Bad Nenndorf/Kolenfeld (ds). „Wir wollen hier niemanden ärgern“, sagt Cord Lattwesen. Die Bauern wollten sichtbar sein, aber keine Sympathien in der Bevölkerung verspielen. Dieser Spagat gelingt nicht immer. Als Landwirte am letzten Januartag die Autobahnabfahrten südlich von Kolenfeld blockieren, gibt es positive, aber auch schlimme Reaktionen. Es ist schwer zu sagen, was die Verkehrsteilnehmer in der Mehrheit denken.
Auf der Straße stehe man weiterhin, um die grundsätzliche Agrarpolitik zu verändern, berichtete Lattwesen im Gespräch mit der Auepost. Der Landwirt, der auch Bürgermeister in Hohnhorst ist, beschreibt die allgemeine Situation der Bauern, die mit zunehmender Bürokratie und als unsinnig wahrgenommenen Vorschriften kämpfen.
Es herrscht das Gefühl vor, „nicht für voll genommen“ zu werden. Versprechen würden von der Politik nie eingehalten. „Das ist einfach nur noch blanke Verarschung“, sagt Lattwesen. „Noch mehr Tierwohl, noch weniger Düngen – und auf der anderen Seite fährt der gleiche Minister nach Brasilien und Argentinien und sagt: Mercosur, das muss kommen.“
Alle Länder würden den EU-Regeln noch etwas obendrauf setzen, die Lage weiter verschärfen. Jedes Land setze damit z. B. eigene Akzente im Umweltschutz, die am Ende jedoch von den Bauern ausgebadet werden müssten, erzählt der Hohnhorster.
Verbraucherfinanzierte Umlagen kämen dagegen nicht im richtigen Maße an: Wenn jemand die Wahl habe, ob er nur 10 Cent mehr für den Liter Milch ausgebe zur Unterstützung der Landwirtschaft oder aber auch zur günstigeren Packung direkt daneben greifen könne, dann sei „doch klar“, wofür sich die Konsumenten entschieden.
„Das ist einfach nur noch blanke Verarschung“
Was die Landwirte weiterhin auf die Straße treibe, sei auch die erdrückende Bürokratie, sagt Lattwesen. Vorschriften gingen teils gravierend an der Lebenswirklichkeit vorbei – Papierkram und Meldepflichten borden über. Es sei genau geregelt, wie viel Prozent Ackerfläche nicht bestellt werden dürfe, jeder Gülleauftrag sei regelmäßig per App zu melden.
Lattwesen beschreibt die Unflexibilität der bürokratischen Verfahren an einem persönlichen Beispiel: Bis zum genauen Stichtag im Mai müsse er festlegen, was er anbaue, auch müsse festgelegt werden, welche 4 Prozent der Ackerfläche fürs nächste Jahr stillgelegt werden. Ein Jahr lang könne dort dann nichts mehr getan werden – ganz egal, ob es genug regne, ob Dürre komme oder ob das überhaupt Sinn ergebe. Wann die Ernte tatsächlich eingefahren werden könne, das spiele keine Rolle für Umweltschutzvorschriften.
Verfahren der EU wegen der Nitratbelastung des Grundwassers zielten eigentlich auf die deutsche Bundespolitik, aber ausbaden müssten es dann nur die Bauern.
An ein Ende der Proteste ist deshalb für die Landwirte nicht zu denken – es werde weitergehen, prophezeit Lattwesen, wenn auch nicht unbedingt mit Verkehrsblockaden.
Wenn die Vorschriften als unsinnig wahrgenommen werden, liegt es vielleicht daran, dass sie in einem Beamtendeutsch verfasst sind. Unsinnig sind sie nicht. Nitratbelastet Grundwasser wird auch nicht besser, wenn es regnet. Ich kaufe eine Tüte Milch auch wenn sich mehr als 10 Cent teurer ist. Hauptsache ist doch, dass das Geld beim Erzeuger ankommt und nicht beim Handel und den Molkereigenossenschaften hängen bleibt. Ich hoffe, dass diese Kommentar veröffentlicht wird.