Ein richtiger Menschenauflauf bei Fulgurit – offenbar ein besonderer Tag für die Firma. Das Bild, aus einer ganzen Reihe von Frohwalt Boedtger gemachter Fotos ausgewählt, zeigt mindestens 16 Menschen zwischen Eisenbahnwaggons und einem Gabelstapler auf dem Firmengelände. Das Werk hat Bahnanschluss, und heute, am 1. April 1952, werden die Waggons von einer Dampflokomotive gezogen, wie auf einem anderen Bild zu sehen ist.
Offenbar ist es kalt – man sieht Schneereste auf dem Boden und auf den Röhrenstapeln im Hintergrund, die Menschen sind dick angezogen und der Staplerfahrer hat die Hände in den Taschen. Aber das hält die Schulkinder, zwei Jungs und ein Mädchen, nicht ab, sich die Sache anzuschauen – heute undenkbar, denn auf einem Betriebsgelände mit großen Maschinen haben Unbefugte, gar Kinder, nichts zu suchen. Was passiert denn hier? Die Kisten auf dem Waggon links sind bedruckt mit der Adresse, an die der Inhalt geliefert werden soll: Colombo auf Ceylon, also die große Handels- und De-facto-Hauptstadt des heutigen Sri Lanka. Andere Bilder zeigen, dass die Kisten mit Asbestplatten gefüllt sind. Möglicherweise soll mit diesen eine Papierfabrik gedeckt oder verkleidet werden, denn der Kisten-Aufdruck enthält auch die Worte „Paper Factory“.
Wunstorf liefert also nach Ceylon im Indischen Ozean. Für das Unternehmen Fulgurit dann doch nicht so ungewöhnlich: Abnehmer und Rohstofflieferanten sind über den Erdball verteilt. Zwei Jahre vorher war Firmenboss Karl-Adolf Oesterheld höchstpersönlich mit einer Expedition in der Türkei, um nach Asbest-Vorkommen zu suchen, worüber auch der „Spiegel“ berichtete. Damals war Fulgurit noch ein Erfolgsunternehmen – lange ist’s her. Ob die Nachfolger der ceylonesischen Kunden heute noch glücklich sind über die Lieferung?
Klaus Fesche, Stadtarchiv Wunstorf
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