In Wunstorf ist Agnes Miegel somit heute an drei Orten fest mit der Stadt verbunden – beziehungsweise war es. Der dritte Ort, neben Agnes-Miegel-Straße und Sigwardskirche, ist seit Monaten eine Brachstelle: Der Miegel-Gedenkstein am Blumenauer Kirchweg ist von seinem Platz verschwunden.
Der Stein wurde 1968 am Blumenauer Kirchweg enthüllt, in einer Zeit, als die posthumen Ehrungen der 1964 verstorbenen Miegel einen Höhepunkt in Deutschland erreichten.
Wunstorfer aus den Kreisen der ostpreußischen Gemeinschaft setzten sich dafür ein, der Literatin, die wie keine andere als Identifikationsfigur für Ostpreußen steht und die ihrer verlorengegangenen Heimat zu lyrischen Höhen verhalf, auch in Wunstorf ein Denkmal zu setzen.
Bei der feierlichen Enthüllungszeremonie erwiesen den Stein flankierende Fackelträger der Dichterin die Ehre; Otto Reimann, ehemaliger Rektor der Wunstorfer Stadtschule und Großvater des jetzigen Bürgermeisters, hielt die Ansprache.
Miegel, die gerade für Ostpreußinnen und Ostpreußen eine große Bedeutung einnahm, wurde damit im Wunstorfer Stadtbild deutlich präsent, als Ausdruck der ostpreußischen Kultur und des Erinnerns an Vertreibung und Flucht, an alte Heimat und Neuanfang.
Auf dem knapp einen Meter hohen, massiven Stein waren ursprünglich bronzene Lettern angebracht, die die folgende Inschrift bildeten:
AGNES MIEGEL
* 9.3.1879 †26.10.1964
Außerdem zeigte er auf der linken oberen Seite ein stilisiertes Elch-Geweih, das Symbol Ostpreußens.
Eine kritische Auseinandersetzung mit Agnes Miegel in Wunstorf fand in der Vergangenheit nicht auf institutioneller Ebene, aber durchaus auf der Straße statt. Der Gedenkstein wurde immer wieder beschmiert und beschädigt – und von der Stadt Wunstorf immer wieder gereinigt und instand gesetzt. Aufgrund der teils starken Beschädigungen hat der Stein sein Aussehen im Laufe der Jahre verändert.
Im Jahr 2007 wurde der Stein mit dem Schriftzug „Kein Vergeben – Kein Vergessen“ in orangener Farbe übersprüht, außerdem ein Davidstern aufgemalt. Drei Jahre später, 2010, kam es zur nächsten größeren Beschädigung. Einzelne Buchstaben wurden abgebrochen bzw. Teile davon entwendet.
Danach wurden die beschädigten Buchstaben nicht mehr neu angefertigt, sondern vollständig entfernt und an gleicher Stelle durch eine Gravur ersetzt, die mit dunkler Farbe gefüllt wurde.
Vor einem Jahr, 2015, wurde das Denkmal erneut großflächig beschmiert. Der Baubetriebshof entfernte daraufhin den Stein bis auf den Sockelbereich vollständig. Seitdem befindet sich der Agnes-Miegel-Stein auf dem Betriebsgelände.
Nach Informationen der Hannoverschen Allgemeinen wird er derzeit erneut saniert und soll anschließend an einer besser geeigneten Stelle wieder aufgestellt werden.
Wurden früher schnell Stimmen laut, die eine schnelle Reinigung des Steins forderten, ist das Schicksal des Denkmals aktuell jedoch nicht mehr auf der Tagesordnung, die Empörung ist größtenteils verstummt. Nur wenigen Passanten fällt das Fehlen des Steines in der Nähe der Stiftskirche überhaupt noch auf. Inzwischen machen Gerüchte die Runde, dass man das Denkmal sang- und klanglos verschwinden lassen möchte. Tatsächlich könnte dieser Eindruck entstehen, denn der Stein lagert nun schon über ein Jahr im Baubetriebshof.
Den Abtransport zur Sanierung in Auftrag gegeben hatte die Verwaltung, als neuer Platz für das Denkmal ist u. a. die Agnes-Miegel-Straße angedacht. Wenn der Stein wieder aufgestellt wird, dann diesmal jedoch wohl mit einer ergänzenden, erklärenden Hinweistafel.
Sauerei mit dem stein