Wunstorf/Hannover (as). Bürgermeister Carsten Piellusch (SPD) betrat den Sitzungssaal im Rathaus fast in dem Augenblick, als der Ausschussvorsitzende Karl-Peter Philipps (CDU) den Tagesordnungspunkt „Zusammenlegung der Stadtsparkasse Wunstorf mit der Sparkasse Hannover zur Sparkasse Hannover“ mit den Worten aufrief, das sei „ja eine sehr emotionale Sache“. Philipps‘ Frage an den Ausschuss, ob jemand das Wort wünsche, blieb ohne Echo.
Piellusch stellte daraufhin detailliert dar, wie es aus seiner Sicht dazu gekommen ist, dass die Stadt ihre Hausbank verliert. Er wiederholte damit erstmals in der Öffentlichkeit, was er vor Lokaljournalisten bereits in einem Hintergrundgespräch vor Tagen und am Montagabend in mehreren Treffen mit Ratsfraktionen gesagt hatte. Seine Kernaussagen:
■ Die „kleine“ Wunstorfer Sparkasse stehe unter den 353 derartigen Instituten in Deutschland auf Platz 334. Alle kleinen Geldhäuser seien in strukturellen Schwierigkeiten: Bundesweit würden die „Altersabgänge“ bei 30 Prozent der Belegschaft liegen. In Wunstorf werde der Wert in naher Zukunft noch übertroffen.
■ Zusätzlichen Druck gebe es für alle Institute, weil die Digitalisierung und die verschärften Auflagen der Bankenaufsicht einen hohen Personaleinsatz erforderten – und vor allem hochqualifizierte Spezialisten. Piellusch wiederholte: „Rabatt für kleine Sparkassen gibt es nicht!“
■ Vor diesem Hintergrund und angesichts des Personalmangels in der Sparkasse Wunstorf habe sich die Frage nach der Neuordnung des Bankenstandortes Wunstorf gestellt. Also sei auch zu prüfen gewesen, ob zwei Sparkassen weiterhin sinnvoll seien.
■ Die Erhaltung der Stadtsparkasse habe von Anfang an für Stadt und Verwaltungsrat einen hohen Stellenwert gehabt. „Jede gangbare Lösung“ wäre realisiert worden, wenn es möglich gewesen wäre. Aber: Die Stellenausschreibungen hätten ebenso wenig zum Erfolg geführt wie der Einsatz von „Headhuntern“. Der Personalengpass habe nicht beseitigt und die Funktionsfähigkeit nur mit der Hilfe der Sparkasse Hannover aufrecht erhalten werden können. Piellusch betonte: Keine Entscheidung zur Bewältigung der Krise sei vom Sparkassenvorstand getroffen worden.
■ Wirtschaftlich stehe die Stadtsparkasse zurzeit gut da, und mit den hannoverschen Partnern sei ein gutes Ergebnis verhandelt worden. Die Pluspunkte: Eine lokale Stiftung mit einem Kapital von sechs Millionen Euro werde „deutlich mehr“ Förderungen von Projekten und Vorhaben in der Stadt ermöglichen als in der Vergangenheit. Der Zinsertrag des Stiftungskapitals werde mit mindestens 180.000 Euro jährlich beträchtlich sein. Mehr Sponsoring und mehr Spenden seien künftig möglich.
■ Die „baulichen Dinge“ stellten die Stadtsparkasse vor sehr große finanzielle Herausforderungen. Der Zustand der Hauptstelle am Marktplatz sei insgesamt schlecht, besonders kritisch sei die Energiebilanz. Die Bausubstanz nach 50 Jahren sei zum Teil marode: Das Glasdach sei undicht, die Mitarbeiter würden Eimer aufstellen, um Regenwasser aufzufangen. Sanierung und Neugestaltung der Hauptstelle würde das Institut „stark herausfordern“: 15 Millionen müssten investiert werden – in Zeiten schrumpfender Erträge. Nach dem Zusammenschluss werde die Sparkasse Hannover die Ausgaben übernehmen, um ein neues Gebäude zu bauen. Die aktuellen Pläne würden überarbeitet und den neuen Bedürfnissen angepasst: Vorstandszimmer seien künftig nicht mehr nötig. Dafür entstehe ein Mehrzweckraum mit öffentlichem Zugang.
■ Ende des ersten Quartals 2025 solle der Bauantrag vorgelegt werden. „Und dann wird gebaut!“ Es entstehe ein komplettes Beratungszentrum mit erweiterten Leistungen und professioneller Besetzung.
■ Für die Geschäftsstellen in Luthe und Steinhude gebe es eine dreijährige Bestandsgarantie. Dann werde erneut entschieden. Für Kolenfeld werde die Aufstellung eines Geldautomaten geprüft.
■ Das Personal könne bis auf wenige Ausnahmen in Wunstorf bleiben und von verbesserten Arbeitsbedingungen profitieren, ebenso von tariflichen Vorteilen.
■ „Ganz wichtig“, weil von finanziellem Vorteil für Wunstorf, werde die Partnerschaft mit Hannover bei der Einrichtung einer Immobilien-Entwicklungsgesellschaft sein, die die Sparkasse als Option anbiete. Im Gegensatz zu heute und zur aktuellen Immobiliengesellschaft der Stadtsparkasse werde die Stadt in dem neuen Unternehmen Einfluss nehmen können. Das biete viele Chancen und steigere die Handlungsmöglichkeiten. Das gelte auch für den aus Hannover angebotenen Erwerb der Parkgarage der Stadtsparkasse zum Buchwert.
Piellusch ging in seinem Bericht – vorgetragen mit großem Ernst und deutlicher Anspannung – über die Darstellung der Verhandlungen und der Ergebnisse hinaus. Vieles, „was zu lesen war“, stimme nicht. Energisch wandte er sich gegen „Legendenbildungen“. „Wer hat die Verhandlungen geführt?“, fragte er rhetorisch in die Runde. Knappe Antwort: „Der Bürgermeister.“ Das Gewerbesteueraufkommen der Sparkasse sei abhängig von deren Ertragskraft und schwanke von Jahr zu Jahr. Mit einem Rückgang der Steuerzahlungen an die Stadt sei angesichts der bevorstehenden Verbesserung der Leistungsfähigkeit, des Services und der Angebote nicht zu rechnen. Die Sparkasse Hannover wolle und werde den Personalbestand hoch halten und das Geschäft erweitern. Sie profitiere dabei von der guten Marktposition der Stadtsparkasse in der Stadt. Im Übrigen müsse berücksichtigt werden, dass vom Gewerbesteueraufkommen nur 22 Prozent in Wunstorf bleiben. Der Löwenanteil werde zum Beispiel an die Region Hannover über die Regionsabgabe weitergeleitet, hatte Piellusch schon Tage zuvor im Gespräch mit Lokaljournalisten klargestellt.
Die Stellungnahmen der Sprecherinnen und Sprecher von CDU, SPD, Grünen und FDP in der öffentlichen Finanzausschusssitzung fielen knapp aus: „Vom Herzen her“ betrachtet sei der Zusammenschluss ein Verlust, erklärte Christiane Schweer für die CDU. Realistisch gesehen seien Fusionen und Übernahmen „im Trend“. Es sei gut verhandelt worden, und die nun bekannten Eckpunkte stellten das Maximum des Möglichen dar. Die Zusammenlegung sei ein „guter Weg“, dem die CDU zustimme.
Nach Ansicht der SPD ist für Personal und Kunden die sinnvollste und beste Lösung verhandelt worden. Ihr Sprecher Rolf Herrmann kündigte ebenfalls Zustimmung an, auch wenn der Schritt zu bedauern sei.
Mit „einem blauen Auge“ ist die Stadt als bisheriger Gewährträger der Sparkasse nach Meinung der Grünen davongekommen. Für die Immobiliengesellschaft sagte Dustin Meschenmoser die Unterstützung seiner Fraktion zu. Den „Mehrwert“ beim Erwerb des Parkhauses sehe er nicht. Es müsse geklärt werden, in welchem Zustand die Tiefgarage sei.
Für einen Moment kam Spannung in die ansonsten ruhige Beratung des Vertragsentwurfs: FDP-Mann Klaus Maurer warf die Frage auf, ob „man nicht früher hätte handeln müssen?“ Bürgermeister Piellusch reagierte sofort und deutlich: „Der Verwaltungsrat hat gehandelt! Also: Nein!“ Das Gremium habe keinen Einfluss auf das „operative Handeln“ der Sparkasse. Sein schärfstes Schwert seien Personalentscheidungen, und in diesem Bereich habe der Verwaltungsrat gehandelt. Unausgesprochen blieb, was Piellusch meint: Im Februar ist der Vertrag mit Sparkassenchef Heiko Menz nicht verlängert worden.
Der Ausschuss stimmte geschlossen für die Zusammenlegung der Kassen zum 1. Januar 2025. Das Thema wird erneut am 23. September in Verwaltungsausschuss beraten und am 25. September im Rat der Stadt abschließend behandelt. Wenige Stunden vor dem Wunstorfer Ausschuss hatte die Regionsversammlung dem Verhandlungspaket ebenfalls zugestimmt – ohne Wortmeldungen, ohne erläuternden Bericht. In der 84-köpfigen Versammlung stimmten zwei Abgeordnete mit Nein und drei mit Enthaltung.
Das Niveau der Kommentatoren ist erschreckend.
Was hat denn der prozentuale Anteil der Gewerbesteuer mit dem Zusammenschluss zweier kommunaler Kreditinstitute zu tun?
Als Stadt mit einer Sparkasse in eigener Trägerschaft geht der Löwenanteil an die Region Hannover; mit einem Standort einer Sparkasse mit einem Hauptsitz in Hannover verbleiben knapp 1/4 des vor erwirtschafteten Steueraufkommens vor Ort. Von der Regionsumlage als Haupteinnahmequelle der Region als Kreiskörperschaft wohl noch nie was gehört, aber hier große Töne spucken.
Wenn ein Sozi den Verwaltungsrat einer Bank „leitet“, dann kann das schon mal zu einer feindlichen Übernahme führen und nicht zu einer Fusion, wie hier immer herumgelogen wird.
Und dies mit der Folge, dass der Stadt Wunstorf ab sofort nur noch 22 ProzentGewerbesteueraufkommen verbleiben und die anderen 78 Prozent nach Hannover verloren gehen und Wunstorf nicht mehr zur Verfügung stehen.
Bravo Piellusch.