Wunstorf (red). Am vergangenen Donnerstag, den 30. Januar begrüßte die Wunstorfer Innenstadt das „Digital Mobil“ des Mittelstand-Digital Zentrum Handel. Bürgermeister Carsten Piellusch und Bernd Heidorn, 1. Vorsitzender der Werbegemeinschaft Wunstorf, eröffneten gemeinsam die Veranstaltung vor eingeladenen rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Handel und Wirtschaft. Organisiert und eingeladen hatten Wirtschaftsförderung und Wunstorfer Werbegemeinschaft zusammen.
Die Experten Werner Herwig und Alexander Weßling präsentierten an diesem Abend zehn neue Technologien, die den Handel in Zukunft vereinfachen könnten und der Kundschaft „eine Rund-um-Erholung“ im Geschäft bieten sollen.
Darunter waren ein Dreihundertsechzig-Grad-Rundgang über ein digitales Spielerlebnis, Multisensorik, virtuelle Produktregale, intelligente Spiegel, elektronische Preisschilder, digitale Ladenplakate und vollintegrierte Bezahlsysteme. Auch ein Feedbacksystem wurde vorgestellt.
Es ging damit nicht um die Transformation des klassischen Einzelhandelskonzeptes hin zum Internetverkauf, sondern um digitale Prozesse, die den stationären Handel sichtbarer machen und unterstützen können. Präsentiert wurden damit viele Ideen, wie den „Kundinnen und Kunden von morgen“ nicht nur ein Einkauf, sondern ein Erlebnis geboten werden kann, und dabei auch noch gezeigt, wie damit die Abläufe im Einzelhandel vereinfacht werden können.
Ergänzt wurden die Technologien des „Digital Mobil“ durch einen Vortrag zum Thema „Point of Sale“, der kurz und knapp den Weg aufzeigte, welche Vorteile digitale Helfer bieten, wie diese einzusetzen sind und was es zu beachten gilt.
Citymanagerin Tanja Berg kann sich vorstellen, dass die Teilnehmer nicht nur Anregungen für ihre Geschäfte mitnahmen, sondern vielleicht auch weitere Aktionen daraus erwachsen: „Wir hoffen, dass wir mit unserem Infoabend ‚Digitale Innenstadt – neue Technologien für den Handel‘ dem einen oder anderen Einzelhandelsgeschäft Ideenimpulse geben konnten oder auch zu Kooperationsprojekten anregen können.“
Die Impulse will die städtische Wirtschaftsförderung aufrechterhalten: „Gerne stehen wir hier natürlich auch weiterhin beratend zur Verfügung“, so Berg.
Es ist unwahrscheinlich zu glauben, dass nun der große Aufschwung in Wunstorfs Innenstadt Fahrt aufnimmt.
Bedenkt man, wie oben erwähnt, dass dieses nicht die erste „Neuerungenschaft“ ist, die großartige Dinge und Ereignisse hervorbringen soll, taucht die Frage nach Sinn und Unsinn mehrfach auf.
Es gab Zeiten ohne „Citymanagern“ und Projektanalysten, in denen in dieser Stadt vieles besser lief, Geschäfte langjährigen Bestand aufwiesen und die Innenstadt ein wärmeres Flair aufwies.
Was künstlich erzeugt, fällt oft schnell in sich zusammen, weil oft ungern angenommen.
Anstatt diese Wege zu beschreiten, sollte die Stadt den Mut zur Selbstreflektion besitzen, die wahren Gründe der Flaute herausfinden.
Könnte man aus den vielen leerstehenden Läden nicht schöne innerstädtische Wohnungen machen?
Wann hört das Reiten des toten Pferdes endlich auf?
Es ist bemerkenswert, wie oft in Wunstorf „neue Technologien“ für den Einzelhandel angepriesen werden – und doch bleibt es stets bei ähnlichen Ansätzen, die bereits in der Vergangenheit von den Händlern kritisch hinterfragt wurden.
Schon 2022 wurde das „Internetkaufhaus Wunstorf“ angekündigt (Wunstorf soll ein Internetkaufhaus bekommen). Es sollte eine lokale Antwort auf Amazon und Ebay sein, doch bereits damals wurden Zweifel laut, ob sich solch ein Projekt wirklich rechnet – oder ob nicht eher die Beratungsfirmen profitieren.
Ein paar Monate später folgte die Weiterentwicklung der Idee mit „Thementischen“ zur Schaffung eines digitalen Marktplatzes (Internetkaufhaus Wunstorf: Thementische sollen Weg zum Digitalportal für den Einzelhandel ebnen). Händler äußerten erneut Bedenken, ob dies überhaupt einen Mehrwert bringt.
Nun, 2025, wird wieder über „digitale Lösungen“ geredet (Mobile Digitalisten bringen Wunstorfer Händlern neue Technologien näher): Multisensorik, virtuelle Regale, intelligente Spiegel, digitale Ladenplakate – erneut viele Buzzwords, aber keine echte Lösung für die eigentlichen Probleme des stationären Handels.
Warum keine echten Innovationen?
Anstatt das nächste Digitalprojekt durchzudrücken, warum setzt man nicht auf echte Maßnahmen, die die Händler direkt verstehen und unterstützen würden? Kostenlose Parkplätze in der Innenstadt wären eine Innovation, die wirklich Besucher anzieht. Dies wurde bereits mehrfach vorgeschlagen, aber stattdessen werden lieber Gebühren erhoben, die dann in fragwürdige Digitalprojekte fließen.
Soll hier ein Sündenbock konstruiert werden?
Angesichts der steigenden Zahl leerstehender Geschäfte in Wunstorf (Leerstand in Wunstorf) drängt sich der Verdacht auf, dass mit der Digitalisierung des Einzelhandels vor allem eines suggeriert werden soll: Der Leerstand sei allein die Folge einer fehlenden digitalen Transformation der Händler.
Dabei zeigen die Kommentare der Händler über Jahre hinweg, dass sie keineswegs grundsätzlich gegen digitale Lösungen sind – aber eben keine teuren, praxisfernen Spielereien wollen, sondern echte Unterstützung. Wer jetzt behauptet, dass die Digitalisierung der Läden die zentrale Lösung gegen den Leerstand sei, ignoriert bewusst andere Faktoren wie hohe Mieten, Verkehrsprobleme, ausufernde Bürokratie und ein verändertes Konsumverhalten.
Wann wird endlich verstanden, dass man den Einzelhandel nicht „digital retten“ kann, sondern die Kunden physisch in die Stadt holen muss? Man sollte sich fragen, ob man wirklich den Händlern helfen will – oder ob es hier nur um Fördergelder für Beratungsfirmen und Tech-Demos geht.