Wunstorf (red). Gibt es in all den unschönen Nachrichten auch mal wieder gute? Es gibt sie, und zu ihnen dürfte eindeutig die Wiedereröffnung des Bastelladens in der Wunstorfer Fußgängerzone zählen. Für viele hatte es schon einer mittleren Katastrophe geglichen, als Bastelladen-Besitzerin Petra Sommer im vergangenen Jahr angekündigt hatte, den Laden aufgeben zu wollen. Denn einerseits ist der Laden ein scheinbar unendliches Reservoir für Kreativzubehör und Bastelideen, gehört andererseits aber auch zu der Geschäftsgattung, die heutzutage selten geworden ist: Derart spezialisierte stationäre Läden bekamen in Zeiten des erblühenden Online-Versandhandels schon vor 20 Jahren massive Schwierigkeiten, sich am Markt zu halten, doch Sommer war sogar die Etablierung in der Wunstorfer Fußgängerzone geglückt. Der „Bastelladen“ war insofern schon etwas Besonderes unter den Geschäften der Innenstadt und trug nicht nur gefühlt zur Familienfreundlichkeit der Stadt bei.
„Wir wollen mehr sichtbar sein in Wunstorf und der Fußgängerzone“
Lars Hansen
Am Ende war es nun doch zu schwierig geworden. Was einst als Hobby begonnen hatte und schließlich zum Beruf geworden war, entwickelte sich in der aktuellen wirtschaftlichen Lage zur Kraftanstrengung, die zu groß wurde für ein einziges Paar Schultern. An diesem Punkt kam Ex + Job ins Spiel, das auf die anstehende Schließung aufmerksam geworden und daraufhin mit einem Übernahmeangebot auf Sommer zugegangen war. Nach kurzer Bedenkzeit hatte sich Sommer dann für den neuen Weg entschieden – und kann nun unter dem Dach von Ex + Job weiter ihr Herzensprojekt lenken. Dafür wechselte sie von der Selbständigkeit ins Angestelltenverhältnis bei Icks Plus.
Die einstige Entscheidung, den Bastelladen vom Alten Markt in die Lange Straße zu verlegen, war eine Weichenstellung, die den Laden nun letztlich zum zweiten Male rettete. Denn der Standort war mitentscheidend, dass Ex + Job den Laden jetzt übernommen hat. In Randlage wäre man nicht eingestiegen, sagt Ex-und-Job-Geschäftsführer Lars Hansen. Ziel ist neben dem Erhalt des Angebotes, als Unternehmen in der Stadt sichtbarer zu werden. Denn selbst viele Wunstorfer wissen nicht, was Ex + Job und Icks Plus eigentlich sind – oder verknüpfen es traditionell nur mit Küsters Hof, wo Ex + Job seine Wurzeln und lange Zeit auch seinen Schwerpunkt hatte. Dabei ist der Verein mit seinen Unternehmungen viel breiter aufgestellt – und tritt z. B. neben dem durchaus bekannten Gebrauchtmöbelgeschäft in Bahnhofsnähe nun eben auch als Betreiber eines Bastelbedarfgeschäftes im Zentrum auf.
Der Verein Ex + Job Soziale Dienstleistungen mit der gemeinnützigen Tochter Ex + Job Arbeit und Freizeit GmbH bietet Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder Menschen mit einer Suchterkrankung zahlreiche Angebote zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und zur beruflichen Wiedereingliederung. Des Weiteren gibt es Wohngruppen. Icks Plus ist ein vom Land Niedersachsen gefördertes Integrationsprojekt von Ex + Job. Der Verein hat von Anfang an dafür gearbeitet, dass Menschen mit einer Behinderung gleichwertig am Arbeitsleben teilnehmen können.
Weiteres Engagement in der Innenstadt ist für die Zukunft nicht ausgeschlossen, auch noch näher zur Stadtkirche wäre man gern vertreten – doch aktuell bleibt es beim Bastelladen an gewohnter Stelle. Für zunächst die kommenden 5 Jahre ist das Angebot in der Langen Straße gesichert.
Am Namen hat man festgehalten, aber die eigene Marke noch davorgesetzt, und aus Pink wurde das bekannte Blau-Orange: Statt wie bisher „Der Bastelladen“ heißt es nun „Icks Plus – Der Bastelladen“.
Viel verändert hat sich nicht im Laden, der Aufbau ist der alte geblieben, nur einige Regalmeter sind ausgetauscht und neu bestückt worden. Das große Papier- und Kartonsortiment bleibt ebenso erhalten wie auch die zahlreichen Kreativstempel.
Petra Sommer stand am Freitag schon wieder hinter dem Tresen an der Kasse, wuselte durch die Ladengänge und zog mit sicherem Griff auch noch das kleinste Zubehörteil aus noch einer Schublade, die aus dem Nichts aufzutauchen schien, um das Gesuchte herbeizuzaubern. Trotz Schneeregens hatten schon zum Wiedereröffnungstag viele Neugierige einen Blick in den Laden geworfen, hatten sich von Coffee-Bike und Glücksrad anlocken lassen. Aber mancher Kunde nutzte auch gezielt die erstmögliche Gelegenheit nach der vorübergehenden Schließung, um sich wieder mit Bastelzubehör einzudecken.
Sommers bisherige drei Mitarbeiterinnen werden ebenfalls weiterbeschäftigt – und künftig bekommt der Laden sogar noch Verstärkung aus dem Mitarbeiterpool von Icks Plus. Auch in diesem Punkt fügt sich die Neuerwerbung Bastelladen ideal ins Gesamtkonzept des integrativen Unternehmens ein.
Weitere Synergieeffekte entstehen durch die großen Räumlichkeiten von Icks Plus, auf die nun auch der Bastelladen zurückgreifen kann: Die besonderen Bastel-Aktionen etwa sollen ebenfalls zurückkehren und finden dann aber nicht mehr im engen Ladengeschäft, sondern in größeren Räumen von Icks Plus statt.
Eigentlich hatte man geplant, schon früher im Februar wieder zu eröffnen, doch die Inventur entpuppte sich als Herkulesaufgabe: Ziemlich genau 4 Wochen hatte man sortiert, gezählt und gerechnet, bis die gesamte Ladenausstattung erfasst war. Das darf im Grunde nicht überraschen: Insgesamt 23.000 verschiedene Artikelarten gibt es im Bastelladen, allein der am häufigsten vorkommende Artikel ist in einer Stückzahl von 13.650 vorhanden: die Summe der silbernen Perlensorte kann Petra Sommer inzwischen auswendig.
Zur Wiedereröffnung kamen auch Citymanagerin Tanja Berg und Wirtschaftsförderer Uwe Schwamm vorbei – auch seitens der Stadt freut man sich über das Engagement von Icks Plus, dass es weitergeht beim Bastelladen und ein neuer Leerstand in der Langen Straße vermieden wird.
Schreibe einen Kommentar