und filmen.
HAZ und Bildzeitung veröffentlichen ihre Meldungen umgehend, ein Fernsehteam von Nonstop-News ist auch vor Ort, der NDR berichtet. Marcel Nellesen, Pressesprecher der Wunstorfer Feuerwehr, wird im O-Ton interviewt, bei der „Bild Hannover“ wird der Unfall tags darauf zum Aufmacher im Regionalteil, die Zeitung zeigt ein Foto des irritiert-verstört blickenden Geschäftsführers über der riesigen Schlagzeile und spekuliert über einen Zuckerschock der Fahrerin.
(…) dass ein Fahrzeug so tief in ein Gebäude vordringt, so weit von der Straße abkommt, das ist nicht alltäglich.Marcel Nellesen im beim NDR gezeigten Interview
Selbst der Feuerwehr, die im Umgang mit Unfällen einiges gewohnt ist, merkt man an, dass der Einsatz zu den spektakuläreren zählte. Die Bildzeitung nimmt es mit den Fakten nicht so genau, spricht von einer Links- statt von einer Rechtskurve – was natürlich auch vom Standort des Reporters abhängen mag.
Viele weitere Zeitungen ziehen nach. Als DPA-Agenturmeldung verbreitet sich die Kunde von der Unfallfahrt in Wunstorf weit, so dass viele Zeitungen aufspringen und die Meldung in ihre Panorama- oder Niedersachsen-Rubriken übernehmen. Bis z. B. in die Peiner Nachrichten oder ins T-Online-Portal schaffte es so die Nachricht aus Wunstorf.
Am Freitag, den Tag danach, kehrt man in Wunstorf zur Normalität zurück. Das Kamin-Geschäft ist geschlossen, ein Schild an der Eingangstür verkündet, dass der Betrieb bis zum 9. Januar wegen „Gebäudeschadens“ ruht.
Am Morgen taucht noch ein Fernsehteam auf und filmt bei Tageslicht, Zeitungsreporter verschaffen sich einen Überblick, doch ansonsten sieht alles fast wieder normal aus – bis auf das große Loch in der Wand des Gebäudes, das weiterhin weithin sichtbar ist. Eine örtliche Tischlerei ist damit beschäftigt, die Außenwand provisorisch zu verschließen, um das Gebäude wieder witterungsfest zu machen. Noch haben die Versicherungsgutachter ihre Arbeit nicht aufgenommen, die Reparatur wird später erfolgen. Das Auto wurde bereits am Vorabend geborgen und abtransportiert.
Von der Straße kaum auszumachen ist die Spur des Autos auf dem Feld. Doch auf dem nun gefrorenen Boden des Ackers zeichnen sich die Abdrücke der Räder deutlich ab, die das Auto bei seiner Fahrt querfeldein hinterlassen hat, als es zwischen Straße und Bahndamm dahinraste. In einem leichten Bogen führen die Spuren vom Ende der Kurve bis kurz vor die Bahngleise, wo der Wagen regelrecht abgehoben haben muss.
Die Fahrerin muss mehr als nur einen Schutzengel gehabt haben: Bei ihrer Fahrt hätte sie genauso gut erneut in den Gegenverkehr geraten und mit einem Fahrzeug kollidieren können, in die Bäume am Straßenrand fahren oder einen tragenden Pfeiler im Gebäude treffen können. Stattdessen wurde ihre Fahrt offenbar mehrmals abgebremst: der Ackerboden, das Gleisbett vor den Bahngleisen, die Leichtbauwand des Kaminstudios, das dahinterliegende Interieur und schließlich der Verkaufstresen waren Hindernisse, die das Auto nahm, ohne noch schwerere Schäden zu erleiden.
Trotzdem muss der Wagen regelrecht abgehoben sein, als er auf die leichte Böschung vor den Bahngleisen am Ende des Ackers traf, denn der Bahndamm liegt etwas erhöht und wirkte hier wie eine Rampe. Direkt dahinter krachte der Wagen dann an das nur wenige Meter neben den Gleisen stehende Gebäude und hinterließ eine meterlange Schneise, die nicht wirkt, als wäre der Wagen wesentlich entschleunigt worden.
Inzwischen teilt die Polizei mit, dass die 70-Jährige auch einen Unfall in Hagenburg verursachte und einfach weiterfuhr, bevor es kurz darauf in Wunstorf zum folgenreichen Unfall kam.
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