Wunstorfer Auepost
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Die Ranger vom Steinhuder Meer

13.08.2021 • Daniel Schneider • Aufrufe: 3647

Der Naturpark Steinhuder Meer zieht jedes Jahr unzählige Besucher an. Dass sich Natur und Touristen dabei gut vertragen, dafür sorgen die Naturpark-Ranger vom Steinhuder Meer. Die Auepost war einen Tag lang mit im Einsatz.

13.08.2021
Daniel Schneider
Aufrufe: 3647
Die Ranger auf dem Steinhuder Meer
Die Ranger: Hendrik Holte und Milan Mato Glatt | Foto: Mirko Baschetti

Unter einem Ranger können sich viele etwas vorstellen. Bilder von kernigen Männern in Outdoor-Kleidung, die mit dem Jeep durch Nationalparks brettern oder Besucher vor wilden Tieren retten, schießen einem spontan durch den Kopf. Amerikanische Urwälder und weite Steppen breiten sich gedanklich aus. In Deutschland erscheint der Begriff eher ungewöhnlich für eine offizielle Funktionsbezeichnung. Trotzdem gibt es auch hierzulande Ranger – und zwei davon tun Dienst am und auf dem Steinhuder Meer. Denn auf dem Stadtgebiet von Wunstorf liegt nicht nur Niedersachsens größter See, sondern das Steinhuder Meer liegt auch mitten im Naturpark gleichen Namens.

Hier beginnt schon die typische Verwirrung: Naturparkgebiet, Landschaftsschutzgebiet, Naturschutzgebiet – die Begriffe am Steinhuder Meer überschneiden sich und sind manchmal schwer voneinander zu trennen. Als Oberbegriff dient daher der Naturpark – gewissermaßen als kleinster gemeinsamer Nenner und zugleich größte Gebietsfläche rund um das Steinhuder Meer. Selbst Einheimische wissen oft nicht, wie groß der Naturpark Steinhuder Meer tatsächlich ist, meist wird nur das unmittelbare Gebiet rund um das „Meer“ damit assoziiert. In Wirklichkeit reicht der Naturpark von Steinhude bis weit in die Landkreise Schaumburg und Nienburg/Weser, beinhaltet nicht nur Moore, Wälder und eben das Steinhuder Meer, sondern auch ganze Ortschaften. Erst vor zwei Jahren wurde der Naturpark noch einmal kräftig vergrößert, das erste Mal seit seiner Einrichtung 1974. Nun liegen z. B. auch Münchehagen und Loccum im Naturpark – und ein Großteil der Kernstadt von Neustadt. Steinhude bildet im Grunde nur seinen südöstlichsten Zipfel.

Mittler zwischen Natur und Tourismus

Dass sogar dicht besiedelte Stadtgebiete zum Naturpark zählen, sei kein Widerspruch, erklärt Hendrik Holte, einer der Naturpark-Ranger. Denn ein Naturpark sei erst einmal nur ein räumlicher Bereich, der einen erhöhten Anteil von Schutzgebieten aufweist und einen besonderen Mehrwert als Erholungsort hat. Es ist ein Bereich, der als zusammengehörig empfunden wird und bewahrt werden soll. Herzstück ist natürlich das Steinhuder Meer – der 30 Quadratkilometer große Flachsee.

Naturpark Steinhuder Meer
Ranger-Zuständigkeit: Der Naturpark (blaue Linie) umfasst ein großes Gebiet

Die Kernstadt Wunstorf ist übrigens nicht Teil davon – der Naturpark endet hinter dem Hohen Holz und vor dem Kaliberg. Von den Wunstorfer Ortsteilen gehören nur Steinhude und Großenheidorn dazu. Wer allerdings am Neustädter Bahnhof steht, steht damit kurioserweise auch gleichzeitig im Naturpark. Ob ein Ort nun dazuzählt oder nicht, hat jedoch vor allem Bedeutung für die touristische Vermarktung. Und für die Ranger – denn der Naturpark ist ihr Revier. Ihr Aufgabengebiet ist dabei so vielfältig wie die Landschaft. Sie reparieren Stege, leiten Führungen, montieren Schilder, beseitigen Graffitis, unternehmen Kanutouren mit Touristen, beantworten Fragen, sichern Bäume und achten darauf, dass die Regeln eingehalten werden. Auch auf „Wildparker“ haben sie ein Auge. Ihr Job ist es dabei, einen Einklang herzustellen zwischen touristischer Nutzung und dem Naturschutz – aber durchaus mit einem langfristigen Blick. „Wir versuchen, das Naturerlebnis für die Besucher von morgen zu erhalten“, fasst es Holte zusammen. Die aktuellen Besucher hat man aber ebenso im Blick und hält etwa die Infrastruktur in Schuss. „Wir bemühen uns um einen Ausgleich zwischen allen Interessenbereichen“, erklärt Holte. Dazu gehöre der Naturschutz, aber eben auch der Tourismus im Naturpark. Der Naturpark diene auch dazu, die verschiedenen Gemeinden zu vernetzen, um gemeinsam Projekte zu starten, von denen alle etwas haben.

Die Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Bereichen des Naturparks erklären die Ranger noch einmal genau: Im Landschaftsschutzgebiet gibt es eigentlich für Besucher keine Einschränkungen, hier geht es vor allem darum, dass die Landschaft nicht im Kern verändert wird. Alle geplanten Veränderungen müssen bei der Naturschutzbehörde beantragt werden, zum Beispiel wenn eine Hecke versetzt oder ein Baum gefällt werden soll. Im Naturschutzgebiet hat die Natur hingegen absoluten Vorrang. Die Wege dürfen nicht verlassen werden, für Hunde gilt ganzjährig Leinenpflicht. Der Naturpark Steinhuder Meer besteht zu 53 Prozent aus Landschaftsschutzgebiet und zu 18 Prozent aus Naturschutzgebiet.

Keine „Naturpolizei“, aber mit hoheitlichen Aufgaben

Angestellt sind die Ranger bei der Region Hannover. Sie üben damit praktisch das Hausrecht auf dem Steinhuder Meer aus, denn auch wenn sich der Naturpark über drei Landkreise erstreckt, ist die Verwaltung der Region Hannover zugeschlagen. Hendrik Holte ist nun seit sechs Jahren Ranger im Naturpark, vor Kurzem bekam der 33-Jährige einen Kollegen an die Seite gestellt, da das Arbeitspensum als Einzelkämpfer nicht mehr zu bewältigen war. Der 26-jährige Milan Mato Glatt ist seitdem der zweite Naturpark-Ranger. Dieser durchläuft gerade die Ausbildung zum Verwaltungsvollzugsbeamten. Genau genommen sind sie damit Sachbearbeiter in einer Behörde, das wäre auch die eigentliche Berufsbezeichnung eines Rangers. Als solche sind sie nicht verbeamtet, haben aber Beamtenstatus. Sie können Personalien aufnehmen, Personen festhalten und Sachen beschlagnahmen. Auch Platzverweise an der Weißen Düne in Mardorf oder auf der Badeinsel in Steinhude können sie aussprechen. Gemeinsam sorgen die Ranger schon jetzt für Ordnung und Sicherheit auf dem Steinhuder Meer und rundherum.

Betreten verboten
Verbotsschild im Naturpark | Foto: Mirko Baschetti

Bewaffnet sind die Ranger jedoch höchstens mit dem Taschenmesser beim Apfelschälen oder mit der Handsäge beim Zurückschneiden von Ästen. Sie haben keinen Waffenschein, nur einen Jagdschein – der im Naturpark jedoch keine Relevanz hat. „Crocodile-Dundee-mäßig ist das hier nicht“, lacht Holte in Anspielung auf Macheten-schwingende Filmhelden. „Wir sind Allrounder“, sagt er. Man sei nicht nur für die Touristen da, nicht nur für die Wasservögel und auch nicht nur für die baulichen Anlagen. Am ehesten kann man einen Ranger noch mit einem Förster vergleichen. Das ist auch der Weg, der Holte und Glatt zum Rangerberuf führte. Beide haben ein forstwissenschaftliches Studium absolviert.

Mit dem Texas Ranger oder so ’nem Krempel hat es nichts zu tun

Hendrik Holte

Die Bezeichnung Ranger für diese Aufgabe hat man auch gewählt, weil sich jeder ein bisschen darunter vorstellen kann – und natürlich, weil es eine gute Außenwirkung hat. Manchmal ist die Bezeichnung dann aber wohl doch zu allgemein, einige erhalten ein falsches Bild davon, was ein Ranger am Steinhuder Meer macht. Wie etwa der Anrufer, der anhand einer telefonischen Beschreibung in Erfahrung bringen wollte, ob er einen Turmfalken oder einen Sperber beobachtet hatte. Da muss dann auch ein Naturpark-Ranger passen: „Wir sind Förster und keine Ornithologen“, schmunzelt Holte. Letzten Endes habe man den Gesamtüberblick – wie eben auch der typische Förster. Die Ranger dienen somit auch als Verbindungsglied zu den verschiedenen Fachleuten in den Behörden, die sich mit dem Naturpark beschäftigen.

Glatt und Holte erfüllen das Klischee aber zumindest äußerlich ein wenig. Rangerweste, Rangerhut und Sonnenbrille ergeben durchaus einen filmreifen Look. Würde Holte zu seinem roten Bart und schwarzer Digitaluhr am Handgelenk noch ein Karohemd anziehen – er ginge auch als kanadisches Holzfäller-Stereotyp durch. Poloshirt, Sonnenhut und Weste sind vom Arbeitgeber gestellt. Auf dem Rücken steht dann allerdings nicht „Ranger“, sondern schlicht und nüchtern „Naturpark Steinhuder Meer“. Daran sind die Ranger erkennbar, wenn sie unterwegs sind. Denn grundsätzlich sind sie nicht inkognito auf Streife, sie geben sich immer zu erkennen. Im Zweifel kann man sich ihren Dienstausweis zeigen lassen. An Land bewegen sie sich vor allem auf ihren Fahrrädern oder zu Fuß. Auch ein Ranger-Auto gibt es. Wer jetzt an einen Geländewagen mit Reservekanister, Reifen am Heck und Scheinwerfern auf dem Dach denkt, wird allerdings schon wieder enttäuscht. Es handelt sich um einen gewöhnlichen VW-Kombi.

Das Naturparkhaus

Wir treffen Holte und Glatt im Mardorfer Naturparkhaus, gewissermaßen die Zentrale des Naturparks. Es steht direkt an der Promenade und ist nicht zu übersehen. Hier haben nicht nur die Ranger ihre Basis, sondern auch die Verwaltung ist mit untergebracht – und eine Dauerausstellung im Erdgeschoss.

Naturparkhaus
Das Ranger-Team vorm Naturparkhaus | Foto: MIrko Baschetti

Ebenfalls anwesend und Dritte im Ranger-Einsatz ist Emilia Böhnke, die zurzeit ein freiwilliges ökologisches Jahr im Naturpark leistet. Anders als ihre Kollegen wohnt die 19-Jährige in dieser Zeit tatsächlich auch im Naturparkhaus – die Region stellt ihr die Unterkunft. Noch bis Ende August unterstützt sie die Ranger in ihrer Arbeit. „Mir gefällt die Naturnähe“, sagt sie, doch beruflich will sie nun doch einen anderen Weg einschlagen. Während der Zeit der beruflichen Orientierung hat sie für sich beschlossen, doch eher in Richtung Architektur zu gehen, möchte der Natur aber verbunden bleiben. Zum Wintersemester beginnt sie das Studium des Bau- und Umweltingenieurwesens.

Das Naturparkhaus gibt es noch gar nicht so lange, es wurde vor drei Jahren auf einer vormaligen Brachfläche, einem von Kiefern gesäumten Dünengrundstück, errichtet. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Ranger keinen echten Anlaufpunkt, Holte pendelte von einem Büro in Hannover täglich zum Naturpark. Dass Mardorf und nicht etwa Steinhude Standort des Hauptsitzes wurde, liegt daran, dass Mardorf relativ mittig im Naturpark liegt. Von hier aus sind die Ranger schneller an ihren Einsatzorten. Dabei ist auch der Posten eines Naturpark-Rangers in seiner jetzigen Form eigentlich eine noch recht junge Angelegenheit. Bevor Holte 2014 Ranger wurde, gab es zwar auch schon jemanden, der sich um die Infrastruktur kümmerte, der Stege, Aussichtstürme und Verbindungswege in Schuss hielt. Doch ein Fokus auf die Verbindung von Tourismus und Natur existierte noch nicht. Das Vor-Ort-Sein, auf die Leute zugehen, über die Natur erzählen und natürlich auch das Achtgeben auf die Natur, das ist seit sechs Jahren neu im Naturpark.

Naturparkhaus
Die auffällige Architektur des Naturparkhauses | Foto: Mirko Baschetti

Das Haus selbst ist das Ergebnis eines Wettbewerbs, bei dem sich der Entwurf eines hannoverschen Architekturbüros durchsetzte. Naturnah soll es sein und wirkt in der Tat ursprünglich. Allerdings haftet ihm auch etwas Bunkerartiges an, was sich wohl aus dem Zusammenspiel von Sichtbeton und der kastenartigen Grundstruktur ergibt. Von Weitem sieht es aus, als wäre das zweistöckige Gebäude mit vertikalen Holzstreben dekorativ verkleidet. „Das ist aber schön mit dem Holz und so“ sei dann auch ihre spontane Reaktion gewesen, als sie das Haus zum ersten Mal sahen, erzählen uns Glatt und Böhnke. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um Corten-Stahl, einen wetterfesten, halboxidierten rauen Stahl mit rostiger, aber beständiger Oberfläche. Der Rosteffekt ist gewollt und soll an Kiefernstämme erinnern, das Naturparkhaus sich dadurch einfügen in die natürliche Umgebung.

Holz ist trotzdem großzügig verbaut. Das Obergeschoss wurde – hinter den Streben – in Holzbauweise errichtet. Die Aussicht aus den Büros sei toll, erzählen die Ranger, auch wenn es durch die Wärmeschutzverglasung im Sommer „gut warm“ werde. Von hier aus starten bisweilen auch Führungen, für die regelmäßig stattfindenden Moorführungen trifft man sich aber an der alten Moorhütte. Inzwischen arbeitet man nur noch mit Anmeldungen – sonst würden schnell 60 Menschen im Naturparkhaus stehen, skizzieren die Ranger die Nachfrage. Früher musste man manchmal die Interessenten spontan in mehrere Gruppen aufteilen, damit auch jeder der Führung noch folgen könne. Die Ranger selbst helfen bei Führungen im Naturparkhaus oder im Moor nur aus, sie leiten stattdessen die Kanu- oder Baumbestimmungstouren. Das Naturparkhaus bietet aber auch ohne explizite Führung ein lehrreiches Ziel: Man erfährt viel über das Moor, die Fauna und die Entwicklung der Landschaft.

An Komplikationen wegen der Namensgebung während seiner Dienstjahre kann sich Holte nur einmal erinnern: Da hatte jemand statt der Betonung Naturpark-Haus gedanklich die andere Möglichkeit gewählt – und war irritiert, dass er seinen Wagen dann leider doch nicht im „Natur-Parkhaus“ abstellen konnte. Parkhäuser gibt es, anders als zahlreiche Parkplätze, rund ums Steinhuder Meer nicht.

Ökologische Arbeit

Im Schnitt haben die Ranger eine 39-Stunden-Woche, im Sommer können es mehr Stunden werden, im Winter weniger. Die Arbeit im Naturparkgebiet ist Saisonarbeit. Urlaub nimmt man daher möglichst auch in der kalten Jahreszeit. Die heiße Phase für die Ranger beginnt grob um Ostern herum und endet mit dem Oktober – deckt sich also mit der Zeit, in der am Steinhuder Meer „Saison“ für die Touristen ist. In diesem Jahresabschnitt werden Projekte in Angriff genommen oder Konzepte für Führungen erarbeitet. Ein Drittel der Arbeit besteht aus Papierkram, an der Bürokratie kommen auch Ranger nicht vorbei. Der Ausgleich in der Natur ist aber auch nicht immer nur angenehm. Wenn man drei Stunden im Moor unterwegs gewesen sei, dann seien die Beine von Mücken „ordentlich zerstochen“, berichtet Glatt. Der Rangerdienst besteht dabei aber nicht nur aus Kontrollieren und Durchstreifen des Naturparks. Auch die Errichtung von Aussichtstürmen, Infotafeln und manchen Steganlagen gehört dazu.

Glatt
Ranger Glatt | Foto: Mirko Baschetti

Als Ranger genießt man die Sicherheit eines Arbeitsplatzes als Verwaltungsangestellter, kann als Kehrseite der Medaille im Prinzip aber jederzeit abgeordnet und an anderer Stelle eingesetzt werden. Auch Holte hat schon einmal in einem ganz anderen Bereich unterstützt, als er gefragt wurde: Für zehn Wochen half er Flüchtlingskindern beim Deutschlernen und unternahm Ausflüge mit ihnen. In dieser Zeit gab es dann keinen Ranger am Steinhuder Meer.

Obwohl Holte inzwischen als alter Hase gilt, sind die Ranger gleichberechtigt. Es gibt kein Hierarchiegefälle im Innenverhältnis. Glatt nennt Holte trotzdem scherzhaft „Senior“. Die beiden haben ein gutes Verhältnis, wirken nicht nur wie Kollegen, sondern bereits jetzt wie ein altes, eingespieltes Team. Die Gleichartigkeit ihrer Ausbildung sorgt dafür, dass sie sich auch gegenseitig vertreten können. Glatt hat dazu aber noch einige Etappen vor sich: Vollzugsbeamtenausbildung, Bootsführerschein, Rettungsschwimmerprüfung, Waldpädagogikzertifikat und Pilzfortbildungsseminar, zählt Glatt auf. „Das reicht fürs erste Jahr“, springt ihm Holte lachend bei.

Auf Patrouille

Ein Schwerpunkt ist das Meer selbst. Während an Land Verkehrssicherungspflichten ausgeübt werden – etwa Prüfung von Bäumen auf Standfestigkeit –, werden auf dem Wasser die Schiffsbewegungen überwacht. Die Kontrolle mancher Vorschriften obliegt ebenfalls den Rangern. Holte und Glatt führen jedoch keine Bootskontrollen durch, sie prüfen nicht, ob Segler alle vorgeschriebenen Ausrüstungsgegenstände dabeihaben. Sie konzentrieren sich auf den Naturschutz.

Für alle Tätigkeiten auf dem Wasser nutzen sie ihr Einsatzboot, den „Wasserläufer“. Das fährt ohne Blaulicht, aber ist deutlich als Patrouillenboot zu erkennen. Das Wappen der Region Hannover ist groß an der Seitenwand des Bootes angebracht, daneben steht unter anderem „Einsatzfahrt Umweltbehörde“.

Der Wasserläufer
Der Wasserläufer – das Ranger-Boot | Foto: Mirko Baschetti

Wir dürfen die Ranger begleiten und steigen in den „kleinen Kahn“, wie Holte ihn nennt – ein 4,6 Meter langes Aluminiumboot mit Außenborder. Es liegt am Steg eines Mardorfer Segelvereins unweit des Naturparkhauses. Im Boot ist die Standardausrüstung dabei und alles, was nützlich sein könnte. Rettungswesten, Erste Hilfe, Bootshaken, Werkzeug, Abschleppseil. Einmal hat Holte bereits einen Katamaran abgeschleppt, der von einer Windböe erfasst wurde und sich überschlagen hatte. Der Sportler flog dabei kopfüber durch das Segel – und der Katamaran war manövrierunfähig. Der Mann überstand den Unfall unverletzt, sonst hätte Holte umgehend einen Rettungswagen geordert und den Verletzten an Land gebracht, doch so blieb das Malheur außer für das Segel folgenlos. Holte konnte aufrichten und abschleppen.

Pannenhilfe auf dem Wasser ist aber nicht die eigentliche Aufgabe der Ranger. Die Segelvereine am Steinhuder Meer haben dafür eigene Boote – organisiert in der sogenannten Wettfahrtvereinigung. Am Nord- und Südufer ist dazu je ein Bootsdienst eingeteilt, der bei Anruf losfährt, um anderen Segelbooten zu helfen. Die Segler zahlen dafür dann eine Rettungspauschale. Anderen Ausflüglern in „Seenot“ bleibt nur die 112 – über den Notruf werden dann die DLRG in Mardorf oder die Feuerwehr Steinhude informiert, die ebenfalls eigene Boote für die Wasserrettung haben. Die DLRG-Station an der Weißen Düne ist dazu an Wochenenden, in der Ferienzeit sogar an allen Tagen besetzt, um schnell helfen zu können.

Als die Leinen los sind und Holte den Außenborder warmlaufen lässt, schlagen die Wellen bereits ordentlich an den Bug. Bei Wind und entsprechendem Wellengang wird es schnell ungemütlich an Bord. Bei Vollgas schlägt reichlich Spritzwasser ins Boot, die eigene Stimme ist kaum noch zu verstehen. „Bei Surfwetter ziehe ich eine Badehose drunter und habe Wechselwäsche im Büro“, gibt Holte zu. „Alles andere bringt nichts.“ Das Boot hat einen Außenborder mit Verbrennungsmotor. Dass die Ranger nicht selbst mit gutem Beispiel vorangehen und mit Elektroantrieb unterwegs sind, liegt daran, dass die Technik noch nicht so weit ist, meint Holte: Mit einem Yachthilfsmotor käme man nicht weit, die Surfer würden ihnen davonfahren, und bei einem hochgerüsteten Elektroaußenborder würde man mehr Zeit mit Batterienaufladen als auf dem Wasser verbringen. Für Rettungseinsätze und Kontrollfahrten benötige man einen leistungsstarken Motor.

50 km/h kann das Boot fahren, in knapp 5 Minuten kommt man vom Nord- zum Südufer. Vollgas gibt Holte trotzdem selten, weil der Motor dann zu laut wird. Auch zwischen den Segelbooten ist das nicht möglich, die erzeugten Wellen würden zu hoch schlagen. Sowieso fahre man nicht dauernd „mit Karacho“ über den See, um Ordnungswidrigkeiten aufzuspüren, sagt Holte. Stattdessen suchen sich die Ranger einen günstigen Standort, von dem sie das Steinhuder Meer mit dem Fernglas gut im Blick haben.

Denn es geht nicht darum, die Wasserbegeisterten aufzuscheuchen. „Unser Motorboot auf dem Wasser fällt natürlich auf“, sagt Holte. Die Leute sollten nicht sagen: „Oh, da kommt der Ranger“, und sich nur kurzfristig an die Regeln halten. Diesen Effekt hat Holte im Laufe der Jahre durchaus beobachtet und findet es etwas frustrierend.

Das ist ein bisschen frustrierend

Hendrik Holte

Er zieht den verschmitzten Vergleich mit einer Schafherdensituation: Wenn der Hirtenhund bei der Herde sei, sei alles in Ordnung. Wenn er nicht da sei, „machen nach einer Viertelstunde wieder alle, was sie wollen“. Der Effekt halte nicht lange an. Daher geht es nicht um kurzfristige Kontrolle, sondern um generelles Verständnis und Akzeptanz. Man will die Menschen für die Belange des Naturschutzes sensibilisieren, ohne ihnen auf die Finger zu klopfen.

Nur um die wenigen „schwarzen Schafe“ kümmere man sich gezielter. Wichtig sei daher, immer wieder Präsenz zu zeigen. Eine bestimmte Problemgruppe gebe es gar nicht, sagen Holte und Glatt. Auch mit den oft genannten Kitesurfern habe man keine größeren Schwierigkeiten. Bei diesen kommt jedoch noch die Besonderheit dazu, dass sie sich nur auf einem eng abgesteckten Areal auf dem Steinhuder Meer bewegen dürfen. Dieser abgesteckte Bereich ist wiederum für andere Wasserfahrzeuge tabu. Der Grund ist, dass die Kitesurfer hohe Geschwindigkeiten entwickeln und die Schnüre zu den Segeln zu einer ernsten Gefahr für andere werden können – doch gerade Außenstehende sind sich des Gefahrenpotentials nicht bewusst oder unterschätzen es. Die Ranger achten daher nicht nur darauf, dass die Kitesurfer ihren Bereich nicht verlassen, sondern auch, dass keine anderen Wassersportler in diesen Bereich hineinfahren. Auch das sei nicht immer ein dankbarer Job. „Erklärt mal einem Stand-up-Paddeling-Surfer, dass er nicht in den Bereich für Surfer fahren darf“, umreißt Glatt die Schwierigkeit, alte Verordnungstexte auf aktuelle Entwicklungen anwenden zu müssen. Bei gutem Surfwetter würden sich weit über 50 Kites im Surfbereich tummeln.

Kajakfahrer
Südseite: Kajakfahrer auf dem Hagenburger Kanal | Foto: Mirko Baschetti
Surferstrand Mardorf
Nordseite: Surferstrand in Mardorf | Foto: Mirko Baschetti

Es seien immer Einzelne, die sich nicht um Regeln scherten. Kajakfahrer seien oft auch aus Unwissenheit im Naturschutzgebiet unterwegs. Diese bekämen im schlimmsten Fall ein „Fahren Sie weg, sonst muss ich die Personalien aufnehmen“ zu hören. „Die Leute sind aber verpflichtet, sich selbst zu informieren“, sagt Glatt. „Die meisten tun das auch“, ergänzt Holte, die Besucher seien in der Regel gut informiert, was erlaubt sei und was nicht. Wenn ein Freizeitkapitän nicht wisse, was zum Beispiel die Bojen bedeuteten, dann werde er auch nicht gleich zur Verantwortung gezogen. Stattdessen würden die Bootsverleiher in die Pflicht genommen. Diese sollen dafür sorgen, dass ihre Kunden ausreichend über die Vorschriften auf dem Steinhuder Meer informiert sind.

Ungewollter „Ruhm“

Bevor die Ranger die Personalien eines Wassersportlers aufnehmen und damit ein Ordnungswidrigkeitenverfahren anstoßen, muss schon etwas mehr passieren. Als Kandidat gilt, wer sich tief im Naturschutzgebiet bewegt und kein Unrechtsbewusstsein erkennen lässt. Dann lasse er sich auch nicht abschütteln, sagt Holte. „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“, dieses Prinzip gelte auch für seine Kontrollen. Wenn jemand „Mist baue“, müsse er auch dafür einstehen. Auch hier wird natürlich mit Augenmaß vorgegangen. Wer sich um ein paar Bojen verfahren hat, wird nicht gleich „rechts rausgewunken“, aber wer meint, sich nicht an Regeln halten zu müssen, wird die Ranger nicht los, selbst wenn er sich weiter uneinsichtig zeigt. Im Zweifel rufen die Ranger dann im Rahmen der Amtshilfe auch die Polizei hinzu, um die Personalien feststellen zu lassen.

Das ist bislang aber die absolute Ausnahme geblieben. Nur einmal gab es richtig Ärger, als ein Kitesurfer seine Personalien nicht angeben wollte und Holte einfach zu ignorieren versuchte. Holte erzählt aus seiner Sicht, wie es sich damals zugetragen hat: Er sei an Land auf Kontrollfahrt gewesen und habe dabei zufällig drei Kitesurfer entdeckt, die fast einmal den kompletten See überquerten, statt im für sie reservierten Bereich zu bleiben. Den am weitesten Fahrenden habe er sich dann mit dem Boot „geschnappt“. Die Personalien wollte der Mann aber nicht herausrücken. Holte rief die Polizei. Doch auch im weiteren Ordnungswidrigkeitenverfahren zeigte sich der Ertappte uneinsichtig. Der Fall ging bis vor Gericht. Schließlich behauptete der Surfer, Holte habe ihn beim Versuch, an seine Personalien zu gelangen, mit dem Boot gerammt und gefährdet. Es stand Aussage gegen Aussage. Letztlich habe der Mann einem Vergleich zugestimmt und ein höheres Ordnungsgeld gezahlt. Für Holte hatte das Verfahren keine unmittelbaren Folgen, der Vorwurf der Gefährdung überzeugte das Gericht nicht.

Holte
Ranger Holte | Foto: Mirko Baschetti

Bei der Verhandlung Ende 2016 befand sich jedoch ein Reporter einer großen überregionalen Boulevardzeitung mit im Gerichtssaal – und einige Monate später, als die Sache schon fast vergessen schien, war Holte pünktlich zum Saisonstart auf einmal in den Schlagzeilen. Das Blatt machte ihn zum „Rambo-Ranger“. Mit ihm selbst gesprochen hatte die Zeitung nicht. Die reißerische Berichterstattung zeigte offenbar Wirkung: In der Folge wurde er von Surfern, die ihn gar nicht kannten, angepöbelt, wenn sie ihn auf den Stegen entdeckten. Holte und der kontrollierte Surfer sind sich außer vor Gericht seitdem nicht mehr begegnet.

Holte gibt zu, dass er seit dem Vorfall noch vorsichtiger geworden ist – wenn er merke, dass er nicht ernst genommen werde, würde er nun noch eher die Polizei hinzuzuziehen. Abhalten von Kontrollen lässt er sich von diesem Erlebnis aber nicht. Notwendig ist das aber seitdem nicht mehr gewesen, diese Art der Eskalation blieb bis heute ein Einzelfall. Es hat sich herumgesprochen, dass die Ranger letztlich am längeren Hebel sitzen. Damals war seitens der Region Hannover versucht worden, eine Kennzeichenpflicht für Kitesurfer einzuführen – geworden ist daraus nichts. Die Mehrheit der Sportler hält sich eben an die Regeln. Kontrollen finden – aus Beweisgründen – allerdings inzwischen nur noch zu zweit statt.

Auf dem Steinhuder Meer verfahren

Während das Boot am gegenüberliegenden Ufer schwimmt, lässt sich anhand der Bojenmarkierungen tatsächlich gut ausmachen, ob sich Sportler im Naturschutzbereich aufhalten oder nicht. Die ungeübte Sicht auf die Bojen kann aber auch trügerisch sein. Das stellen wir fest, als wir selbst einen Umweltsünder zu entdecken meinen. Auf einmal sieht es so aus, als würde ein Boot gerade mitten im Naturschutzgebiet ankern. Doch Holte hält mit Erfahrungswissen dagegen: In diesem Fall wäre alles in Ordnung, es sähe auf den ersten Blick zwar so aus, in Wirklichkeit befände sich der Segler in einer Zacke, die von Bojen umschlossen wird – der Wassersportler also tatsächlich nicht innerhalb des Naturschutzgebietes.

Da hat man auf dem Steinhuder Meer verloren

Hendrik Holte

Holte kennt das Steinhuder Meer inzwischen wie seine Rangerwestentasche. Nur ein einziges Mal habe er sich auf dem Wasser verfahren, gibt er zu. Das klingt für uns zunächst absurd, da man alle Uferbereiche von jedem Punkt aus doch stets im Blick hat. Doch die Ranger sind eben auch dann auf dem Wasser unterwegs, wenn kein Sonnenscheinwetter herrscht. Bei dichtem Nebel mit Sichtweite unter hundert Metern reiche ein kleinster Links- oder Rechtsdrall, und schon sei man vom Kurs abgekommen, erklärt Holte. „Da hat man auf dem Steinhuder Meer verloren“, sagt er ganz ernst. Denn ohne die markanten Punkte an Land kann man sich selbst als Ranger nicht mehr orientieren. Er habe dann einfach das Handy eingeschaltet und mithilfe von Google Maps navigiert.

Auf dem Steinhuder Meer bleibt alles in bester Ordnung. Holte steuert präzise auf den richtigen Steg zu. Dabei sehen die Stege für uns auf Entfernung alle völlig identisch aus. Auf technische Hilfsmittel muss er an diesem Tag nicht zurückgreifen, das Wetter hält. Zum Ende der Patrouille laufen wir wieder sicher – wenn auch gut durchgeweicht – im Mardorfer Hafen ein.

Hobbypolizisten unerwünscht

Um die Bojen kümmern sich die Ranger ebenfalls. Sie werden zwar nicht neu gesetzt, aber auf korrekte Position überprüft. Denn die Wassersportler sollen sich auch effektiv daran orientieren können. Die im Durchmesser 40 Zentimeter großen schwimmenden Bälle, die zum Beispiel den Beginn des Naturschutzgebietes auf der Wasserseite markieren oder Badebereiche und Kitesurf-Areal abstecken, sind nämlich nicht fest im Boden verankert, sondern hängen an Betonklötzen, die auf dem Seeboden aufliegen. Bei Wind und Wellen können sie etwas angehoben werden und abdriften.

Hinweise nehmen die Ranger gern entgegen, wenn bei Aussichtstürmen und Stegen etwas nicht stimmt. An den Türmen sind dazu auch entsprechende Hinweisschilder mit einer Kontaktmöglichkeit angebracht. Ein halbes Dutzend Mal in der Saison würden sie wegen solcher Dinge benachrichtigt, erzählt Holte. Das meiste würden sie jedoch selbst entdecken. Das können auch kuriose Dinge sein, wie etwa ein 50 Jahre alter, verwitterter Bootsmotor, der mitten im Steinhuder Meer liegt.

Position nahe der Insel Wilhelmstein | Foto: Mirko Baschetti
Steg Mardorf
Touristen in Mardorf | Foto: Mirko Baschetti

Direkt anrufen kann man die Ranger aber normalerweise nicht, sondern man erreicht sie über die Infozentren in Mardorf oder Steinhude. Auch auf der Naturparkwebseite gibt es bewusst keine Angabe einer Ranger-Telefonnummer. Denn wenn sie gerade in Winzlar ein Verkehrsschild richten oder in Mardorf nachsehen, ob Autos auf illegalen Parkplätzen stehen, dann nützt es nichts, wenn jemand anruft und einen Surfer im Naturschutzgebiet meldet. Wie „Baywatch“ darf man sich den Rangerposten nicht vorstellen, Glatt und Holte sind nicht permanent auf oder am Wasser unterwegs. Den Großteil verbringen sie tatsächlich an Land. Somit können sie akute Verstöße gegen die Dümmer-und-Steinhuder-Meer-Verordnung effektiv nur verfolgen, wenn sie bereits selbst auf Patrouille vor Ort sind. Es ist ihnen daher am liebsten, wenn niemand unnötig „petzt“, man sie in Ruhe ihre Arbeit machen lässt. Dann bleibt auch mehr Zeit, sich um solche Verstöße zu kümmern. Für alle anderen Hinweise sind sie natürlich dankbar, da sie auch zu zweit nicht überall sein können.

Schutz für den A400M und andere Vögel

Vogelschutz hat prioritäre Bedeutung am Steinhuder Meer. Ein großer Bereich ist als EU-Vogelschutzgebiet ausgewiesen, es ist Fauna-Flora-Habitat. Viele Wasservögel haben hier ihren Lebensraum, aber auch durchziehende Vogelarten, darunter viele seltene, nutzen den Naturpark als Zwischenstation. Der Vogelschutz ist auch der Grund für das Nachtfahrverbot und das Winterfahrverbot auf dem Wasser. Denn viele Vögel ziehen sich bei Dunkelheit zum Schlafen auf das Wasser zurück, um vor Fressfeinden an Land geschützt zu sein.

In diesem Punkt wird daher besonders abgewägt zwischen den Interessen von Tier und Mensch. Veranstaltungen wie das Feuerwerk im Rahmen der Veranstaltung „Steinhuder Meer in Flammen“ oder der Einsatz der Seebühne werden somit jedes Mal aufs Neue von der Umweltschutzbehörde genehmigt – es gibt dabei keine Gewohnheitsrechte. Gerade das Feuerwerk samt Musikbegleitung ist ein Touristenmagnet, das wissen auch die Ranger. Dennoch sähen sie es lieber, wenn man das traditionelle Feuerwerk zum Beispiel durch eine Lasershow ersetzen würde. Das würde zumindest die Knallerei entschärfen.

Nest
Brutpflege | Foto: Bernd Wolter
Haubentaucher
Vögel auf dem Steinhuder Meer | Foto: Bernd Wolter

Partei ergreifen wollen die Ranger trotzdem nicht und verteufeln das Feuerwerk nicht. Sie bleiben in der Vermittlerrolle. „Ein Event im Jahr, das muss dann auch mal sein“, sagen sie diplomatisch. Die Emissionen seien dann zu vernachlässigen. Im Ergebnis bedeute es, dass man allen ein wenig auf die Füße trete, um sich in der Mitte zu treffen. Allen würden ein paar Rechte genommen, damit alle Rechte haben, bringt es Glatt auf den Punkt. Im dicht besiedelten Deutschland sei es sowieso schwierig, dem Naturschutz hundertprozentig Raum zu geben. Eine Ausnahme sei ein Nationalpark, hier würde es keine Feuerwerke geben können. Aber ein solcher ist das Steinhuder Meer eben nicht.

Wäre der Naturpark ein Nationalpark, bestünde das Kuriosum, dass er ein Nationalpark mit angeschlossenem Militärflugplatz wäre. Schließlich ist Feuerwerk über dem Naturschutzgebiet nicht das einzige Kuriosum. Auch dass direkt neben dem Naturpark der Fliegerhorst der Bundeswehr liegt, darf als ungewöhnlich gelten. Kerosin oder Lärm sind dabei allerdings gar nicht die größten Probleme, erklärt Holte. Es sei auch der Schattenwurf der großen Militärmaschinen, der im Naturschutzgebiet die Vögel aufscheuche – denn dann springen die Instinkte der Vögel an und interpretieren ein Flugzeug als Angreifer. In futterarmen Zeiten oder Brutzeiten „kann das dann in die Hose gehen“, so Holte. Während der normale Luftverkehr oder auch Heißluftballons deshalb eine Mindesthöhe über dem Steinhuder Meer einhalten müssen, gilt das nicht für die A400M oder andere Maschinen der Luftwaffe. Denn Landesverteidigung geht dem Naturschutz rechtlich immer vor. Daher sind auch die Ranger nicht zuständig, was Emissionen vom Fliegerhorst betrifft. Der A400M steht damit letztlich genauso unter Schutz wie seine Kollegen aus Fleisch und Blut.

Das Steinhuder Meer wird kleiner

Die größte Gefahr für den Naturraum Steinhuder Meer geht – neben dem Menschen – allerdings von der Zeit aus. Das Steinhuder Meer ist ein verlandender Flachsee, erklärt Holte. Die heutigen Meerbruchwiesen gehörten zum Beispiel einst noch zur Wasserfläche. Würde man das Steinhuder Meer nicht regelmäßig an den Rändern entschlammen, könnten innerhalb weniger Jahre keine größeren Boote mehr an den Stegen anlegen. Schlamm wird daher regelmäßig an den Stellen abgepumpt, an denen es notwendig ist. Über eine Zwischenpumpanlage gelangt der Schlamm oder Sand dann in einen Polder.

Der Wasserstand ist aber schon heute ein Problem, gerade in den letzten Jahren führt der See relativ wenig Wasser. Denn einen richtigen Zufluss gibt es nicht, das Steinhuder Meer wird vor allem durch Regen- und Grundwasser gespeist und einige unterirdische Quellen. Regenwasser von Mardorf und Steinhude und vom Fliegerhorst fließt ins Steinhuder Meer. In trockenen Zeiten verdunstet daher viel Wasser, was nicht wiederaufgefüllt wird. Unter den Seglern geht zudem das Gerücht, dass Schweine jüngst einen Damm zerstört hätten, wodurch das Steinhuder Meer mehr Wasser verliere als gewöhnlich. Bestätigen können die Ranger diese These nicht, aber auch nicht ausschließen. So etwas sei denkbar, sagen Holte und Glatt.

Moorlanndschaft
Moorlandschaft Steinhuder Meer

Derzeit steht das Wasser 20 Zentimeter niedriger als normal. Im vergangenen Jahr war es zeitweise sogar ein halber Meter unter dem üblichen Wasserstand. Das wurde auch ganz persönlich für die Ranger zum Problem: Drei Schiffsschrauben gingen 2019 kaputt, weil sie Grundberührung hatten. Normalerweise beträgt die durchschnittliche Wasserhöhe 1,30 Meter. Bei diesem Wasserstand befinden sich knapp 39 Milliarden Liter Wasser im Steinhuder Meer. Wasser künstlich zuzuführen wäre keine Option. Dazu ist der See einfach zu groß – und liegt zu hoch. Würde man z. B. aus der Leine Wasser einleiten wollen, bräuchte man ein Pumpwerk, um den Höhenunterschied auszugleichen, und dann könnte man wahrscheinlich die gesamte Leine ins Steinhuder Meer leiten und hätte nur 5 Zentimeter gewonnen, schätzt Holte. Der Großteil würde sofort wieder in den Meerbruchwiesen versickern oder einfach verdunsten.

Aber auch zu viel Wasser ist schädlich fürs Steinhuder Meer. Wenn der Wasserstand die Marke von 38,05 Meter über Normalnull erreichen würde, wäre die kritische Grenze für die Deichanlagen erreicht. Dann würde das Stauwehr am Meerbach-Abfluss auf der Westseite vollständig geöffnet, damit die Deiche nicht überspült werden und dadurch Schaden nehmen. Die Deiche wurden einst gebaut, um das Moor in den Meerbruchwiesen landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Das Landesamt für Wasser- und Küstenschutz betreibt eine Messboje im Steinhuder Meer, die die Wasserwerte zusätzlich überwacht.

Holte kann aber auch beruhigen: Wir selbst und auch unsere nächsten Nachkommen werden das Austrocknen des Steinhuder Meeres nicht erleben. Auch in tausend Jahren werde es den See noch geben. Probleme ergeben sich jedoch nicht nur aus dem Wasserstand, sondern auch durch die Phosphorbelastung. Die käme nicht von Möwenkot oder Fischbrötchenwasser, sondern vor allem durch den Torfabbau. Jahrzehntelanger Torfabbau macht sich erst jetzt bemerkbar und fördert mittelbar das Wachstum von Blaualgen im See, die wiederum eine Gefahr für Mensch und Tier darstellen. Beim Thema Moor redet sich Holte etwas in Rage. Es seien Zeiträume, die der Mensch gar nicht wirklich überblicken könne. Moore seien „superschnell zerstört“, aber nur sehr langsam zu renaturieren. Die Torfschicht wachse im Jahr durchschnittlich um einen Millimeter. Man müsse daher immer die Relationen beachten, und auch nicht die nächsten 5 Jahre, sondern eher die nächsten 50 oder 100 Jahre bedenken.

Angekommen

„Mein Traum war immer, Förster zu werden“, sagt Holte abschließend auf die Frage, ob er sich bei Studienbeginn hätte vorstellen können, irgendwann einmal auf einem Naturparksee mit dem Boot unterwegs zu sein, statt mit Hund und Gewehr durch die Wälder zu streifen. Neben den Wäldern war er aber auch schon immer dem Wasser verfallen. Er sei wasseraffin und schon als Kind „in jede Pfütze reingefallen“ und im Schwimmverein aktiv gewesen. Auch zuvor hatte ihn sein Berufsweg schon einmal ans Wasser gezogen. Nachdem er im Erzgebirge Forstwirtanwärter war, wollte er sich zehn Jahre Innendienst nicht antun, um vielleicht später irgendwann einmal Aussichten auf eine Revierförsterstelle zu haben. Er bewarb sich bundesweit und landete auf Usedom in der Ostsee. Nach der dort befristeten Stelle wäre er sicher auch irgendwo anders in Mecklenburg-Vorpommern untergekommen, doch es zog ihn wieder in die alte Heimat. Eltern und Großeltern leben in der Region. Heute lebt Holte daher in Schneeren und wurde der erste Naturpark-Ranger vom Steinhuder Meer.

Wegweiser
Wege im Naturpark | Foto: Mirko Baschetti

Das Etikett des „Naturburschen“ nimmt er gern für sich in Anspruch. Er hat seine Hobbys zum Beruf gemacht. Nur Motorrad fahren kann er dienstlich nicht im Naturpark, das hebt er sich beispielsweise für den Urlaub auf. Durch den Ranger-Beruf hat sich sein Freizeitverhalten jedoch verändert. Den Naturpark kann er längst nicht mehr durch die Augen eines Besuchers sehen. Statt am Steinhuder Meer zu entspannen, geht er dann lieber im Deister wandern oder trifft Freunde. Dieses „Schicksal“ teilt nun auch sein neuer Kollege Glatt, der ebenfalls den touristischen Blick schon abgelegt hat. „Es ist eben Arbeit“, sagen die Ranger, man könne dabei „nicht abschalten“.

Glatt hätte allerdings noch weniger gedacht, dass es ihn einmal ans „Meer“ ziehen würde – der gebürtige Saarländer fühlt sich aber bereits heimisch am Steinhuder Meer. Er wohnt nun sogar direkt im Naturpark, hat mit seiner Familie jüngst ein Haus in Münchehagen bezogen. Einen Wechsel in einen klassischeren Forstberuf will sich auch Holte nicht mehr vorstellen. Er hat wie Glatt seinen Traumberuf am Steinhuder Meer gefunden. Ranger zu sein kann er sich daher auch für die weitere Zukunft vorstellen. Vorausgesetzt, er muss sich nicht wieder irgendwann als Schlagzeile in der Boulevardpresse lesen.

von Daniel Schneider
Diese Reportage erschien zuerst in Auepost Nr. 10 (Juli/August 2020)

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Kommentare


  • Basti g. sagt:

    50 ps als Umweltschützer ! Da würde auch ein leichtes 10 ps Boot reichen aber dies eine mal wirds schon gehen :-)

  • Birgit sagt:

    Die Ranger am Steinhuder Meer, gut, dass es sie gibt. Zum Schutze der schönen Natur und ihren Bewohnern ist es von Nöten, dass man auf sie achtgibt. Viel zu oft sind Missstände erkennbar, die traurig und fassungslos machen wie abgelagerter Müll im Wasser, das Betreten verbotener Zonen und Missachten der Brut- und Setzzeit. Deshalb einen herzlichen Dank für diesen ermutigenden Artikel, dass es hier Obacht gibt gegenüber der Natur, die viel zu oft dem Menschen schutzlos ausgeliefert ist.

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