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90 Minuten Einsatz an der Seitenlinie – aber nicht auf dem Platz

03.02.2019 • Redaktion • Aufrufe: 303
03.02.2019
Redaktion
Aufrufe: 303

Miguels Kabinenpredigt

Hannover (mj). Seit langem befand sich mal ein Trainer von Hannover 96 in der Verantwortung, der sowohl auf Grund seiner Vergangenheit im Verein auf Seiten der Fans ein hohes Ansehen genoss, aber auch – und vor allem – eine fachliche Kompetenz mitbrachte. Nach der schlechtesten Hinrunde der Vereinsgeschichte und einem kampflosen Rückrundenbeginn gegen Bremen musste Cheftrainer André Breitenreiter seinen Sitz auf der Bank räumen und Platz für einen Neuen machen. Der von Martin Kind und Horst Heldt ausgewählte Kandidat stand vermutlich bei den meisten Hobby-Sportdirektoren in den Wohnzimmern Hannovers ganz unten oder gar nicht auf der Liste der potentiellen 96-„Retter“. Nun kam es aber doch, dass Thomas Doll, ehemaliger Trainer des HSV und der Borussia Dortmund, nach ca. 10 Jahren im Ausland wieder als Übungsleiter in der Bundesliga am Spielfeldrand stand. Aus 96-Sicht brachte dies aber im Spiel gegen Leipzig erstmal keine Besserung.

Normalerweise sieht man unmittelbar vor dem Anpfiff – wenn die Trainer und Ersatzspieler ihre Plätze auf der Bank einnehmen – diverse Fotografen auf der Seite der Gästebank, da Mannschaften wie der FC Bayern oder Borussia Dortmund in der 1. Bundesliga regelmäßig zu Besuch sind. Am Freitag hatten sich eben diese Fotografen scheinbar zur falschen Bank verirrt, schossen ihre Speicherkarten dann aber doch voll, als der neue Trainer von Hannover 96 seinen Platz einnahm. Kompakter stand leider kein Mannschaftsteil im anschließenden Spiel von Hannover auf dem Platz wie zuvor die Journalisten vor Thomas Doll.

Weg von der Variabilität, hin zur Konstanz?

Doll zeigte – wie zu erwarten war – ein paar Veränderungen auf dem Feld. Die in der Vergangenheit wöchentlich veränderte Grundaufstellung formte sich nahezu über das gesamte Spiel zu einem 4-4-2, in der sich nur einzelne Spieler austauschten. In der Viererkette tauchte der unter Breitenreiter verschollen geglaubte Julian Korb über rechts auf. Über den linken Flügel sollte der junge Florent Muslija, der es gegen Bremen und Dortmund nicht in den Kader geschafft hatte, für Tempo sorgen. In der Sturmspitze hatten sich der wuchtige Rückkehrer Jonathas und der quirlige Takuma Asano zu ergänzen. Gegen Leipzig stand Hannover von Beginn in der Vertikalen relativ kompakt und griff die Leipziger häufig erst ab der Mittellinie an.

In den ersten 40 Minuten ging dieser defensive Plan bis auf wenige Chancen der Leipziger auf, sodass die mittlerweile verloren geglaubte Zuversicht des Zuschauers doch wieder etwas spürbar wurde. Nach einem Elfmeter kurz vor der Halbzeit und zwei entspannten Kopfballtoren nach Eckball, trottete die Hoffnung auf ein Fünkchen Zuversicht beim Endstand von 0:3 wieder in den eigenen dunklen Keller zurück.

Der zwölfte Mann an der Seitenlinie

Der Wechsel auf der Trainerbank hatte zunächst einen erhofften und „klassischen“ Effekt. Das Publikum war von der ersten Minute an gespannt, was das Team unter neuem Trainer auf dem Platz bringen würde. Bis zum ersten Gegentreffer fühlte sich die Stimmung auf den Rängen der 96er an, als ob sie nicht im Tabellenkeller gegen den fast sicheren Abstieg spielen würden. Vor allem hatte man das Gefühl, dass Hannover 96 an diesem Tag gegen Leipzig nach den letzten Wochen mal nicht als sicherer Verlierer antreten würde.

Hannover-96-Fans vor Stadion

96-fans verlassen ernüchtert das Stadion nach dem 0:3 gegen Leipzig | Foto: Miguel Sanchez

Umso schmerzvoller war es, in der zweiten Halbzeit mitzuerleben, wie brüchig und unsicher das Fundament dieser Freude auf den Rängen war. Fast schon lethargisch und – wie in den letzten Wochen – resigniert nahm man nur noch die heruntergespulten Fangesänge der Nordkurve wahr – jedoch ohne Feuer und ohne Durchschlagskraft. Dem emotionalen Fußballfan brachte lediglich ein Umstand über die gesamte Spiellänge hinweg Zuversicht: Thomas Doll zeigte sich als leidenschaftlicher Fußballer, lief an der Seitenlinie auf und ab, suchte nahezu keinmal seinen bequemen Sitz auf der Bank auf, rief und kommunizierte neunzig Minuten wie wild und litt vor allem in jeder Bewegung der Spieler mit. Wenn ein Spieler passte, zuckte sein Fuß. Wenn ein Spieler grätschte, vollführte Doll die Bewegung innerlich nach. Wenn ein Spieler flankte, wäre der Ball mit Thomas Dolls paralleler Bewegung vermutlich noch exakter in den Strafraum geflogen. Torabschlüsse imitierte er jedoch keinen. Denn diese gab es leider nicht auf Seiten der 96er.

Mangelnde Fitness?

Und genau das ist vor allem der Aspekt, der das Schloss des besagten Kellers, in dem die Hoffnung auf Besserung hockt, noch weitere zweimal abschließt. Der Hannoveraner Offensive gelingt fast kein einziges Mal eine gelungene Aktion, die zu einem Torabschluss führt. Jonathas, vom flüchtigen Auge des Betrachters als an diesem Tag schlecht abstempelbar, bei genauerer Betrachtung aber als einer der besten Spieler gegen Leipzig zu betiteln, lief viel, schmiss sich in die Zweikämpfe, versuchte Bälle effektiv zu verarbeiten und weiterzuleiten. Ein Torabschluss erwuchs aus all diesen Aktionen aber nicht. Denn der gesamten Hannoveraner Mannschaft gelang es nicht, sich temporeich nach vorne zu kombinieren und so ihren wuchtigen Stürmer mit Flanken zu füttern, was vor allem an einer geringen Laufbereitschaft oder auch einem geringen Laufvermögen von Hannover lag. Gegen schnelle und zielstrebige Leipziger geriet 96 in keinem Bereich des Spielfeldes in Überzahlsituationen, um sich durch diese in aussichtsreichere Regionen zu spielen.

Ob eine Verbesserung des Fitnesszustandes, den Thomas Doll nach dem Spiel bei einigen seiner Spieler bemängelte, zur allgemeinen Verbesserung beiträgt, bleibt abzuwarten. Ohne die „A-Besetzung“ der Hannoveraner Offensive mit den verletzten Linton Maina, Ihlas Bebou, Noah-Joel Sarenren-Bazee, Niclas Füllkrug und dem bei der Asienmeisterschaft weilenden Genki Haraguchi scheinen auch Thomas Doll die offensiven Hände gebunden zu sein.

So sahen es wohl auch die Fans von Hannover 96, die nach Abpfiff das Stadion so schnell wie lange nicht verließen, sodass die Spieler, noch auf dem Platz, vor nahezu leeren Rängen standen.

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