Überschaubar war ihre Zahl – knapp einhundert Teilnehmer fanden zur Demonstration am vergangenen Samstag, aber anschaulich waren ihre Zahlen: An den gewaltigen Dimensionen, die eine neue ICE-Strecke östlich von Wunstorf verursachen würde, ließen die Bürgerinitiativen keinen Zweifel. Auf acht Milliarden werden die Kosten für den hiesigen Abschnitt zugunsten des „Deutschlandtaktes“ geschätzt, fußballfelderweise Land würde benötigt.
Die Bürgerinitiativen aus Groß Munzel, Kolenfeld und der Samtgemeinde Nenndorf hatten am 2. März zur Demonstration in Groß Munzel aufgerufen – an der Stelle, an der am wahrscheinlichsten in Zukunft ICEs zwischen Hannover und Bielefeld durch die Landschaft fahren könnten. Anlass war der bundesweite Aktionstag des ABBD, eines Zusammenschlusses von inzwischen 30 Bürgerinitiativen gegen die Bahnpolitik. Motto: „Bürgerbahn statt Größenwahn“. Zur gleichen Zeit fanden entlang der geplanten Neubaustrecke weitere Protestaktionen im Auetal und in Ostwestfalen-Lippe statt.
“Wir haben diesen Ort für unsere Protestkundgebung gewählt, weil eine mögliche Trasse zwischen Kolenfeld und Groß Munzel hier verlaufen wird, nachdem die Bahn nur noch Ausfädelungen im Bereich Lohnde betrachtet”, sagt Gerald Schroth, Vorsitzender der Bürgerinitiative Munzel.
Der ABBD fordert ein Umdenken in der Verkehrspolitik, weg von den gigantischen neuen Hochgeschwindigkeitstrassen für den Fernverkehr, den nur 5 Prozent der Bahnreisenden nutzen, hin zu einer bürgernahen und finanzierbaren Bahnpolitik.
Nahe der L392, am Feldrand hinter den Gewerbegebäuden, kam man zusammen. Mitgebracht hatten die örtlichen Bürgerinitiativen Anschauungsmaterial auf großen Karten, auf denen sich die Teilnehmer über mögliche Verläufe der geplanten Trasse durch die Region informieren konnten. Dies war tatsächlich eine der häufigsten Fragen: Wo genau wird die Strecke wohl gebaut werden?
Fest steht das noch nicht, die Planungen sind weiterhin grob in Korridore unterteilt. Doch es zeichnet sich mittlerweile ab, dass ein Streckenverlauf, wenn es zum Neubau kommt, offenbar östlich der A2 am sinnvollsten wäre. Damit wäre Groß Munzel direkt betroffen – aber auch aus Kolenfeld würde man auf die neue Trasse schauen.
Die Bahn plant die Neubaustrecke zwischen Hannover und Bielefeld, um im Rahmen des Deutschlandtaktes 17 Minuten einzusparen und die für die Verkehrswende erforderliche Kapazitätserhöhung sicherzustellen. Trotz der Kürzungen der Haushaltsmittel durch den Bund gehen die Planungen der Bahn ungebremst weiter, eine mögliche Realisierung wird sich aber deutlich nach hinten verschieben, so dass kaum vor 2050 mit der Fertigstellung zu rechnen ist.
Zwei Kernargumente sind es, die die Bürgerinitiativen gegen eine ICE-Neubaustrecke vorbringen: Ein Ausbau der Bestandsstrecke – im Falle von Wunstorf wäre das mitten durch die Stadt – wäre problemlos möglich und umweltfreundlicher sowie nachhaltiger als der Bau eines völlig neuen Hochgeschwindigkeitsabschnittes für einen Fahrzeitgewinn von nur wenigen Minuten.
Außerdem, so Argument 2, sollte das Geld besser in den Ausbau des Nahverkehrs gesteckt werden. Denn es bringe wenig, die Fernverbindungen immer schneller zu machen, wenn die so gewonnene Zeit beim Umsteigen in den Anschlusszug wieder verloren geht – so brachte es etwa Jörg Nohl für die Bürgerinitiative Kolenfeld auf den Punkt. Die Rechnung, mit schnelleren Fernzügen signifikant mehr Menschen vom Flugzeug auf die Schiene zu bekommen, würde ebenfalls nicht aufgehen, ist man in der Initiative überzeugt.
Gegen den Umweltschutz will man sich nicht ausspielen lassen. Dazu richtete Schroth auch die Worte direkt an – das nicht anwesende – Fridays for Future: Mit dem Bau einer solchen Strecke würde es gerade keinen Beitrag zur Klimawende geben, sondern im Gegenteil würde über eine Million Tonnen CO2 erzeugt, das durch den Betrieb der Strecke nicht mehr ausgeglichen werden könnte.
Katrin Hösl von der Bürgerinitiative Samtgemeinde Nenndorf und Schroth kritisierten eine fehlende echte Bürgerbeteiligung – man bekäme Entscheidungen trotz Beteiligungsverfahren in den vergangenen Jahren letztlich nur vorgesetzt. Hösl führte die immensen Kosten an und holte auch zu allgemeiner Bahnkritik aus: Aus dem Bad Nenndorfer Raum würde mit dem Bus nach Haste gefahren, dort mit Verspätung gestartet – und dann in Hannover der Fernzug verpasst, trotz Halbstundentakt. Da helfe auch keine Zeitersparnis auf der Strecke, man sitze stattdessen im Bahnhof herum.
„Einfach mal pünktlich bei Oma und Opa ankommen“
Katrin Hösl
Bei diesem Problem müsse die Politik ansetzen und nachhaltig planen, man brauche vernünftige Züge auch aus den kleinen Orten zu den Knotenpunkten. Wie der letzte Zug sei auch die Bahn selbst abgefahren, so das Urteil der Suthfelderin. „Einfach mal pünktlich bei Oma und Opa ankommen“, formulierte sie den Wunsch an die Bahn und konstatierte: „Die Bahn hat es einfach versaut.“
Schroth wiederum sprach auch die großen Stromtrassen und das Stromkreuz an, die in der Gegend geplant sind und die die Landschaft durch entsprechende Bauten ebenfalls in der Zukunft belasten würden. Man sei nicht gegen Modernisierung der Infrastruktur und Energiewende – aber wolle eine Planung, die auf Verantwortung, Transparenz und echte Bürgerbeteiligung setze. Die Verknüpfung mit dem Thema Stromtrassen fanden andere aus den Bürgerinitiativen jedoch nicht zielführend, man sollte die Themen nicht vermischen, war zu hören.
„Ja zum Ausbau, aber Nein zur ICE-Trasse“
Jörg Nohl
„Ja zum Ausbau, aber Nein zur ICE-Trasse“, so formulierte es Nohl gegenüber der Menge. Die Strecke Wunstorf und Minden müsse dringend um weitere Gleise erweitert werden, um mehr Kapazität zu schaffen. Ein Neubau käme aber eindeutig zu spät. Deshalb solle die Bahn die für 2030 geplante Generalsanierung auch nutzen, um die Bestandsstrecke entsprechend auszubauen.
Statt jahrzehntelang auf eine Hochgeschwindigkeitsstrecke zu warten, solle jetzt ein umweltfreundliches Bahnnetz in den Fokus genommen werden, ohne Zerstörung von Natur, Flächenversiegelung und Zerschneidung landwirtschaftlicher Flächen.
einerseits über die Bahn zu meckern und andererseits gegen eine Ausbaustrecke zu demonstrieren, finde ich persönlich etwas widersprüchlich. Die Strecke Hannover. Bielefeld ist leider schon so überlastet, dass ich in den letzten Jahren auch kleine Fehler zu großen Verspätungen ausgewirkt haben. Ich befürchte um einen Neubau und einer parallel Route wird man nicht herum kommen. Das Beispiel der Strecke Hannover Hamburg und eine nicht durchgeführte Y Trasse sind meiner Meinung nach ein Beispiel dafür wie es nicht laufen sollte.