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Über alte Rivalitäten, Gesamt-Wunstorfer und den Spleen mit der Steinhuder Fahne im Garten

28.03.2020 • Daniel Schneider • Aufrufe: 423

Wunstorfs Bürgermeister Rolf-Axel Eberhardt im monatlichen Auepost-Interview

28.03.2020
Daniel Schneider
Aufrufe: 423

Rolf-Axel Eberhardt

Wie groß ist die Rivalität zwischen Steinhudern und Kernstädtern?
Das gibt es nicht mehr. Wir haben mit Herrn Bredthauer oder Frau Schweer aus Steinhude exzellente Gesprächspartner. Ich habe nicht den Eindruck, dass sie sich als Rivalen fühlen, nach dem Motto „Steinhude first“. Das Verhältnis ist kooperativ, man hat die Gesamtstadt im Blick. Frau Schweer ist CDU-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, der Stadtbrandmeister kommt aus Luthe. Es werden die Qualifiziertesten genommen, nicht nur aus der Kernstadt, sondern aus allen Ortschaften. Wir verstehen uns als eine Stadt.

Es gibt überhaupt kein Abgrenzungsdenken mehr?
Rivalitäten gab es früher durchaus, aber die haben nachgelassen. In den 70er Jahren gab es die große Kritik, als sie ihre Selbstständigkeit als Gemeinden verloren und als Ortsteile zur Stadt Wunstorf kamen. Sie hätten früher gern eine „Samtgemeinde Seeprovinz“ gegründet, um größere Eigenständigkeit zu behalten. Aber ich bezweifele, dass sie leistungsfähig genug gewesen wären aufgrund der Steuereinnahmen. Denn gerade in Steinhude hat Wunstorf später eine Menge investiert. Denken Sie an die Graf-Wilhelm-Straße, an die Parkplätze, die Grundschule. Die Feuerwehr hat immer ordentliche Fahrzeuge bekommen. Wir werden auch weiterhin viel investieren, und das wird auch anerkannt im Ort.

Ein genereller Zentralismus ist aber vorhanden?
Ja, weil wir eben auch hier die meiste Infrastruktur haben, aber es fließt nicht alles nur in die Kernstadt hinein, auch die Ortsteile werden bedacht. Etwas anderes würde auch meinem Verständnis als Bürgermeister widersprechen.

„Steinhude first“ gibt es nicht

Gab es Bestrebungen seitens Neustadt, sich Steinhude einzuverleiben?
Nein, die Neustädter hatten das Problem mit Mardorf auch, im Steinhuder Raum war aber die Besonderheit, dass sie zu einem anderen Landkreis gehörten. Die Schaumburger mussten bei der Gebietsreform Steinhude und Großenheidorn an den Landkreis Hannover abtreten. Das hat Wunden geschlagen damals. Die Entscheidung lag aber beim Land. Die Gemeinde- und Gebietsreform hat in ganz Niedersachsen viele Wunden erzeugt, dass man heute so eine Reform nicht noch einmal wagt. Obwohl es erforderlich wäre. Danach ist damals auch die Regierung abgewählt worden. Aus heutiger Sicht ist diese Reform aber immens wichtig gewesen, denn ganz kleine Kommunen, so wie Steinhude mit 5.000 Einwohnern, können selbst nicht mehr die Leistungsfähigkeit erbringen, die benötigt wird.

Wo müssten die Grenzen heute noch einmal neu gezogen werden?
Man könnte nach dem Vorbild Hannovers überall Regionen gründen, um ganz kleine Landkreise abzuschaffen. In Friesland gibt es z. B. sehr kleine Landkreise. Oder bei den kleineren Städten im Harz könnte man noch einmal schauen, ob man die Verwaltungseinheiten vergrößert.

Wird sich rund um Wunstorf noch einmal etwas ändern?
Nein, vor 20 Jahren mit der Gründung Region Hannover wurden auch die Zuständigkeiten geändert, wir haben welche vom Landkreis übernommen, und Hannover hat einige an die Region abgegeben. Dadurch ist ein „Mehr-als-Landkreis“ entstanden mit selbstbewussten Umlandgemeinden und einem leistungsfähigen Hannover. Dieses Modell hat sich bewährt.

Gibt es denn noch Rivalitäten abseits der Politik? Ist das noch in den Köpfen der Bürger drin?
Das ist eine Generationsfrage. Das wird immer weniger werden, aber bei den alten Steinhudern ist das natürlich noch so.

Weil sie sich nicht gern als Wunstorfer betrachten?
Weil sie sich gern als Steinhuder sehen und vor allem als Schaumburger. Auch in Großenheidorn ist das noch zu spüren.

Sie haben im eigenen Garten einen Fahnenmast. Was beflaggen Sie da?
Zwei Masten. Im Augenblick habe ich Wunstorf und Münster – da meine Enkel zu Besuch gekommen sind (lacht).

Flagge Steinhude

Flagge Steinhudes | Foto: Daniel Schneider

Wenn Ihr Haus nicht in der Kernstadt, sondern in Steinhude stehen würde, welche Fahne würden Sie hissen? Steinhude oder die Stadtflagge?
Sie werden lachen, ich hisse auch manchmal die Steinhuder Fahne im Garten. Wenn Schützenfest in Steinhude ist oder festliches Wochenende. Ich habe auch die Hagenburger Fahne geschenkt bekommen, auch die hatte ich schon ein- oder zweimal aufgezogen. Meine Frau belächelt das, aber das ist ein Spleen von mir. Ich habe auch eine Fahne als Sonderanfertigung zum Geburtstag geschenkt bekommen, auf der alle Wunstorfer Ortsteilfahnen enthalten sind. Aber ich hisse auch die einzelnen Fahnen der Ortsteile. Ein paar historische Fahnen habe ich auch. Ich finde es gut, dass man auch die Ortschaften in der Kernstadt beflaggt. Das ist eine nette Tradition, das verbindet die Stadt.

Die Mentalität in den Ortschaften, das Ortsbewusstsein – bleibt das erhalten oder nimmt es sogar zu?
Ich befürchte, dass es weiter abnehmen wird. Wir haben jedes Jahr 1.500 Zuzüge und genauso viele Abgänge. Die ziehen ja nicht alle in die Kernstadt, sondern auch in die Ortsteile. Da gibt es die unterschiedlichsten Denkweisen. Wer von Hannover nach Luthe zieht, der bringt nicht automatisch ein Luther Bewusstsein mit und sieht sich nicht nur als Luther. Die wenigen Luther Bauern, die wir noch haben, haben z. B. noch einen Luther Esprit, aber das verwächst.

„Die Bauern haben noch Luther Esprit“

Wäre eine Gebietsreform innerhalb der Stadt noch einmal denkbar? Werden Steinhude und Großenheidorn irgendwann verschmolzen?
Politisch wird es durchaus diskutiert, weil es Mangel an Lokalpolitikern gibt. Oft bleiben sogar Plätze unbesetzt, weil es keine Nachrücker gibt. Deutlich ist das zu merken in Idensen, Bokeloh, Mesmerode, aber auch in Steinhude. Da fehlt politischer Nachwuchs. Das kann letztlich dazu führen, dass man irgendwann einen gemeinsamen Ortsrat bildet, wenn es gewollt ist. Das werden Sachzwänge irgendwann ergeben. Im Augenblick ist das aber nicht angedacht, aber ausschließen möchte ich das nicht.

Das bezieht sich aber nur auf die politischen Gremien? Es wird in der Zukunft kein „Großensteinhudorn“ als Ortsteil geben?
Nein, darin sehe ich auch keinen Vorteil. Wieso sollte man die historischen Gemarkungsgrenzen nicht lassen, wie sie sind? Wir sind eine Stadt, die Steuern werden zentral verwaltet, in den Ortschaften gibt es Wünsche, und die werden weitestgehend berücksichtigt. Manchmal stehen dem Wünsche der Region entgegen. Verlangt wurde etwa, dass wir Baugebiete dort erschließen, wo die beste Infrastruktur besteht, also z. B. rund um den Bahnhof in der Kernstadt. Doch auch die Ortschaften fordern Baugebiete, und in Steinhude wird jetzt ein neues entstehen. Manchmal scheitert es auch an der Umweltsituation, oder die Landwirtschaft bremst. Dadurch wird die Eigenentwicklung behindert.

Gibt es Vorbehalte in den Ortsteilen gegenüber der Kernstadt à la „ihr habt doch die Mehrheit, ihr entscheidet sowieso gegen uns“?
Das gibt es nicht. Das habe ich noch nie erlebt, dass es einen Kampf Kernstadt gegen Ortsteil gab. Nur umgekehrt kann es passieren, dass ein Ortsteil etwas Bestimmtes haben möchte, und alle anderen Ortsteile sind dann dagegen. Beim Straßenbau, bei den Schulbudgets, bei der Prioritätenlistung zur Umwandlung zu Ganztagsschulen. Ein Beispiel ist auch das Feuerwehrgerätehaus in Bokeloh. Dazu sollte es eigentlich auch noch ein neues Fahrzeug geben, doch das geht jetzt an die Feuerwehr Luthe.

Feuerwache Bokeloh

Feuerwehr Bokeloh | Foto: Daniel Schneider

Aber nicht, weil der Stadtbrandmeister aus Luthe kommt?
Nein, das sind wieder Sachzwänge. Aber das nächste Fahrzeug bekommt dann wieder Bokeloh.

Freuen Sie sich schon, was die Bokeloher sagen, wenn das Freibad endgültig geschlossen wird?
Mein Nachfolger oder meine Nachfolgerin wird die Dinge schon richten (lacht). Auch in der Kernstadt sagen aber viele, dass sie das Freibad in Bokeloh behalten wollen, es ist nicht unbedingt nur ein Bokeloher Problem. Generell muss ich dazu sagen: Als die Gemeindegebietsreform drohte, hat sich jeder Ortsteil ein eigenes Bad geschaffen. Sogar Steinhude wollte sich ein Hallenbad bauen, woraufhin dann sogar ein Staatskommissar anstelle des Stadtrates eingesetzt werden musste.

Ein Staatskommissar?
Steinhude gehörte noch zu Schaumburg, und der damalige Oberkreisdirektor sah mit Sorge, wie Steinhude mit Beschlüssen die eigene Infrastruktur verbessern wollte, obwohl der Haushalt das eigentlich nicht hergab. Die Sorge bestand, dass ein völlig überschuldeter Flecken Steinhude an Wunstorf angedockt wird. Es gab eine Anzeige beim Regierungspräsidenten, da der Oberkreisdirektor mit kommunalaufsichtlichen Mitteln keinen Erfolg hatte. Da die Steinhuder aber an ihren Beschlüssen festhielten, hat daraufhin der Regierungspräsident den Rat abgesetzt und stattdessen einen Staatskommissar eingesetzt. Also einen niedersächsischen Landesbeamten, der die Kommunalverwaltung fortführen sollte. Bereits nach zwei Wochen wurde er wegen Verfahrensfehlern zwar wieder abgesetzt, doch es führte dazu, dass die Vernunft wieder einkehrte.

Der Trend geht zum Gesamt-Wunstorfer, aber die Identität der Ortsteile bleibt erhalten

Was wollten die Steinhuder noch unbedingt bauen?
Es ging um Investitionen für den Fremdenverkehr. In diesen Zeiten entstand auch das Freibad in Luthe, das Freibad in Bokeloh und das Hallenbad in Wunstorf. Und Steinhude wollte eben auch noch ein Hallenbad. Von da an war die ganze Bäderlandschaft überfrachtet. Die Ortsteile sagten sich, „das bekommen wir sonst nie wieder, wenn erst einmal alles zentral in Wunstorf gebaut wird“. Da ist auch was dran, weil wenn man ein Bad baut, dann soll es auch aus allen Ortschaften gut zu erreichen sein. Also setzt man es in die Mitte. Auch in Großenheidorn entstand deswegen die Mehrzweckhalle, mit Verträgen, die der Stadtentwicklung nicht guttaten. Wenn wir das Bokeloher Freibad irgendwann schließen, dann hat das technische und wirtschaftliche Gründe, keine politischen.

Das kann aber schnell gehen? Wenn das Becken weiter abkippt oder die Warmwasserzufuhr entfällt?
Ja, das kann passieren. Das heißt nicht, dass wir in Bokeloh nicht mehr investieren werden. Solange es geht, wird es gemacht. Aber wir werden kein ganz neues Bad bauen. Die Funktion des Freibades für ganz Wunstorf wird dann das erweiterte Hallenbad übernehmen.

Das „Elements“ liegt zwar in der Kernstadt, aber auch nicht unbedingt zentral. Ist es denkbar, diesen Standort noch einmal zu verändern, wie es zuletzt in Neustadt passiert ist?
Nur wenn wir einen großen Gewerbesteuerzahler bekommen, so dass wir nicht mehr wissen, wohin mit dem ganzen Geld. Das sehe ich aber nicht. Wir haben in den letzten 20 Jahren erhebliche Summen ins Elements investiert. Von daher stellt sich die Frage nicht.

Schauen Sie in diesem Zusammenhang auch auf Neustadt?
Natürlich, wir schauen uns andere Bäder an und sehen auch, was wir noch besser machen können. Aber klar, die Neustädter kommen erst einmal nicht mehr zu uns. Wir haben ja nicht umsonst die Saunaanlage gebaut vor 10 Jahren, wir können uns nicht nur als Schlafstadt begreifen, wir müssen kulturelle und sportliche Freizeitangebote schaffen, und Schwimmen gehört auch dazu.

War es damals ein Fehler, das Hallenbad in die Barne zu setzen?
Das große Sportzentrum befand sich bereits in der Barne, und da die Politiker ein Sportbad haben wollten für Wettkämpfe, erschien es attraktiv, alles an einem Ort zu haben, auch wegen der Parkplätze. Das hat sich völlig geändert, heute will man ein Freizeitbad haben. Würde man es jetzt bauen, würde man es an die B 441 nach Luthe setzen oder auch nach Steinhude, weil sich hier der Fremdenverkehr konzentriert. Ein großer Fehler war, dass man es nur finanzieren konnte, indem man damals die Stadtwerke verkaufte. Inzwischen sind wir dabei, unser Stromnetz zurückzukaufen. Heute würden wir das mit Sicherheit anders machen.


Die Fragen stellten Daniel Schneider und Mirko Baschetti
Dieses Interview erschien zuerst in Auepost 03/2020.

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