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Bewegende Szenen auf dem Fliegerhorst Wunstorf: Letztes deutsches Mali-Kontingent kehrt nach Hause zurück

16.12.2023 • Redaktion • Aufrufe: 3928

Es war der gefährlichste und größte Einsatz der Bundeswehr in Afrika: Die Beteiligung an der UN-Friedensmission in Mali hat mit der Rückkehr der letzten Soldaten am Freitag nach Wunstorf ihr Ende gefunden.

16.12.2023
Redaktion
Aufrufe: 3928
Versteckte Herzensgeste: Kontingentführer Oberst Bohnsack dankt seinen Leuten | Foto: Deppe/Dombrowski

Wunstorf (nd/dd/ds). Wer kann spontan sagen, wo genau Mali liegt? Oder wie die Hauptstadt des afrikanischen Landes heißt? Es scheint so weit weg zu sein von Deutschland, dass eine seiner Städte sogar in diversen Timbuktu-Redewendungen vorkommt. Und nein, das ist nicht die Hauptstadt. Genau beantworten könnten es die deutschen Soldaten, die nicht am Ende der Welt, sondern mitten in Westafrika waren und im Rahmen der UN-Friedensmission „MINUSMA“ helfen sollten, das Land zu stabilisieren.

Applaus brandet bereits auf, als die erste Maschine mit den Mali-Heimkehrern landet, das letzte Kontingent nach Deutschland zurückverlegt wird. Um 15.06 Uhr setzt der erste A400M der Luftwaffe auf der Rollbahn auf, kurz darauf fliegen schon die nächsten Maschinen ein, darunter auch ein Airbus A330 mit niederländischem Hoheitszeichen – eine militärische Passagiermaschine im multinationalen NATO-Verband. Insgesamt 304 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr steigen aus – diejenigen, die bis zuletzt in Mali geblieben waren. „Camp Castor“, das Feldlager nahe der Stadt Gao, war noch bis diese Woche unter deutscher Kontrolle.

Ankunft in Wunstorf | Foto: Deppe/Dombrowski
Die Soldaten werden erwartet | Foto: Deppe/Dombrowski
Ausstieg aus dem A400M | Foto: Deppe/Dombrowski
Etwas komfortabler als die A400M-Sitze: Ankunft des niederländischen NATO-A330 | Foto: Deppe/Dombrowski
Video: Überbrückung mit Highland Cathedral für die Wartenden

Unter großem Applaus der Wartenden und den Klängen des Heeresmusikkorps Hannover steigen die Soldatinnen und Soldaten aus den Maschinen und marschieren zum feierlichen Rückkehrappell in den großen Hangar am Vorfeld. Mit dem blauen Barett der UN-Friedensmission auf den Köpfen, geht es im Gleichschritt zur Appellaufstellung. Angehörige stehen dicht gedrängt, Kinder haben Willkommensschilder gemalt. Der NDR überträgt live, das Fernsehen reiht Kamera an Kamera, die eingeflogene Hauptstadtpresse drängt sich um die besten Bilder, und auch das Team der Auepost ist zwischendrin.

Das Warum nicht ausgeklammert, das Persönliche im Vordergrund

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) empfängt die Soldaten und findet die richtigen Worte. Die Szene ist bereits bewegend, nicht erst, seit die Heeresmusiker „Highland Cathedral“ angestimmt haben. „Willkommen zurück, Soldatinnen und Soldaten“, ruft Pistorius in die Halle. „Guten Tag, Herr Minister“, schmettern die Angetretenen protokollgemäß zurück. Doch dann wird es herzlicher: „Schön, dass Sie alle wohlbehalten zurück sind.“ Pistorius begrüßt die Soldaten ohne Floskeln: „Ich freue mich, Sie noch vor Weihnachten hier in Wunstorf, hier zu Hause begrüßen zu dürfen.“ Hervorgehoben werden die Leistungen, geachtet die persönlichen Risiken, die die Bundeswehrangehörigen mit diesem Einsatz auf sich genommen haben.

Kontingentführer Bohnsack meldet sich zurück aus Mali. Erleichterung und wirkliche Freude beim Verteidigungsminister. | Foto: Deppe/Dombrowski
Boris Pistorius begrüßt Oberst Bohnsack | Foto: Deppe/Dombrowski

Die im Raum stehende Frage, ob der Einsatz überhaupt einen Sinn hatte, wird nicht ausgeklammert. Pistorius beantwortete es später vor Journalisten mit einer Gegenfrage: Wie sähe Mali heute aus, wenn die MINUSMA-Mission nicht dort gewesen wäre? Die Soldaten hätten ihre Aufgabe erfüllt, der Einsatz sei weder umsonst noch unbeachtet gewesen, sagt Pistorius bereits in seiner Ansprache, ohne die Sache schönzureden: „Wir hatten nicht den Erfolg, den wir uns gewünscht haben.“ Der Abzug wird letztendlich als konsequente und richtige Entscheidung gesehen angesichts der Entwicklungen in Mali.

Wunstorfs Bürgermeister Carsten Piellusch (SPD) bleibt beim eisernen Lächeln, als Pistorius sich bei der Begrüßung verhaspelt, ihn erst Piehlusch, dann Pillusch nennt und Staatsminister Thomas Lindner (Grüne) ihn kurz darauf noch zum Oberbürgermeister „befördert“. Tatsächlich ausgezeichnet werden von Pistorius mehrere Offiziere, darunter Kontingentführer Oberst Heiko Bohnsack, der dafür verantwortlich gewesen ist, noch rechtzeitig zum Fristende – dem Jahresende – die Zelte in Mali in möglichst geordneten Bahnen abzubrechen. Ursprünglich war der Einsatz bis Mai 2024 geplant.

Wo sind die Politiker?

Wären die Angehörigen und Kameraden der Soldaten nicht gewesen – der Appell wäre wenig feierlich ausgefallen. Die Außenministerin ist nicht gekommen, für das Außenministerium spricht Lindner die Grußworte, der ebenfalls das Warum thematisiert. Die Region zu stabilisieren, Terrorismus entgegenzuwirken, Migrationsursachen zu beseitigen – es ist nicht gelungen. Die Bedingungen waren schwer: „Sie konnten in Mali nicht immer das tun, wofür wir Sie in dieses Land geschickt haben.“

Formeller Teil | Foto: Deppe/Dombrowski
Angetretene Mali-Heimkehrer | Foto: Deppe/Dombrowski
304 deutsche Soldatinnen und Soldaten der UN-Mali-Mission im Wunstorfer Fliegerhorst-Hangar | Foto: Deppe/Dombrowski
Video: Angetreten zum Rückkehrappell
Verleihung von Einsatzmedaillen | Foto: Deppe/Dombrowski
Dekoriert | Foto: Deppe/Dombrowski

Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) ist wie immer unter den Beiwohnenden, auch die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD). Aber das Erscheinen nur weniger Bundestagsabgeordneter bei einer Heimkehr der deutschen Parlamentsarmee ist erneut derart auffällig, dass Pistorius sich offensichtlich genötigt sieht, es bewusst anzusprechen. Der Verteidigungsminister entschuldigt die Abwesenheit weiterer Parlamentarier mit Hinweis auf den Berliner Politikbetrieb.

Video: Die Nationalhymne
Wiedersehen mit Freunden und Familie | Foto: Deppe/Dombrowski

Die Rückkehr der Soldaten aus der insgesamt gescheiterten Mali-Mission ist kein Termin, der für glanzvolle Bilder taugt, nicht für die Bestätigung politisch erfolgreicher Entscheidungen. Aber sie steht für eindringliche Bilder, für das, was die Soldaten, die Menschen direkt betrifft und bewegt, auch für den Respekt innerhalb der Bundeswehr selbst, der den Kameradinnen und Kameraden zukommt. Das wird am Freitag in Wunstorf überdeutlich.

Über 20.000 Soldaten waren während der Friedens- und Stabilisierungsmission MINUSMA in den vergangenen 10 Jahren im Einsatz, die Bundeswehr war mit einer permanenten Stärke von 435 Kräften vor Ort. 3 deutsche Soldaten verloren ihr Leben, insgesamt starben über 200 Blauhelmsoldaten während der Mission. Bei einem Selbstmordanschlag auf die Bundeswehrsoldaten im Sommer 2021 wurden 12 Soldaten verletzt.
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Kommentare


  • Grit D. sagt:

    Über den Einsatz selbst dürfte noch sehr viel und oft diskutiert werden- in wohl sehr vielen Bereichen und nicht weniger unter den Soldatinnen und Soldaten, die in dem Einsatz eingebunden waren.
    Nicht wenige Diskussionen werden im eher privaten Rahmen geführt werden.

    Weder Feindin noch Frwundin unserer Politikerinnen und Politikern-
    Boris Pistorius nehme ich als mit am positivisten in der politischen Riege wahr.
    Nicht „nur“ hier bei der Heimkehr der beteiligten Einsatzkräfte- grundsätzlich kommt er bei mir nicht schlecht weg.

    Interssiert hier eher wenig?
    Völlig in Ordnung.
    Mit meiner Meinung/Ansicht jedoch werde ich NICHT hinter dem Berg halten!

  • Basti g. sagt:

    Bohnsack mit dem merkelherz das sieht geübt aus !

  • Peter Wallenhauer sagt:

    Das waren herzergreifende Szenen bei der Rückkehr der Soldaten. Wir sind aber nicht die Weltretter. Jede einzelne Regierung ist für das Wohl seiner Bürger selbst verantwortlich. Dabei muß Korruption und diktatorisches Auftreten und Wahlbetrug bekämpft
    werden. Auch negative Einflüsse von außen sind inakzeptabel.

  • Bernd-Michael Rosenbusch sagt:

    Der Einsatz war nicht nur teuer, sondern auch gefährlich. Und wir können Gott nur danken, dass nicht mehr passierrt ist. Deutschland täte gut daran, sich von der „Weltrettermentalität“ zurückzuziehen. Mit unserem Verständnis von Humanität können wir in Ländern, in denen Terror und Diktaturen herrschen nichts ausrichten. Warum das Leben unserer Soldatgen sinnlos gefährden? Auich wenn in diesen Ländern Chaos und Hunger herrschen scheint auch dank unserer Rüstungsindustrie immer noch genug Geld da zu sein, um Waffen zu kaufen.
    Ein absolutes Waffenverbot für solche Länder wäre angebracht. Aber dann schreit ja mal wieder die unsägliche Waffenlobby.

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