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Mit 5 km/h über die Bundesstraße: Die Bauernproteste in Wunstorf

08.01.2024 • Daniel Schneider • Aufrufe: 7384

Die Landwirte aus Stadt und Region haben sich am heutigen Montag den bundesweiten Bauernprotesten angeschlossen und sind wortwörtlich auf die Straße gegangen: Mit Sternfahrten am Vormittag wurde der Verkehr in Wunstorf blockiert. Es war der Auftakt zu vielfältigen Protestaktionen und legte den Berufsverkehr teilweise lahm.

08.01.2024
Daniel Schneider
Aufrufe: 7384
Traktoren auf Sternfahrt in Wunstorf

In knackiger Kälte bei trockenen minus vier Grad haben die ersten Landwirte ihre Fahrzeuge am Morgen auf dem Agravis-Betriebsgelände abgestellt. Die Polizei wartet mit einem Streifenwagen bereits vor Ort. Weitere Polizeifahrzeuge begleiten direkt die demonstrierenden Treckerkolonnen und sichern die Demonstration ab.

Die Bauern aus Blumenau und Liethe sind die Ersten, die am Treffpunkt beim Landwirtschafts-Großhändler am Kolenfelder Hafen ankommen: Die Protestfahrt der Landwirte aus und um Wunstorf im Rahmen der bundesweiten Bauernproteste ist als Sternfahrt angelegt. Aus den Ortsteilen gestartet, wird teils auf direkterem Wege, teils aber auch mit großen Schleifen der Treffpunkt im Dreieck zwischen Luthe, Kolenfeld und Wunstorf angesteuert. Als Zweites treffen die Bokeloher ein, während die Bauern aus Barsinghausen und Seelze noch den dortigen Verkehr lahmlegten. Währenddessen kurven die Luther Landwirte zeitgleich durch Wunstorf und nehmen über die Hochstraße Kurs Richtung Kolenfeld.

Der Protest zielt dabei nicht nur auf die deutsche Agrarpolitik, sondern richtet sich auch generell gegen die Bundesregierung: „Die Ampel muss weg“ ist eine von mehreren, aber typischen Aussagen. Die angekündigte Streichung der Agrardieselsubventionen hat das Fass überlaufen lassen, aber der Frust liegt tiefer. Das Gefühl, dass im Land etwas grundsätzlich schiefläuft, wird im Gespräch mit den Landwirten immer wieder erkennbar. „Ich weiß, wie es in Dänemark läuft“, sagt etwa ein Bauer aus Bokeloh und kritisiert den Umgang mit Bürgergeldempfängern in Deutschland. Beim nördlichen Nachbarn bekäme man beim Besuch der Sozialbehörde sofort eine Arbeit angeboten, die man nicht einfach so ablehnen könne – abgestuft auch außerhalb der eigenen Qualifikation.

Video: Trecker-Korso der Luther Landwirte über die Hochstraße

Gegen Bürokratie und finanzielle Belastung

Die arbeitende deutsche Bevölkerung wird am heutigen Montag aber zunächst einmal auch in Wunstorf ins Stocken gebracht, indem unter anderem gezielt im morgendlichen Berufsverkehr protestiert wird. Das Ziel, Aufmerksamkeit für die eigenen Anliegen zu erregen, ist damit erreicht, der Verkehr in Wunstorf wird teils erheblich ausgebremst. Bis zunächst etwa 10 Uhr ist man an diversen Stellen im Stadtgebiet mit Behinderungen konfrontiert.

Der erste Traktor trifft am Morgen kurz nach 8 Uhr bei Agravis ein

Nicht allein die Bundespolitik gerät dabei in den Fokus – dass man auch den pünktlichen Bürostart der örtlichen Verwaltungen offenbar erfolgreich torpedieren konnte, sorgt bei einer Gruppe der Protestierenden für Zufriedenheit. Zu viel Bürokratie ist ein Thema neben den finanziellen Belastungen. Handyvideos werden herumgezeigt, die den Stau in der Region dokumentieren.

Aber die Ampel-Regierung ist das Hauptthema auf den Plakaten: „Ampelregierung ruiniert die Wirtschaft“ ist nur eine von vielen Aufschriften, die die Bundesregierung adressiert. Andere Transparente sind allgemeiner verfasst, aber nicht selten ebenfalls mit durchgestrichenen Ampelsymbolen versehen: „Bauerntod bringt Menschen Not“ oder auch ganz oft schlicht „Zu viel ist zu viel!“. Ein Plakat der Luther Bauern verwahrt sich dagegen, wegen des Protestes in die rechtspopulistische Ecke gestellt zu werden: „Landwirtschaft ist bunt, nicht braun.“

In Schrittgeschwindigkeit

Konvoi auf der Kolenfelder Straße

Höchstgeschwindigkeit 50 dürfen die meisten Traktoren fahren – aber für die Demonstration lässt man quasi die 0 weg. Die Landwirte aus Liethe, Blumenau und Bokeloh bringen den Verkehr auf der L392 zur Autobahnauffahrt Kolenfeld quasi zum Stillstand, als sie mit einer Geschwindigkeit von manchmal nur 5 km/h über die Kernstadt Wunstorf Richtung Kolenfeld rollen, während die Luther den Verkehr auf der B442, der nördlichen Route zwischen Wunstorf und Hannover, bei nicht viel schnellerem Tempo in einen zähfließenden Stau verwandeln. Als die Treckerkolonne auf der B442 über die Hochstraße nach Wunstorf hineinfährt, hat sich auf der Bundesstraße ein langer Rückstau gebildet.

Höchstgeschwindigkeit 50 dürfen die meisten Traktoren fahren – aber für die Demonstration lässt man quasi die 0 weg

Die Polizei sperrt die Fahrbahn der Kolenfelder Straße für die endlos wirkende Treckerkolonne zufällig genau vor einem Fahrzeug der Auepost, wir stehen damit an der Spitze eines der Staus. Wo Autofahrer sonst meist nur über die kurze Grünphase beim Abbiegen in die Innenstadt fluchen, ist nun Extra-Geduld gefragt. Gut 10 Minuten und diverse Grünphasen vergehen, bis alle Trecker von der Hochstraße in die Kolenfelder Straße abgebogen sind und die Straße wieder freigegeben ist. Der Rückstau auf der Kolenfelder Straße Richtung Innenstadt löst sich nur langsam auf, nun beginnt die Staubildung auf der Kolenfelder Straße Richtung Ortsausgang. Hupend und mit eingeschalteten Warnlichtern fährt man im Treckerkorso.

Landwirt Torben Wegener (re.) beim Bauernprotest in Wunstorf

In einer der Hallen auf dem Gelände hat Agravis einen Ort zum Aufwärmen geschaffen – und die Mitarbeiter haben in Mengen belegte Brötchen und Kaffee für die eintreffenden Bauern organisiert. Als zentrale Stelle habe man sich angeboten, den Bauern den Platz am Kolenfelder Hafen als Anlaufpunkt während ihres Protestes zur Verfügung zu stellen, berichtet Agravis-Geschäftsführer Rainer Widdel der Auepost, bevor er den Blick zum Horizont richtet und an der Spitze der nächsten anrollenden, aber noch kilometerweit entfernten Kolonne den Fahrer erkennt. Der Agrargroßhandel, der mit über 300 Beschäftigten neben Niedersachsen auch in Thüringen und Sachsen-Anhalt aktiv ist, hat seine Hauptverwaltung in Wunstorf – und ein großes Firmengelände am Mittellandkanal.

50 Fahrzeuge seien für die Demonstration am Vormittag angemeldet worden, sagt Landwirt Torben Wegener am Morgen vor Ort der Auepost – am Ende stehen rund 100 Fahrzeuge Seite an Seite auf dem Hof. Es sind aber nicht nur Bauern, die auf die Straße gehen. Unterstützung kommt nicht nur aus dem Handel, dem Protest angeschlossen haben sich auch Handwerker und Logistiker: In Neustadt, wo am Morgen ebenfalls ein Demonstrationskorso Richtung Hannover aufgebrochen ist und den Berufsverkehr auf der B6 zum Schleichtempo zwingt, fahren auch andere Firmenfahrzeuge und LKWs mit. Auch für sie lautet der Tenor: Weg mit der Ampel-Politik.

Die Demonstration in Bildern:

Auf dem Weg Richtung Kolenfeld
Stau auf der Kolenfelder Straße Richtung Ortsausgang
Rückstau in der Kolenfelder Straße Richtung Innenstadt
„Politik mit Sachkunde – keine Ideologien!“
Fahrzeuge im Stau versuchen angesichts der blockierten Straße zu wenden und sich einen anderen Weg zu suchen
Stau auf der B442 durch Wunstorf
Auch der ADAC kommt heute später zum Batterie-Überbrücken
Stau auch auf den Nebenrouten, als die Demonstration in Reichweite ist
Klare Aussage
Polizei am Sammelpunkt der Sternfahrt in Kolenfeld
Eine scheinbar unendliche Traktorschlange: Einbiegen auf das Gelände von Agravis
Ampelkritik
Ein weiterer Treck aus Treckern biegt bei Agravis ein
Plakat an Trecker-Anhänger
Kolonne über die Hochstraße
Ein Holzkreuz auf der Frontscheibe, Gummistiefel am Spiegel
„Politik und Bürokratie machen alle Bauern hie“
Grünes Licht nur für Bauern
Der Konvoi erzwingt keinen geschlossenen Verband – abbiegender Verkehr wird durchgelassen, wenn die Traktoren selbst im Stau stehen
Käse- und Mettbrötchen für die Bauern bei Agravis
In Neustadt startet ein Konvoi ebenfalls in der Frühe und nimmt Kurs auf Hannover über die B6 | Foto: privat
Stau auf der B442 nach Wunstorf
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Kommentare


  • Erwin Tebbe sagt:

    Staatliche Entscheidungen wie die Umsetzung der UN Agenda 2030 sowie des EU Green Deal zielen darauf ab, die Landwirte in Richtung Aufgabe ihrer Tätigkeit zu drängen.
    Weshalb man dann als Landwirt sich selbst und ebenso Betroffene zu sabotieren und gleichzeitig zu erwarten, dass die eigene Situation dadurch besser wird, indem man exakt das macht, was „Build back better!“ und „Great Reset“ erhoffen, nämlich alles zum Stillstand zu bringen, wird mir wohl ein ewiges Rätsel beleiben.
    Das ist in etwas so inspiriert, wie jemandem, der einem Nahrungsmittel verweigert, mit Hungerstreik beeindrucken zu wollen.
    Die Verantwortlichen werden wohl Schampus-Korken knallen lassen, dass sie freiwilligen Rückenwind bekommen.

    • Rufolf sagt:

      Sie kennen Agenda 2030 und Green Deal, im Gegensatz zu den meisten Menschen in der BRD. Was ist Ihr Vorschlag?

      • Erwin Tebbe sagt:

        Die Struktur dieser Fragestellung ist hinlänglich bekannt.

        Sie lautet übersetzt: „Ich schieße mir solange selbst ins eigene Knie, bis mir jemand verrät, was tatsächlich funktioniert, denn alles ist besser, als Nichts zu tun!“

        Mit „Blödsinn sein lassen“ gibt man nicht zufrieden.

        Fazit: Immer machen lassen!

  • Basti g. sagt:

    Eigentlich war das viel zu wenig man hat nix gemerkt

  • Anonymous sagt:

    In meinen Augen versagt die Regierung auf ganzer Linie.Ich verstehe den Unmut der Landwirte total.Auch Ich möchte mein tägliches Brot zu vernünftigen Preisen essen .Ständig wird uns immer wieder eine finanzielle Bürde aufgebrummt.Weltweit werden Milliarden verschenkt ,was ist mit uns,die das Geld in die Kassen bringen?Wir sehen unsere Politiker Küsschen verschenken durch die Welt fliegen.Liebe Bauern ,ich Bindestrich nächste Mal beim Protest dabei

  • Sebastian sagt:

    Die letzte Generation weist auf massive Folgen für kommende Generationen hin und wird wegen Auswirkungen auf Pendler etc. stark kritisiert.
    Die Gruppe wird inzwischen als kriminelle Vereinigung eingestuft.
    Hier kritisiert eine Berufsgruppe, dass sie ein Privileg verlieren soll.
    Bei allem Verständnis für Kritik an Überregulierung, der Protest ist unverhältnismäßig.

    • Basti g. sagt:

      Der protest ist ünverhältnismäßig ? Sind sie hier zufrieden ?

    • Sofie T. sagt:

      Der entscheidende Unterschied zwischen beiden:
      Die Einen wissen, wovon sie sprechen, wollen arbeiten, werden aber mehr und mehr daran gehindert.
      Die die Anderen glauben an Dritte wie an eine Religion, wissen eigentlich nichts, bekommen Geld dafür, dass sie nicht arbeiten, andere daran hindern und wollen auch nie arbeiten.

      • Sebastian sagt:

        Haha,
        selbst wenn es so ist, dass alle Vertreter der letzten Generation „arbeitsscheu“ sind:
        Das ist der entscheidende Grund, als kriminelle Vereinigung eingestuft zu werden?
        Ohjee, was für eine Denke, Sofi!

  • Elke sagt:

    Der Präsident des Bauernverbandes hat erklärt, dass es um die Politik der letzten 25-30 Jahre geht.
    Dies sei auch als Kritik an der unionsgeführten Politik z.B unter Frau Klöckner zu verstehen.

  • Sven S. sagt:

    Die Bauern haben sich schon seit Jahrzehnten auf einen „schmutzigen Deal“ eingelassen, indem sie es akzeptiert haben, dass die Preise für Ihre Produkte künstlich niedrig gehalten werden, so im Export bessere Chancen haben, die ausgleichende Bezahlung aber über Subventionen zu erhalten, die den Menschen dieses Landes über Steuern pauschal aus der Tasche gezogen werden, um, wenn man genau hinsieht, das Ausland mit ihrem hart erabeiteten Geld zu finanzieren, Geschenke zu verteilen.
    Deutschland exportiert wie ein Weltmeister, bekommt das Geld dafür aber nicht, sondern nur un Form von Schulden Dritter, die nie bezahlt werden. Das findet sich nur in den Target-3 Salden wieder.
    Man darf es auch gern organisierte Plünderung nennen.
    Nun schlägt diese Abhängigkeit hart auf sie selbst zurück, da sie nun am finanziellen Gängelband hängen und man darüber die Daumenschrauben anzieht.

  • Gerhard sagt:

    Es geht um reine wirtschaftliche Interessen.
    Gut, dass zumindest der Verband sich dann doch noch von rechten Akteuren distanziert hat.
    Zu Beginn der Proteste schien das ja willkommene Unterstützung zu sein.

    • Sabine H. sagt:

      Vielleicht kommen Sie ja auch irgendwann dahinter, dass die (Links/Rechts) komplett zusammenarbeiten und über „diese Nummer“ Kritik von der einen Seite fernhalten, damit alles durchziehen (Agenda2030) und die zweite Seite dringlich benötigen, um mit dem Finger auf diese zu zeigen.
      Protest ist so auch per „Teile & herrsche“ gespalten und überschaubar.

  • Elke sagt:

    Na klar, ich stimme Gerhard voll und ganz zu.
    Es geht um rein wirtschaftliche Interessen auf Kosten nachfolgender Generationen.

    Wie aus dem aktuellen Situationsbericht des Deutschen Bauernverbandes (DBV) hervorgeht, erzielten die Haupterwerbsbetriebe ein Unternehmensergebnis von durchschnittlich 115.400 Euro je Betrieb. Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg um 45 %.

    Zitat: „Den Bauern geht es richtig gut.“
    Wohlgemerkt, eine Aussage des Bauernverbandes Ende 2023 für das zurückliegende Wirtschaftsjahr.

    Und nun will man ihnen ein Privileg nehmen, was kein Bäcker hat, der auch unsere Grundbedürfnisse stillt.

    Alle fordern, der Staat soll handeln.
    Wenn er das tut und es ans eigene Portmonee geht, werden symbolische Galgen aufgehängt.
    Moralisch schwach.

  • Jens Käschel sagt:

    Wenn Ihr die Bauern nicht vollumfänglich unterstützt, dann habt Ihr bald gar nichts mehr zu Essen oder das Essen wird so teuer, dass Ihr ebenfalls nichts mehr zu Essen habt. Wer das nicht begreift, kann gerne aussterben.

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