Wunstorf (as). Bis fast zum Ende der Sitzung im Saal der Otto-Hahn-Schule mussten die 30 Zuhörerinnen und Zuhörer warten, ehe Piellusch seine Vorschläge zum millionenschweren städtischen Etat für 2024 erläuterte. Sie erlebten einen ernsten Bürgermeister, der viele Zahlen nannte und manchen Negativpunkt, ohne sich im umfangreichen Zahlenwerk oder in Schwarzmalerei zu verlieren. Seine Aussagen waren verständlich und vermittelten die komplizierten Zusammenhänge kommunaler Finanzpolitik.
Zwei Erkenntnisse wurden sehr deutlich: Dieser Verwaltungschef ist kapitelfest und weiß, wovon er spricht. Er scheut sich nicht – wie sein Vorgänger Axel Eberhardt in früheren Jahren auch und andere führende Kommunalpolitiker – die krisenhafte Zuspitzung in den Kassen der Städte und Gemeinden offenzulegen. Piellusch wörtlich: „Eines ist klar: Die haushalts- und finanzpolitische See wird rauer.“ Ähnlich hatte er sich auch schon in der Vergangenheit ausgedrückt.
„Die haushalts- und finanzpolitische See wird rauer“
Der Bürgermeister war dennoch bemüht, Zuversicht auszustrahlen: „Auch schwierige Zeiten sind natürlich kein gestaltungsfreier Raum.“ Und er bewies zum Schluss seiner Rede, dass er auch bibelfest ist: Wie der Prophet Jeremia forderte er den Rat auf, „gemeinsam der Stadt Bestes“ zu suchen – „auch bei rauer See!“
Ohne Steuererhöhungen will Piellusch die Stadt durch das nächste Jahr bringen. Das hob der Bürgermeister – zwei Jahre nach seinem deutlichen Wahlsieg – in der jüngsten Ratssitzung bei der Vorstellung der Eckwerte für den neuen Etat hervor. Er schlage das aus gutem Grund vor, obwohl Wunstorf künftig mehr als in der Vergangenheit gezwungen sein werde, die Einnahmen zu erhöhen.
35 Millionen Euro sollen im nächsten Jahr in Bauvorhaben investiert werden. Dafür sind nach Pielluschs Angaben neue Kredite nötig, die die aktuelle rechnerische Verschuldung deutlich erhöhen. Der Bürgermeister sparte auch „hausgemachte Schwierigkeiten“ nicht aus: Es gebe „erheblichen Investitionsstau“, insbesondere bei allen öffentlichen Gebäuden. Schon 2021 sei eine Summe von 166 Millionen Euro bilanziert worden, als die ausstehenden Investitionen zusammengestellt worden seien. Das entspreche 4.011 Euro je Einwohner. Dieser Wert liege deutlich über dem Durchschnittswert der Vergleichsgemeinden ähnlicher Größe.
Die Auepost dokumentiert hier die wesentlichen Aussagen des Bürgermeisters zum Etat 2024 im Wortlaut. Die einzelnen kleinen und großen Ansätze werden die Ortsräte, die Ausschüsse und der Rat in den nächsten Wochen und Monaten diskutieren. Es ist möglich und normal, dass die Kommunalpolitiker hier und da zu Festlegungen kommen, die von Entwurf der Stadtverwaltung abweichen. Das letzte Wort hat der Rat der Stadt, in dem die SPD/CDU-Gruppe eine übergroße Mehrheit hat.
Piellusch begann seine Rede mit einem Rückblick:
„Ich kann feststellen, dass das Haushaltsjahr 2022 mit einem Jahresüberschuss von 6,36 Millione Eurpo abgeschlossen werden konnte. Verglichen mit dem Haushaltsplan 2021/2022, der ein Defizit von -2,9 Mio. € vorgesehen hatte, ist dieses – auch verglichen mit anderen Kommunen – ein sehr erfreuliches Ergebnis. Für das laufende Haushaltsjahr 2023 war ein Defizit von -3,5 Mio. € geplant. Ich bin optimistisch, dass wir auch in diesem Jahr besser abschneiden werden. Ob wir allerdings ein Defizit vermeiden können, ist fraglich.
Eines ist jedoch für das Haushaltsjahr 2024 unverkennbar: Wir steigen in schwierigen Zeit in unsere Haushaltsberatungen ein. Der niedersächsische Städtetag hat gestern bei seiner Städteversammlung gegenüber Bund und Land eindringlich auf die Finanzlage der Kommunen aufmerksam gemacht. Die verabschiedete Resolution trägt den Titel: ‚Haushaltslage der niedersächsischen Kommunen am Kipppunkt‘!
Normative Herausforderungen betreffen die Bundes- und Landesgesetzgebung. Beide beglücken die Kommunen mit zusätzlichen Aufgaben, ohne zugleich für eine auskömmliche und dauerhafte Finanzierung zu sorgen. Hinzu kommt eine völlig unrealistische Zeitschiene, die die Kommunen zwingt, in kurzer Zeit personelle und finanzielle Mittel zu mobilisieren, um politische Versprechungen anderer wenigstens annähernd im vorgesehenen zeitlichen Rahmen zu erfüllen. Kommunale Vorhaben müssen dafür zurückgestellt werden. Sie ahnen es: Ich spreche vom Ganztagsförderungsgesetz.
Wir können die Betrachtung aber auch gern auf die Klimaschutzgesetzgebung erstrecken. Ich bin sehr für Klimaschutz. Aber: Es ergibt sich ein ähnliches Bild: Neue Aufgaben, nicht durchfinanziert, kurze Umsetzungszeiträume. Wir stellen uns diesen Herausforderungen. Auf der Einnahmeseite führt die Steuergesetzgebung des Bundes zu verringerten Steuereinnahmen auf der kommunalen Ebene. Konkret: Das geplante Wachstumschancengesetz wird uns bei den Gewerbesteuereinnahmen empfindlich treffen. Auf der Ausgabeseite treffen uns hohe Bau-, Energie- und Zinskosten. Die Inflationsrate lag im Jahre 2022 bei 7,9 Prozent. Sie ist nur langsam gesunken. Im August 2023 lag sie immer noch bei 6,1 Proent. Die Kreditzinsen steigen weiter, die EZB hat den Leitzins vor wenigen Tagen um weitere 0,25 Prozent auf nunmehr 4,5 erhöht.
Bei den Personalkosten haben wir mit der Tariferhöhung im öffentlichen Dienst zu kämpfen, die zu einem deutlichen Anstieg der Personalkosten führen wird, bei den Beschäftigten um ca. 12 Prozent. Es sei allen Beschäftigten gegönnt, ist aber schon ein kräftiger Schluck aus der Pulle. All dies geht natürlich nicht spurlos an unserem Haushalt vorbei. Die Überschrift für diesen Haushalt könnte daher auch lauten: Schwerpunkte setzen in einem schwieriger werdenden Umfeld.“
Der Ergebnishaushalt ist, genau wie in einem normalen Unternehmen, auch eine tabellarische Darstellung von Einnahmen und Ausgaben. Dabei gehören zu den wichtigsten Einnahmen die Steuern, die sich aus Gewerbe- und Grundstückssteuern usw zusammensetzen. Weitere Einnahmen einer Stadt sind allgemeine Finanzzuweisungen des Landes, womit jedes Bundesland Städten hilft, entgangene Steuern auszugleichen und die Schlüsselzuweisungen zu optimieren. Der Finanzhaushalt ist ein Teil des doppischen Haushaltsplans, der die voraussichtlichen Geldflüsse (Ein- und Auszahlungen) im Haushaltsjahr darstellt. Er ähnelt damit dem kameralistischen Haushaltsplan, der ebenfalls Geldflüsse (dort Einnahmen und Ausgaben genannt) darstellt. Der Finanzhaushalt dient der Liquiditäts- und Investitionsplanung.
Der Bürgermeister erläuterte nach seinen grundsätzlichen Bemerkungen die wichtigsten Zahlen aus Ergebnis- und Finanzhaushalt. Die Erträge gehen laut Entwurf in der Summe um zwei Millionen auf 102 Millionen Euro zurück. Dem stehen Aufwendungen von etwa 112 Millionen Euro gegenüber. Das ergibt ein erwartetes Defizit von knapp 10 Millionen Euro – viel mehr als erwartet.
Drei Gründe sind nach Pielluschs Ansicht dafür ausschlaggebend: 1. Die Schere zwischen Erträgen und Aufwendungen öffnet sich noch weiter. 2. Steigender Personalaufwand um 3 Millionen Euro. 3. Allgemeine Kostensteigerung in allen Kostengruppen. Trotz des voraussichtlich negativen Jahresergebnisses im Ergebnishaushalt gilt der Entwurf 2024 im Rechtssinne als ausgeglichen: Die Stadt kann den Fehlbetrag mit den in den Vorjahren erwirtschafteten Überschüssen von etwa 55 Millionen Euro verrechnen.
Der Finanzhaushalt hat nach Pielluschs Entwurf ein Volumen bei den Einzahlungen von rund 132 Millionen Euro. Die Auszahlungen prognostiziert er auf etwa 38 Millionen Euro. Unter dem Strich ergebe sich eine Lücke von etwa 5,6 Millionen Euro. 2024 sei das noch kein Problem, weil 2023 voraussichtlich mit liquiden Mitteln in ähnlicher Höhe beendet werde.
Was die Stadt für das kommende Jahr vorhat, skizzierte der Bürgermeister so: Investitionen seien in einer Höhe von 35 Millionen Euro vorgesehen, 19 Millionen weniger als im laufenden Haushaltsjahr. Piellusch:
„Das Volumen der Baumaßnahmen beträgt etwa 22 Millionen Euro, 17 Millionen im Hochbau und 5 im Tiefbau. Im Hochbau sind die vier größten Maßnahmen: Der Neubau der Sporthalle im Schulzentrum Barne, die Errichtung des Feuerwehrgerätehaus Bokeloh/Mesmerode, die Umwandlung der Grundschule Steinhude in eine Ganztagsschule und die Sanierung des Hölty-Gymnasiums, Bauteil A. Diese vier Maßnahmen binden allein rund 12 Millionen Euro.“
Im Tiefbau fließen mehr als 2,5 Millionen Euro in die Fahrradstraße Klein Heidorn-Großenheidorn, die Erweiterung und Erneuerung der Straßenbeleuchtung und die Sanierung der Druckrohrleitung Kolenfeld-Wunstorf.
Das Investitionsprogramm enthält darüber hinaus weitere Schwerpunkte: Der dickste Brocken ist die Erhöhung der Kapitalrücklage für die Bäderbetriebe. Dabei geht es um die Sanierung und Erweiterung des Wunstorf Elements für mehr als 7 Millionen Euro. Weitere Schwerpunkte sind die weitere Digitalisierung der Schulen und der Verwaltung sowie die Beschaffung von Fahrzeugen und Ausrüstung für die Feuerwehr. Bei den Investitionen kommen der Stadt Zuschüsse von voraussichtlich knapp 5 Millionen Euro zugute.
Piellusch weiter:
„Damit ergibt sich bei den Investitionen dennoch ein Saldo in Höhe von rund 30 Millionen Euro. Dieser Betrag muss im Wesentlichen über eine Kreditaufnahme finanziert werden. Die Nettoneuverschuldung beläuft sich auf etwa 27 Millionen Euro. Sie konnte gegenüber dem laufenden Jahr um 16 Millionen zurückgeführt werden. Mit den noch nicht in Anspruch genommenen Kreditermächtigungen des Jahres 2023 ergibt sich damit eine Haushaltsermächtigung für Investitionskredite in Höhe von insgesamt 76 Millionen Euro.
Um die Dinge richtig einzuordnen: Wenn sich die Liquiditätslage im Haushaltsjahr positiver entwickelt als angenommen, werden die Kreditermächtigungen nicht in voller Höhe in Anspruch genommen werden. Dies war auch in den zurückliegenden Jahren so praktiziert worden und würde dazu führen, dass die geplante Finanzierung der Investitionen zu einem Teil aus eigener Kraft erfolgen kann.
Die Inanspruchnahme der noch nicht ausgeschöpften Kreditermächtigungen des Jahres 2023 und die geplante Aufnahme neuer Kredite für das Jahr 2024 ließen den Schuldenstand der Stadt rechnerisch auf 118 Millionen Euro anwachsen. Dies ist aber mehr ein theoretischer als ein realer Wert. Denn er setzte die vollständige Abarbeitung der Alt- und Neuprojekte und eine vollständige Inanspruchnahme der Kreditermächtigungen voraus. Das ist nicht wahrscheinlich. Das Ziel muss also darin bestehen, die Schere im Ergebnishaushalt so weit wie möglich zu schließen. Dies kann nur dadurch gelingen, dass wir den Anstieg der Aufwendungen bremsen und die Erträge verbessern.“
Dennoch, so Piellusch, soll die Gewerbesteuer in 2024 nicht erhöht werden:
„Der wichtigste Grund ist, dass wir im Regionsvergleich bereits hoch liegen. Unser jetziger Hebesatz liegt bei 460. Der Durchschnitt der Hebesätze bei den Umlandkommunen in der Region liegt bei 452. In Garbsen liegt der Hebesatz bei 450, in Neustadt bei 430, in Langenhagen bei 450.“
Piellusch kündigte an, die Stadt werde Stellen streichen, wo das vertretbar erscheine:
„Das betrifft sieben Stellen. Zwei Stellen werden nur vorübergehend eingerichtet, damit die Nachfolge und Einarbeitung im Bereich Wirtschaftsförderung und Baubetriebshof sichergestellt werden kann. Nach Ablauf der Altersteilzeit können diese beiden Stellen wieder entfallen. Echte Neueinrichtungen von Stellen sind nur in geringer Zahl vorgesehen. Stellenanhebungen in überschaubarer Zahl betreffen untere und mittlere Besoldungs- und Entgeltgruppen. Sie sind in der Regel auf Neubewertungen zurückzuführen.“
Der Bürgermeister schloss mit einer Mahnung:
„Schwierigere Zeiten dürfen uns auch nicht davon abhalten, unsere sozialen und kulturellen Leuchttürme zu stärken. Dazu gehören insbesondere der BauHof-Verein und die Musikschule. Beide Einrichtungen sind weit über unsere Stadtgrenzen bekannt. Ihre Funktions- und Leitungsfähigkeit müssen wir erhalten und stärken. Sie sind kein ‚nice to have‘. Jeder Euro, den wir in diese Einrichtungen stecken, ist ebenfalls eine Investition in die Zukunft.“
Der Rat nahm den Etatentwurf ohne Aussprache zur Kenntnis. Die Meinungsbildung beginnt jetzt.
Schulden sind egal Hauptsache Geld ausgeben
Das Perfide am kommunalen Haushalt „Schulden für bauliche Investitionen“ sind problemlos darstellbar. Dass der Stadt niemand eine Schule, einen Kreisel, o.ä. abkaufen wird, ist jedem normal denkenden Bürger klar. Und heute (04.10.202) wurde notgedrungen beschlossen, die Schullandschaft in der Barne für rund 26 Millionen Euro mit Neubauten umzugestalten. Angemerkt: Die Erweiterung und Neugestaltung des „Wunstorf Elements“ kostet ja auch nur schlappe 45 Millionen Euro. Gerade bin ich wirklich „auf Krawall gebürstet“.
Es muss dringend die Reißleine gezogen werden, weil es nicht mehr lange dauern wird, bis die Region Hannover als zuständige Behörde für die Prüfung der Haushaltspläne ihrer Kommunen und Gemeinden, der Stadt Wunstorf eine Absage erteilen wird.
Ab 2025 kann dann als Ausgleich an der neuen Grundsteuer gedreht werden, irgendwie muss die Kohle ja wieder reinkommen.