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Eine stürzende TV-Moderatorin und ein Hauch von Last Night of the Proms – 100 Jahre Hölty-Gymnasium

24.09.2022 • Daniel Schneider • Aufrufe: 7449

Hundert Jahre Hölty-Gymnasium Wunstorf: Am Freitag fanden die Feierlichkeiten ihren Höhepunkt mit dem Ende der Schulprojektwoche und dem großen Festakt. Frauke Ludowig war für die Moderation des abendlichen Jubiläumsempfangs gewonnen worden – eröffnete den Abend jedoch anders als geplant.

24.09.2022
Daniel Schneider
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Bürgermeister Piellusch überreicht Schulleiter Heizmann das „Geburtstagsgeschenk“ der Stadt | Foto: Daniel Schneider

Wunstorf (ds). Kann man eine Schulsporthalle in einen Jubiläumsfestsaal verwandeln? Man kann. Hunderte Luftballons in Silber, Blau und Gold spiegelten die alten Schulfarben wider, Traversen und Bühne samt „Orchestergraben“ bei nur spärlicher Hallenbeleuchtung schufen feierliche Event-Atmosphäre für die gut 270 geladenen Gäste. Und nicht nur die Optik stimmte, auch die Gäste waren hochkarätig:

Schulleiter Jobst Heizmann hatte sich persönlich darum bemüht, die RTL-Fernsehmoderatorin und ehemalige Hölty-Schülerin Frauke Ludowig für die Moderation des Festaktes zum 100-jährigen Geburtstag des Wunstorfer Gymnasiums zu gewinnen. Überredet werden musste sie nicht, das sei „Ehrensache“ gewesen, sagte Ludowig im Gespräch mit der Auepost. Die RTL-Moderatorin ist die bekannteste Absolventin der Schule und trotz ihrer Kölner Fernsehkarriere weiterhin in Wunstorf verwurzelt, hat in der Hindenburgstraße nach wie vor ein Domizil – 50 Meter von der Schule entfernt. Damals der „ideale Schulweg“, wie sie berichtete.

Die erste Reihe: Kultusminister, Erste Stadträtin, Regionspräsident, Bürgermeister, Landtagsabgeordnete | Foto: Daniel Schneider

Doch den Abend eröffnete Ludowig anders als erwartet: Kurz nach den ersten Worten und den ersten Schritten auf der abgestuften Bühne wurden ihr die hochhackigen Schuhe zum Verhängnis – Ludowig stürzte und landete auf dem Boden. Für die Halle ein „Schreckmoment“ (Heizmann). Ganz Fernsehprofi, fing sich Ludowig jedoch sofort wieder („Hat das jemand gefilmt? Ich möchte mir das später selbst ansehen …“) und überspielte den Fauxpas zunächst, um ihn im folgenden Programm jedoch gewitzt zum roten Faden ihrer Moderation werden zu lassen.

Das Hölty-Gymnasium wurde 1922 zunächst als Aufbau-Schule für Jungen gegründet, der erste Jahrgang resultierte 1928 in 7 Abiturienten. Bis heute haben inzwischen ca. 7.000 Schülerinnen und Schüler das Abitur abgelegt.

Abitur vor 72 Jahren

Besonders begrüßt und vorgestellt als ältester lebender Abiturient des Hölty-Gymnasiums wurde am Freitagabend Kurt Lührig, der auf einem Ehrenplatz in der ersten Reihe saß. Der 92-Jährige hatte 1950 sein Abitur am Hölty abgelegt. Er berichtete von den damaligen Zeiten nach dem Krieg, als man Kohlen mit in die Schule brachte, damit geheizt werden konnte, und schloss pointiert: „Vielleicht kommt das jetzt wieder.“

Abitur 1950 am Hölty: Frauke Ludowig interviewt Kurt Lührig | Foto: Daniel Schneider

Jobst Heizmann überreichte ihm eine „Platin+-Urkunde“. Nicht nur die geladenen Ehrengäste konnten über ihre Schulzeit am Hölty berichten, auch auffallend viele Gratulanten aus Politik und Verwaltung hatten einen direkten Bezug zum Gymnasium: Bürgermeister Carsten Piellusch gehört zum Abijahrgang 1985. Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne und Regionspräsident Steffen Krach hatten zwar das Hölty nicht besucht – Ersterer war jedoch einst in Petershagen vom heutigen Hölty-Schulleiter Heizmann unterrichtet worden, als der dort noch Lehrer war (Tonne: „Schön, Sie mal wiederzusehen“), und Zweiterer berichtete, dass sein Vater Lehrer am Hölty gewesen war. Auch heutige Lehrer am Hölty haben dort einst Abitur gemacht: Inga Mast, die als Sekundarstufe-I-Koordinatorin jetzt selbst Teil der Schulleitung ist, legte es hier 1997 ab.

Auf die Bildung an sich ging Sven Ambrosy, Hölty-Abijahrgang 1989, heute Landrat im Landkreis Friesland, ein, und stellte Gesundheit und Bildung gleich: Es seien „Zwillinge, die unser Leben maßgeblich beeinflussen“. Dr. Ulf Skirke, Abijahrgang 1968, Mitbegründer und Politiker des Zukunftsrats Hamburg, appellierte – insbesondere an die Medien – in seinem Grußwort mit einem Zitat an die häufigere Hervorhebung des Unscheinbaren, aber Wichtigeren: „Der Baum, der fällt, macht sehr viel mehr Lärm als der Wald, der wächst“ – und erhielt Spontanapplaus.

Kultur- und Medienvielfalt

Brillant die Darbietung von Tänzern, Chören und Orchester. Das „Hölty Festival Orchestra Wunstorf“, zusammengesetzt aus Musikschulorchester und Hölty-Orchester, intonierte Pomp and Circumstance – und zum krönenden Abschluss Beethovens Neunte. Vor allem die derzeitige Schülergeneration war es damit, die den Abend in ein Konzert verwandelte: Große Resonanz fand auch das von den Hölty-Chören vorgetragene „Banaha“, ein Kanon aus dem Süd-Kongo. Den Abend eröffnet hatte der „Hölty-Kammerchor“ aus Ehemaligen, Schülern, Lehrern und Gästen.

Das „Hölty Festival Orchestra Wunstorf“ mit Pomp and Circumstance
Modern Dance – mit Schülern aus dem 10. bis 13. Jahrgang | Foto: Daniel Schneider

Neben Frauke Ludowig hat das Hölty weitere bekannte Medienschaffende hervorgebracht: Zum Beispiel Christoph Oppermann, Chefredakteur der Madsack-Regionalzeitungen in Ost-Niedersachsen, Abitur am Hölty 1987, Tagesschausprecherin Astrid Vits oder Klaus Wallbaum. Auch Auepost-Autor Achim Süß, Abijahrgang 1970, ist ein echter Höltyaner.

Frauke Ludowig steuerte natürlich ebenso ihre Erinnerungen an die Schulzeit bei: Sie sei nicht nur auf dem Hölty zur Schule gegangen, sondern habe einst auch die Frikadellen des elterlichen Fleischereibetriebs mit in die Schulcafeteria bringen müssen. Die Mitschüler, die die Frikadellen wählten, „rochen danach etwas nach Zwiebeln“, was aber noch nicht als Störung des Unterrichts gegolten habe. Ihren Spitznamen „Frifra“ habe sie dadurch erhalten – Frikadellen-Frauke. Und natürlich würde man heute bei Fleischerei Ludowig – der Betrieb wird von ihrem Bruder weitergeführt – gute Frikadellen kaufen können, brachte sie zum Amüsement der Halle gleich etwas Werbung unter.

Tückische Bühne in Treppenform …
… denn dort stand auch der Chor | Fotos: Daniel Schneider
Frauke Ludowig moderiert unbeirrt weiter | Foto: Daniel Schneider
Erst seit 1974 befindet sich das Hölty in Trägerschaft der Stadt Wunstorf. 2016 fusionierte man mit dem Gymnasium Steinhude, was 2019 die Schaffung einer Außenstelle im Luther Weg nötig machte, als das Schulgebäude in Steinhude aufgegeben wurde. 2023, wenn der neue Anbau am Hauptgebäude fertiggestellt ist, sollen alle Schüler wieder unter einem Dach lernen.

Würdigung für Peter Bertram

Die Schulgeschichte lebte an vielen Stellen wieder auf. Dabei häufig als zentrale Figur genannt: Der kürzlich verstorbene ehemalige Schulleiter Peter Bertram, der das Hölty mit seiner Art und Aura über Jahrzehnte geprägt und geformt hatte. 28 Jahre lang war er Schulleiter gewesen. Bertram habe das Hölty mit Schüleraustauschen zeitweise zum größten Reisebüro in der Region gemacht, blickte etwa Oppermann mit trockenem Humor zurück. Bertram habe gleichsam als Politiker auch gewusst, „was die Kreisschulbaukasse abkann und was nicht“, so dass das Hölty – im positiven Sinne – eine Dauerbaustelle gewesen sei. Wie es heute sei, das wolle er sich später während des Sektempfangs einmal ansehen, ließ er die Antwort offen. Nebenbei sei Bertram dafür verantwortlich gewesen, dass die Wunstorfer Innenstadt so aussehe, wie wir sie heute kennen, dass sie „zur guten Stube der Stadt“, zur gern besuchten Innenstadt wurde. Seine Leistung sei es gewesen, alle Beteiligten dafür unter einen Hut zu bringen. Oppermann regte an, ihm in der Stadt ein Denkmal zu setzen. „Verdient hätte er es allemal“.

Das Hölty Festival Orchestra Wunstorf und die Chöre | Foto: Daniel Schneider

Ein besonderer Moment der Trauer hatte sich zuvor über die Halle gelegt, als Schulleiter Heizmann berichtete, dass Bertram für den Festakt angemeldet war – aber das Jubiläum nun nicht mehr miterleben konnte. Stattdessen nahm seine Tochter am Festakt teil.

Projektwochenergebnisse am Tag der offenen Tür

Während am Freitagabend nur geladene Gäste Einlass fanden, hatte die gesamte Schule am Vormittag das Jubiläum als Schulfest begangen, das auch als Tag der offenen Tür verstanden wurde. In den zurückliegenden Tagen hatten sich alle Jahrgänge mit den unterschiedlichsten Projekten beschäftigt, die am Freitag sich gegenseitig und der Öffentlichkeit präsentiert wurden. In ganzen 50 Räumen wurde von Creative Journaling über Ehemaligenfotos bis Upcycling experimentiert, dokumentiert, gestaltet und inspiriert.

Andrang am Zuckerwattestand in der Pausenhalle | Foto: Daniel Schneider
Schulpastorin Nikola Lenke (li.) mit Ursula Jungbluth und Frank Löffler von der Tafel | Foto: Daniel Schneider

Auch die Tafel Wunstorf war vor Ort, denn „Mach mit – Hilfsprojekte vor Ort und in der Welt“ war eines der Schulprojektwochenthemen, wie Schulpastorin Nikola Lenke berichtete: 33 Kisten mit Lebensmitteln hatten vor allem die jüngeren Jahrgänge zugunsten der Tafel gesammelt. Fünftklässler Ole kam am Freitagmorgen noch direkt zum Stand in der Pausenhalle und holte eine Spende für die Tafel aus dem Schulrucksack. Ursula Jungbluth und Frank Löffler von der Tafel waren sichtlich bewegt angesichts des Engagements – eine andere Schülerin hatte kurz davor von sich aus eine kleine Geldspende an die Tafel gegeben, berichtete Jungbluth.

Das Schuljubiläum war ein besonderes und wird nicht nur deswegen in Erinnerung bleiben, weil Frauke Ludowig von der Bühne fiel. Vom Kulturzelt über Projekte bis zum Festakt: Schüler und Kollegium haben Bemerkenswertes geleistet und die Schule als elementaren Teil der Stadt präsentiert. Um es mit den Schlussworten des Schulleiters zu sagen: Man ist zuversichtlich für die nächsten 100 Jahre.

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Kommentare


  • M. Panskus sagt:

    Ein toller und ausführlicher Bericht mit passender Bebilderung (aus Sicht einer Hölty-Lehrkraft)! Vielen Dank!

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