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Mit Signalrot gegen Gewalt an Frauen: In Wunstorf steht die erste „Rote Bank“

05.03.2024 • Daniel Schneider • Aufrufe: 2979

Normale, bräunlich-rote Sitzbänke gibt es bereits in Wunstorf, aber sie hatten keine besondere Bedeutung. Die signalrote Bank, die nun am Barneplatz aufgestellt wurde, ist dagegen ein Aufruf an die Gesellschaft, gegen Gewalt an Frauen einzustehen. Für manche Passanten ist die Aktion aber noch erklärungsbedürftig.

05.03.2024
Daniel Schneider
Aufrufe: 2979
Wunstorfs Gleichstellungsbeauftragte Marija Giessen (li.) und Ratsfrau Daniela Helbsing auf der roten Bank | Foto: Daniel Schneider

Wunstorf (ds). Im vergangenen Jahr war Wunstorfs Gleichstellungsbeauftragte mit der Idee an die Politik herangetreten: Rote Bänke sollten künftig im Stadtbild auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen. Die Idee war vom Ortsrat Wunstorf positiv aufgenommen worden und es wurde nach einem geeigneten Platz gesucht. Gefunden wurde er am frisch renovierten Barneplatz, direkt vor dem Projekt Kurze Wege. Am gestrigen Montag, den 4. März, war nun die Einweihung.

Eine Passantin fragte angesichts des Trubels am Barneplatz, was denn da los sei. Auf die Erklärung, dass es bei der roten Bank um Gewalt gegen Frauen ginge, kam die skeptische Rückfrage: „Und von dort kann man dann einen Notruf absetzen? Was soll da eine Bank bringen?“ Dass es eine symbolische Aktion ist, muss sich offenbar erst noch verbreiten.

Die Bank steht rechts an der Fassade von Kurze Wege am Barneplatz | Foto: Daniel Schneider
Bürgermeister, Gleichstellungsbeauftragte, Vertreter von Frauen für Frauen, Projekt Kurze Wege und Wunstorfer Bauverein gemeinsam am eingeweihten Objekt. Die Firma von Thomas Hinze (li.) hatte die Bank in Rot gestrichen | Foto: Daniel Schneider
Nicole Brickwedel von Kurze Wege erklärt die Fotobox – damit ließ sich am Montag das eigene Platznehmen auf der Bank dokumentieren | Foto: Daniel Schneider

Damit sich die Idee verbreitet, auch dazu waren die Gäste zur Einweihung gekommen, darunter Bürgermeister Carsten Piellusch (SPD), Ortsbürgermeister Silbermann (SPD), weitere Kommunalpolitiker, Mitglieder des Runden Tisches gegen Häusliche Gewalt, der Verein Frauen für Frauen, die Verwaltungsspitze des Wunstorfer Bauvereins und die Presse. In den Räumlichkeiten von Kurze Wege wurde die Einweihung begangen. Anlässlich der Bankaufstellung waren auch zwei Poetry Slammer eingeladen: Antonia Josefa und Philip H. D. Kohne traten auf und verarbeiteten auf tiefgründige wie wortstarke Weise das Thema Gewalt gegen Frauen und patriarchale Ketten in Versform.

Auch in Wunstorf werden Frauen Opfer

Dass häusliche Gewalt gegen Frauen kein fernes Problem ist, sondern auch in Wunstorf regelmäßig vorkommt, bestätigte Svitlana Hoffmann vom Verein Frauen für Frauen den Anwesenden. Gleichstellungsbeauftragte Marija Giessen führte es noch drastischer vor Augen, indem sie sagte: „Auch hier in diesem Raum gibt es Frauen, die häusliche Gewalt erlebt haben.“

In Deutschland wird jede dritte Frau in ihrem Leben mindestens einmal Opfer von physischer oder sexualisierter Gewalt. Sie findet meist zu Hause hinter verschlossenen Türen statt. Fast jeden dritten Tag stirbt in Deutschland eine Frau durch häusliche Gewalt.
Philip H. D. Kohne und Antonia Josefa slammen | Fotos: Daniel Schneider
Teilnehmer bei der Bankeinweihung | Foto: Daniel Schneider

Viele, die zur Bankaufstellung gekommen waren, trugen etwas Rotes – einen Schal, ein Oberteil, eine Jacke. Auch das Innenfutter der AfD-blauen Jacke von Ratsmitglied Detlev Ulrich Aders war zufällig rot. Aders war zur Einweihung gekommen, obwohl seine Fraktion im Stadtrat bei der Haushaltsdebatte zuvor gegen eine städtische Förderung für den Wunstorfer Verein Frauen für Frauen argumentiert und damit einen Eklat ausgelöst hatte. Unter anderem die Gleichstellungsbeauftragte hatte damals den Saal verlassen.

Entsprechend verwundert waren am Montag einige Anwesende über die Präsenz von Aders. Gegenüber der Auepost sagte Aders nun, dass die Beweggründe für die Kritik nicht gewesen seien, sich gegen die Frauenberatung des Vereins zu positionieren, sondern dass man nach Einsparungen gesucht und diese in Kursen gesehen habe, die nichts speziell mit Frauen zu tun hätten. Etwa an Kursen wie „Die Intelligenz des Darms“ hatte sich die Fraktion ähnlich gestört wie am VHS-Kurs „Pferdesprache lernen“. „Finde ich gut“, sagte Aders hingegen zur nun aufgestellten roten Bank.

Ein Scheck über 1.000 Euro vom Wunstorfer Bauverein an Frauen für Frauen Wunstorf | Foto: Daniel Schneider

Der Stadtrat hatte letztlich mit Mehrheit die Förderung für Frauen für Frauen bewilligt, und nun kam noch Weiteres obendrauf: Denn der Wunstorfer Bauverein, in dessen Gebäude das Projekt Kurze Wege Mieter ist, spendete anlässlich der Bankaufstellung den Erlös des eigenen Weihnachtsmarktes an Frauen für Frauen. Ein Scheck über 1.000 Euro ging an den Verein.

Ein Zeichen setzen – einfach durch Hinsetzen

Giessen äußerte die Hoffnung, dass künftig weitere Rote Bänke in der Stadt aufgestellt werden könnten. Bürgermeister Piellusch unterstützt diesen Wunsch – er ging davon aus, dass bald weitere Bänke stehen werden.

Doch warum nun eigentlich eine rote Bank? Wer auf ihr Platz nimmt, kann damit nicht nur sich, sondern auch ein Zeichen setzen gegen Gewalt an Frauen. Die Idee dazu geht zurück auf die Aktion „Panchina rossa“ aus Italien. Dort steht sie seit 2016 im öffentlichen Raum als Symbol gegen häusliche Gewalt. Jede getötete Frau hatte, bevor ihr Leben von einem (Ex-)Partner beendet wurde, „einen Platz im Theater, in der Straßenbahn, in der Schule, in der Gesellschaft“. Mit der roten Bank wird diesen Frauen symbolisch auch ein Platz in der Gesellschaft zurückgegeben.

Wie die roten Bänke stehen auch die leeren roten Schuhe für getötete Frauen und Opfer häuslicher Gewalt | Foto: Daniel Schneider

Die „Rote Bank“ soll das Thema in der Öffentlichkeit sichtbar machen, Bewusstsein erzeugen und einen Appell darstellen, gemeinsam gegen Gewalt an Frauen vorzugehen. Die Bank am Barneplatz trägt den Schriftzug „Gewalt an Frauen hat keinen Platz / Platz nehmen gegen Gewalt an Frauen“. Eine Infoplakette an der Bank selbst informiert damit über die Aktion und bietet über einen QR-Code weitere Infos, tatsächlich auch zu Hilfemöglichkeiten für Betroffene. So lässt sich an der Bank zwar kein Notruf absetzen – aber doch Hilfe finden.

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Kommentare


  • Nanouk sagt:

    Ja klar, Gewalt gegen Frauen ist abartig, aber für eine olle rot gepinselte Bank ist Geld da, so ein Blödsinn!!! Ganz ehrlich, an anderer Stelle, wäre das Geld besser angelegt. Wann kommt die grüne, gelbe oder karierte Bank, bei Gewalt gegen Männer, da spricht eh Keiner von, traurig!!!

  • Detlev Ulrich Aders sagt:

    Das war eine ganz wichtige Veranstaltung, um ein klares Zeichen gegen Gewalt gegen Frauen zu setzen. Diese und den Sinn der Bank samt historischem Hintergrund, sowohl die Position der AfD im Orts- und Stadtrat (ausschließlich frauenbezogene Projekte des Vereins sind unserer Meinung nach unterstützenswert) hat Herr Schneider wie gewohnt hervorragend wiedergegeben. Typisch für die Auepost.

  • Heinz-Dieter Badke sagt:

    Was das geltende Strafrecht und die Justiz bisher nicht verhindern bzw. eindämmen konnte, soll nun dadurch gelingen, in dem mit zum Ausdruck gebrachter Zeichensetzung sich auf rote Bänke gesetzt wird. Typisch zeitgeisige realitätsferne Parolenkultur.
    Ein verhaltensorigineller Feldversuch, der nichts einbringt und scheitern wird. Angesichts der düsteren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aussichten für die Zukunft in diesem Land wird sich die Gewalt gegen Frauen wohl eher ausweiten. Allein rote Bänke in jeder Straße und moralische Empörung werden die Gewalt nicht verringern.
    Ich bin natürlich gegen Gewaltanwendung gegen Frauen in jedweder Form.
    Also werde ich mich in Kürze trotz meiner Anmerkungen auf die rote Bank setzen.
    Annehmend, dass ich als Mann (zweifelsfrei nach amtlicher Geburtsurkunde und biologisch) das auch darf.

  • Andrea sagt:

    Ich bin eine Frau, ü50.
    Zwei Fragen hab ich: der Sinn der roten Bank liegt genau wo? Dass ein Mann daran vorbei latscht und denkt ‚uih, heute vermöbel ich meine Frau mal nicht?‘
    Und zweitens, und das interessiert mich viel mehr: was ist so schlimm daran, dass jemand von der Afd an der Veranstaltung teilnimmt??? Vermöbeln die ihre etwa ihre Frauen täglich?
    Wenn mir jemand beide Fragen in kurzen einfachen plausiblen Sätzen erklären kann, bin ich froh… denn der Artikel hat mir nicht sonderlich geholfen.

    • Elke sagt:

      Den Bezug zur AfD erkennen Sie, wenn Sie das kommunalpolitische Geschehen in Wunstorf verfolgen; hier die Äußerungen im Rahmen der öffentlichen Haushaltsberatungen und des Beschlusses des Rates im Dezember 2023.

      Natürlich darf die AfD teilnehmen; vor dem Hintergrund der Äußerungen bzgl. des Zuschusses verwunderte die AfD-Teilnahme jedoch die anderen Teilnehmenden. Nun hat Herr Aders das ja nochmal klargestellt.

  • Anonymous sagt:

    Diese rote Bank ist meiner Meinung nach eine ganz arme Symbolpolitik, die niemandem und schon gar keinen Frauen in irgendeiner Weise hilft und durch die sich irgendwelche seltsamen Menschen moralisch beruhigen und besser fühlen wollen. Was nützt es einer Frau, die nach Einbruch der Dämmerung in Wunstorf in der Barne Angst haben muss, vergewaltigt zu werden, wenn dort eine bekloppte rote Bank steht, von der aus sie noch nicht einmal einen Notruf absetzen kann? Nichts! Aber die Gutmenschen haben vorgeblich wieder etwas Gutes getan und klopfen sich moralisch gegenseitig auf die Schultern, ohne auch nur im Mindestens an die Wurzeln des Problems zu gehen. Einfach nur eine erbärmliche Veranstaltung.

  • R. Habeck sagt:

    Eine rote Bank! Wow. Das wird den „hiter verschlossenen Türen verprügelten und missbrauchten“ Frauen aber helfen. Ich vermute nur mal so, dass die Rot ist weil die SPD da ein Zeichen für sich setzt. Ich bin gegen jede Form von Gewalt.
    Ich bin für Demokratie!! Und Demokratie ist, wenn man einer der aktuell meist gewählten off.Partei angehört und deswegen niemand den Saal verlässt oder mit seiner „AfD-Blauen Jacke“ extra noch mal in dem „Roten“ Artikel erwähnt werden muss. Das wäre Demokratie.

    Und die Bank, die interessiert niemanden. Außer nette Artikel für die SPD

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