Wunstorf (as). Köpfe, ihre Interpretation des menschlichen Haupts, sind ihr Thema und der Mittelpunkt ihres Schaffens: Patricia Dreyfus, Wahl-Berlinerin mit Lebensabschnitten zwischen Afrika und Europa, bildet sie in vielen Varianten ab. Terrakotten, Bronzen, Stickereien, Fotografien und Zeichnungen sind an den Wänden der Abtei und im Raum beziehungsreich auf Stelen verteilt zu betrachten. Einige Arbeiten sind sehr klein, kaum größer als Eier, die Bronzen sind gleichsam aufgespießt wie Schrumpfköpfe, und die Zeichnungen verlangen Zeit zum Verstehen von den Betrachtern.
Dreyfus‘ Köpfe sind keine Porträts, keine individuellen Darstellungen mit typischen Merkmalen. Sie sind Beispiele mit verallgemeinernder Wirkung. Carmen Putschky, die promovierte hannoversche Kunsthistorikerin, erläutert das in ihrer langen, ambitionierten Einführung anschaulich. Kundig und lebhaft in Ausdruck und Gestik, liefert sie bei der Vernissage Erläuterungen und Erklärungen zu den Werken, geht auf historische Zusammenhänge ein und widmet sich auch der Frage: Gibt es weibliche Kunst? Das Publikum fordert sie auf, Dreyfus‘ Arbeiten als Anregung zu verstehen und weiterzudenken.
„Schauen Sie auch auf den Boden“, hatte zuvor die Kunstvereins-Vorsitzende Karin Ellert gebeten. Die „gut bestückte Ausstellung“ verlange Aufmerksamkeit und Vorsicht: Aus einigen Darstellungen hängen schwarze Fäden heraus bis auf die Terrakotta-Fliesen der Abtei. „Bitte ziehen Sie nicht daran“, ermahnen die Organisatoren die Besucherinnen und Besucher. Ellert nutzt ihre Begrüßung, zurückzublicken und denen zu danken, die die Arbeit des Kunstvereins ermöglichen: die Helferinnen und Helfer, die bei Vernissagen mit anpacken und Aufsicht führen, die Sponsoren und Spender, die manche Ausstellung erst möglich machen.
Dass es eine vergleichbare Werkschau mit mehr als 200 Exponaten in der Abtei bisher nicht gegeben hat, ruft Ingolf Heinemann, der Geschäftsführer des Kunstvereins, dem Publikum in Erinnerung und stimmt gleich auf einen besonderen Termin im nächsten Jahr ein: Der Verein ist 40 Jahre alt und feiert das am 28. September 2024 mit einer Gala im Stadttheater.
So speziell die Arbeiten von Dreyfus sind, so besonders ist der musikalische Rahmen der Vernissage, den erneut Hans Wendt (Posaune) und Thorsten Doll (Saxophon) gestalten. Ihre Improvisationen sind so anregend wie die Kunstwerke und manchmal auch so rätselhaft. Da scheint Albert Mangelsdorff auferstanden. Doch es ist Wendt, der nach einem langen Umweg plötzlich bei „Ain’t got nothing like the blues“ landet. Wer Duke Ellingtons Klassiker zu experimentell fand, bekam noch eine schmissige Variante von „Sunny“ mit auf den Weg in die Ausstellung. Momente zum Einfrieren.
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