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Alte Komödie überzeugt die Jungen

07.10.2025 • Achim Süß • 3 Min.Kommentare: 1

Das Stadttheater fast ausverkauft, viel Applaus vom überwiegend jungen Publikum für einen alten Klassiker, der Kulturring zufrieden: Das ist die Bilanz der Aufführung von „Der zerbrochne Krug“.

07.10.2025
Achim Süß
3 Min.
Eve mit dem Krug …

Wunstorf (as). Der Kulturring ist auf der Erfolgsspur. Ein modernes Programm, das Bewährtes nicht vernachlässigt, beschert ihm wachsendes Interesse. Mit Kleists „Der zerbrochne Krug“ stand ein „Lustspiel“ von 1808 im Programm – ein scheinbar gewagter Rückgriff auf einen Klassiker. Anspruchsvoll das Stück: eine Komödie in Blankversen. Anspruchsvoll das Thema: Im Kern geht es um Missbrauch.

Dass das Wagnis der Programmmacher gelingen kann, beschreibt für die Auepost Marcel Lorenz: Heinrich von Kleists Schauspiel ist zwar bereits 1808 uraufgeführt worden, aber auch heute noch aktuell. Die Geschichte um den Dorfrichter Adam, der einen Prozess führen muss, bei dessen Gegenstand in Wahrheit er selbst der Täter ist, erscheint nicht nur im Hinblick auf das Thema Machtmissbrauch zeitlos.

Adam hat im Haus der Marthe Rull einen Krug zerdeppert, als er sich an ihre Tochter Eve heranmachen wollte. Im Prozess versucht er nun, jeden Verdacht von sich abzulenken und einen anderen zu verurteilen. Es geht also nicht nur um Wahrheit, Lüge und Macht, sondern auch um sexuelle Belästigung und den Umgang scheinbar mächtiger Männer mit Frauen.

Klassiker selten geworden

Es ist im Vergleich zu vergangenen Jahrzehnten seltener geworden, dass Schauspielklassiker im Stadttheater aufgeführt werden. Woran das liegt, ist unschwer im Saal zu erkennen: Der Zulauf des mittleren und höheren Publikumsalters ist eher gering, anders als bei leichten Komödien oder Kabarettveranstaltungen. Und doch ist das Theater insgesamt mit mehr als 400 verkauften Plätzen gut gefüllt: Der Kulturring hat bei der Planung bedacht, dass „Der zerbrochne Krug“ niedersächsische Abitur-Pflichtlektüre für das Abitur 2026 ist. Und so sind die Theaterstühle nicht zuletzt auch mit Schulgruppen aus Wunstorf und umliegenden Orten besetzt.

Mit dem Kleist-Stück ist wieder einmal das Theater für Niedersachsen aus Hildesheim zu Gast. Dessen Schauspielensemble erweist sich als Glücksfall für die Inszenierung: Alle Beteiligten verstehen es, den sprachlich etwas in die Jahre gekommenen Text sehr lebendig werden zu lassen. Martin Schwartengräber, ohnehin häufig in eher cholerischen Rollen besetzt, spielt den verschlagenen Dorfrichter Adam rundum überzeugend. Paul Hofmann und Manuel Klein als Schreiber und Gerichtsrat spielen im gelungenen Kontrast dazu eher zurückgenommen, ihre Figuren gewinnen im Laufe des Stückes dennoch an Kontur.

… und der Richter am Boden: Martin Schwartengräber und Lene Jäger. Foto: Tim Müller

Simone Mende als Marthe und Daniele Veterale als Ruprecht liefern ebenfalls eine passende Performance ab. Linda Riebau versteht es, ihren Figuren allein schon durch Körperlichkeit Charakter zu verleihen. Und Lene Jäger als Eve macht das Leid, den Zorn und die Ausweglosigkeit ihrer Figur auf starke Art und Weise greifbar.

Beständig

Die Inszenierung von Regisseurin Ulrike Müller und ihrem Kreativteam dürfte für Schulklassen wie andere Zusehende hilfreich gewesen sein: Der Text des Klassikers bleibt bestehen, dennoch gibt es genügend künstlerische Zugriffe, dass eine ganz eigene Interpretation geschaffen wird und Diskussionen im Nachgang möglich sind. Immer wieder bricht die äußere Dorfwelt in den Gerichtsraum herein – ob es Zufall ist, dass ausgerechnet Ziegen durch die Fenster hereinschauen (Stichwort: Teufelssymbolik), oder dass immer wieder ein Ball in den Raum geworfen wird, den alle Figuren schleunigst loszuwerden suchen (wie die Schuld, die im Raum steht)? Glocken als Zeichen der Macht, als Zeitsignale und als Darstellung des äußerlich christlichen Lebens im Dorf ergänzen das überzeugende Inszenierungskonzept.

Die Kostüme schließlich wie auch das Bühnenbild sind recht zeitlos. Und genau an diesem Punkt landet dieser Theaterabend immer wieder: Vieles Verwerfliche, das wir in diesem alten Stück sehen, geschieht immer noch. Großer Applaus im Stadttheater und nach dem spärlicher besuchten Auftakt der „Kuersche-Show“ war es das erste Mal für den Kulturring in der noch jungen Saison, dass eine Vorstellung in Besucherzahlen und Inhalt prima an- und aufgenommen wurde.

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Kommentare


  • B. sagt:

    Schön, dass die alten Klassiker noch wertgeschätzt werden.

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