Wunstorf (as/ms). Vor drei Jahren angekündigt, setzt Brodowy nach unfreiwilliger Verspätung wegen Corona im versteckt liegenden Zelt an der Oswald-Boelcke-Straße gleich den Maßstab für die Veranstaltungsreihe. Er kann singen, Klavier spielen und komponieren, er ist Kabarettist und Komödiant, er ist ein Mahner und ein Bannerträger der Demokratie. Vor allem ist der 50-jährige Hannoveraner ein brillanter Unterhalter.
Alles ist pünktlich und professionell angerichtet. Die Stuhlreihen stehen, der Flügel auf der Bühne ist geputzt und gestimmt. Hintergrundmusik liefern die Dire Straits. Jürgen Opper, Ex-Hölty-Schüler und Chef von Clou audio systems, sitzt am Mischpult und überwacht den Klang. Er hat auch den Kontakt zur Stadt Burgdorf hergestellt, der das rote Zelt gehört, das für die nächsten Wochen eine bisher in Wunstorf nicht gekannte Atmosphäre ermöglicht. Das Chapeau Rouge auf Usedom ist seit Jahren eine feste Größe im Kulturprogramm des Seebades Heringsdorf, in Wunstorf ist es vorerst ein vorübergehendes Angebot.
Das Zelt zieht am Freitag, und Brodowy zieht. Sein Publikum ist gespannt. Einige seiner Wunstorfer Fans haben seit 2019 gewartet. Die Begrüßung übernimmt Tobias Rademacher. Der Kopf von aquesto-events aus Haste ist ebenfalls ein ehemaliger Schüler des Hölty. Sein Unternehmen gehört zur Veranstaltergruppe im Kulturzelt.
Kurz nach 20 Uhr startet Brodowy unter großem Applaus. „Keine Zeit für Pessimismus“ heißt sein zehntes Programm. Er beginnt gleich mit einer Programmänderung. Dem Ambiente angepasst, singt er „Manege frei“. Das Lied gehört nicht zu den aktuellen Stücken. Aber es passt – und gefällt. Brodowy macht weiter mit einer Art Erklärung, warum er gerade auf Tour ist. „Ich trete immer auf!“, ruft er ins Publikum. „Gerade jetzt“: Auch bei Krieg und angesichts von Querdenkern dürfe man nicht zurückweichen oder den Kopf einziehen.
Brodowy tut das nicht. Zweimal 50 Minuten wechselt er zwischen Mahnungen, Songs und Lachnummern. Wortgewaltig und witzig schildert er seine wachsende Not bei der Suche nach einer Toilette, singt gegen Rechtsradikalismus und beleuchtet feinsinnig den Zusammenhang zwischen Schwarzen Löchern, Illuminati und Paderborn. Die Bahn bekommt ihr Fett weg wie die Google-Gläubigen.
Nicht frei von Selbstironie bekennt er sich zu gutem Essen, kokettiert mit seinem Übergewicht und haut reihenweise diejenigen in die Pfanne, die ihn ungefragt mit Tipps nerven, wie er abnehmen kann – „ganz automatisch“. Eine seiner Stärken bei solchen Nummern: die scheinbare Improvisation, die vermeintliche Suche nach Formulierungen. Er erinnert dabei ab und zu an Hans Dieter Hüsch. Der Kabarettist und Sänger hat Brodowy entdeckt und gefördert. Der Mann vom Niederrhein verstand sich als philosophischer Clown, Brodowy nennt seine Aperçues gehobenen Blödsinn. Wie Hüsch wechselt Brodowy zwischen Sketch und Gesang. Brodowys Lieder allerdings sind poetischer und melodischer. Das Studium der Kirchenmusik zeigt Wirkung.
Gehoben ist es, blödsinnig nicht, was er im Zelt auftischt. Grandios, wie er erklärt, warum die Impfung mit BionTech ebenso zwangsläufig wie heimlich die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche zur Folge hat. Großes Kabarett – ein perfekter Auftakt. Brodowy macht die überraschende Absage des Auftritts von Rüdiger Hoffmann vergessen, dessen Agentur ein paar Tage zuvor mitteilen ließ, 60 verkaufte Karten seien keine Basis für einen Auftritt.
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