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Ein Supermarkt zum Klönschnacken

17.03.2020 • Achim Süß • Aufrufe: 1356
17.03.2020
Achim Süß
Aufrufe: 1356

Nach fast zwei Jahrzehnten ist ein alter Traum Realität geworden: Bokeloh hat wieder einen Lebensmittelladen in der Dorfmitte.

Im Dorfladen Bokeloh

An der Dorfladenkasse | Foto: Achim Süß

Der Mann sprüht vor Energie. Und jetzt steht er am Ende eines Weges, der vor 19 Jahren begann. Hans Schmunkamp hat mit einer Gruppe Gleichgesinnter den Dorfladen Bokeloh auf den Weg gebracht. Am ersten Tag sind 426 Kunden in das schicke, helle Geschäft an der Schaumburger Straße gekommen, bis 18 Uhr nochmal mindestens genauso viele, um einmal einen Blick hineinzuwerfen. Immer mittendrin, immer ansprechbar, immer zu Rat und Tat bereit: Hans Schmunkamp. Der 78-Jährige ist Ideengeber, Motor und Kopf der Dorfladen-Initiative.

Er selbst hört das nicht so gern. Viele seien im Einsatz für das Projekt. Das sei eine Gemeinschaftsleistung und ohne Teamarbeit gar nicht möglich. Das wird auch am frühen Abend im Gemeinschaftsraum für das Personal deutlich, als sich die Besatzung nach dem Aufräumen zur Manöverkritik versammelt und auf den gelungenen Auftakt anstößt. Da sitzt ein stolzer Hans Schmunkamp zusammen mit Renate Goslar. Die beiden sind die einzigen Hauptgesellschafter der haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft für den Dorfladen. Mit dabei auch Ortsbürgermeister Matthias Waterstradt, Florian Arndt, der für die Buchführung verantwortlich ist, Jessica Trittel, zuständig für An- und Verkauf, und Dietmar Howe, der die Bankangelegenheiten und Rechtliches im Auge behält. Die drei bilden mit Schmunkamp und Markus Brauer – Toto und Lotto – das Team der Geschäftsführer.

Gebaut auf eine breite Basis

Die Basis des Ganzen bilden 260 Gesellschafter, die sich seit der Gründung im Juni 2018 mit einer Einlage von mindestens 200 Euro beteiligt haben. Renate Goslar, die auch fast jedes Detail parat hat, erinnert sich voller Stolz an dieses Treffen: 46.000 Euro seien am ersten Abend gezeichnet worden, und inzwischen seien es schon 63.000. Mit diesem Kapital im Rücken haben die Bokeloher ihr viele Jahre altes Projekt Schritt für Schritt verwirklicht. Der Wunsch, „wieder einen Laden im Butteramt zu haben“, wie Schmunkamp sagt, sei seit 2001 immer wieder laut geworden. Zuerst in der lokalen Arbeitsgruppe zur Zukunft Bokelohs, propagiert von der früheren Pastorin Vera Christina Pabst. Dieses Ziel haben die Initiatoren nie aus dem Auge verloren, und irgendwann entstand die Idee vom Dorfladen. Zwischen 15 und 20 derartige Einrichtungen gibt es inzwischen in der erweiterten Region, und Hans Schmunkamp hat sich viele angesehen. Seine Recherchen hat er selbst in Wales fortgesetzt, wo sein Sohn mit Familie lebt. Das seien „natürlich wunderschön“ ausgestattete Läden, erzählt er strahlend. Und dann treten ihm Tränen der Rührung in die Augen: Sohn und Schwiegertochter sind zur Eröffnung über den Kanal gekommen und haben ihn und seine Helga überrascht.

Im Dorfladen Bokeloh

Hans Schmunkamp | Foto: Achim Süß

Die Dorfläden haben ein Netzwerk gebildet, in dem Ideen und Erfahrungen ausgetauscht werden. Und so sind die Bokeloher auch auf den Berater Wolfgang Gröll gestoßen. Der hat ihnen bei Ausstattung, Sortiment und Organisation geholfen, wie er das bundesweit seit Jahren erfolgreich tut. 2.000 Artikel stehen in den hochmodernen Regalen, und damit lasse sich ein Umsatz von einer halben Million Euro im Jahr oder mehr erzielen. Doch der Gewinn steht nicht im Vordergrund. Eine nahe Einkaufsmöglichkeit für die Menschen im Butteramt zu schaffen – das war und ist das Ziel. Und dabei komme es auch darauf an, die Preise günstig zu gestalten, hebt Schmunkamp eines der Prinzipien hervor. Ein Treffpunkt soll es auch sein: Ein paar Tische und Stühle stehen bereit, und wer möchte, kann sich dort Kuchen aus häuslicher Produktion und Kaffee schmecken lassen. Auch belegte Brötchen sind im Angebot. Ein Raum zum Klönen und Entspannen soll es werden, vor allem ältere Bokeloher sollen wissen: „Da kann man hingehen, auch wenn man nichts einkaufen will.“

Marmelade aus Mesmerode

Aber wer einmal dort ist, wird in den Regalen sicher doch etwas finden, was er gebrauchen kann. Von Apfel bis Zahnpasta ist alles da, Prosecco ebenso wie Zeitschriften – und auch das in diesen Tagen so rare Mehl oder das Toilettenpapier. Das Sortiment ist nicht in Stein gemeißelt. Das Team beobachtet genau Verkauf und Nachfrage. Bei Bedarf wird angepasst. Wesentlicher Teil des Konzepts: lokale Produkte. Honig aus dem Ort, Marmelade aus Mesmerode und Hagenburg, Obst aus Ohndorf, Senf aus Einbeck, Gemüse aus Liethe, Fleisch aus Leese im Vakuumbeutel. Fisch gibt’s nicht. „Noch nicht“, schmunzelt Renate Goslar. Hauptlieferant ist die Firma Bela-Langness aus Schleswig-Holstein, die auch etliche andere Dorfläden versorgt. Das Unternehmen übernimmt den gesamten Transport, die Bokeloher sind nicht gefordert. Aber trotzdem denken sie über Liefereinsätze nach: Ein Bringdienst soll das Angebot über kurz oder lang ergänzen. Schmunkamp überlegt, ein Lastenfahrrad durchs Butteramt zu schicken – zu den Menschen, die nicht mehr selbst in den Laden kommen wollen oder können. Aber erst mal soll der Betrieb im Laden richtig in Fahrt kommen.

[box type=“info“ align=““ class=““ width=““]ÖFFNUNGZEITEN: Der Dorfladen Bokeloh hat montags, dienstags, donnerstags und freitags von 7 bis 18 Uhr, mittwochs und sonnabends von 7 bis 14 Uhr geöffnet.[/box]

Darum kümmert sich ein fester Stamm von gut 30 Helferinnen und Helfern. Die haben beim Ausbau des Geschäfts kräftig mit angepackt, und die stellen jetzt den Verkauf sicher. Angeführt wird das Team von Petra Alms, die ihr bisheriges Berufsleben im Verkauf von Backwaren verbracht hat. Neben Alms arbeiten eine weitere Angestellte, fünf Minijobber und etwa 30 Ehrenamtiche.

Ein schweres Stück Arbeit

Auch wenn der Ansturm am ersten Tag auf langfristigen wirtschaftlichen Erfolg hoffen lässt: Im ersten Jahr rechnet die Dorfladen-Gemeinschaft nicht mit einem Überschuss. Aber das Projekt ist gründlich vorbereitet und wohlüberlegt. So lange es gedauert hat, die alte Idee zu verwirklichen, die Umsetzung in der Endphase verlief zügig. Nach einer positiven Umfrage im Ort Ende 2017 wurde die Unternehmergesellschaft ein halbes Jahr später gegründet. Vor 13 Monaten lag die Baugenehmigung vor, Mitte August 2019 begann der Umbau der Stadtsparkassen-Filiale zum Dorfladen. Mit der Ladeneinrichtung startete das Team in der letzten Januarwoche 2020.

Sortiment im Dorfladen Bokeloh

Volles Vollsortiment | Foto: Achim Süß

Was der Zeitplan nicht offenbart: Es war ein schweres Stück Arbeit, ein Konzept zu entwickeln, einen Helferstamm aufzubauen und bei der Stange zu halten, die Freiwilligen zu schulen – und nicht zuletzt einen Standort zu finden, die Finanzierung sicherzustellen, die Logistik zu organisieren. Mit der Stadtsparkasse Wunstorf war zwar schnell ein Vermieter gefunden, doch die Vorstellungen über die Monatsmiete ließen sich nicht in Einklang bringen, berichtet Schmunkamp. So sei die Idee geboren worden, der Sparkasse das Gebäude abzukaufen. Schmunkamp vergisst nicht, die positive Rolle zu würdigen, die in dieser Phase Bürgermeister Rolf-Axel Eberhardt gespielt hat. Heute sind die Gesellschafter stolz, diesen Weg gegangen zu sein, auch wenn es ein Risiko ist, wie Schmunkamp ohne zu zögern einräumt. Aber das sei kalkuliert und überschaubar. In einer eigenen Immobilie zu wirtschaften, ohne auf das Wohlwollen eines Vermieters angewiesen zu sein, gebe Sicherheit.

Stolz und Freude ist auch zu spüren, wenn es um die Finanzierung geht: Die Stadt Wunstorf hat einen Zuschuss von 36.000 Euro gegeben und 80 Prozent des Beraterhonorars übernommen. Weitere 90.000 Euro zahlte die Europäische Union, 45.000 die Region. So konnte das Vorhaben mit bisherigen Ausgaben von 650.000 Euro starten. Schmunkamp nennt ohne zu zögern die Details: Das 1984 fertiggestellte Haus hat 407.000 Euro gekostet, 100.000 der Umbau. Die Einrichtung des Ladens ließ sich die Gesellschaft 75.000 Euro kosten. „Wir hätten das auch billiger haben können“, gibt Schmunkamp zu. Zum Beispiel gebrauchte Regale und Geräte verwenden … Das Team habe sich aber bewusst für neue und energiesparende Technik entschieden und deshalb auch 18.000 Euro in eine Photovoltaikanlage investiert. Die beiden letzten großen Posten: 30.000 Euro für die Erstausstattung mit Waren und eine Betriebsreserve von 25.000 Euro.

Gesellschafter, Geschäftsführer und Helfer-Team haben eine anstrengende Vorbereitungszeit hinter sich und ein überzeugendes Konzept parat. Das muss sich nun bewähren. Die Kunden haben es in der Hand, eine Erfolgsgeschichte daraus zu machen.

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Ersteindruck

Im Dorfladen Bokeloh

Foto: Achim Süß

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Hinter der Theke …

Im Dorfladen Bokeloh

Foto: Achim Süß

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… stehen auch Petra Alms und Dagmar Schäfer

Im Dorfladen Bokeloh

Foto: Achim Süß

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Ortsbürgermeister und Team

Im Dorfladen Bokeloh

Foto: Achim Süß

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Entschleunigung

Spruch im Dorfladen Bokeloh

Foto: Achim Süß

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Lebensmittelsuche

Im Dorfladen Bokeloh

Foto: Achim Süß

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