Wunstorf (ms/as). Der Vorhang ist geschlossen, nur zwei Sessel stehen auf der Bühne. Hermann Kasten und Oliver Pohl vom Kulturring machen es kurz mit der Begrüßung: „Danke für das Kommen. Wir freuen uns sehr.“ Und dann die Hauptperson des Abends: Maricel Wölk huscht geradezu hinter dem Vorhang hervor.
Im Gespräch mit dem Kulturmanager erläutert sie, welches Wagnis es ist, das Musical allein auf die Bühne zu bringen. Es sei schließlich alles anders gekommen als geplant, und es habe lange gedauert. In jedem Satz wird ihre Kreativität und Kraft deutlich. Und: Sie liebt das, was sie tut. Ihr Dank an den Kulturring für den Mut, die Uraufführung zu präsentieren, ist aufrichtig. Das sei auch für den Veranstalter ein Wagnis.
Dann endlich der Moment, für den das Wunstorfer Publikum zu diesem „Sneak Peek“ gekommen ist. Der Vorhang öffnet sich, und das Bühnenbild wird das erste Mal sichtbar. Auffallend ist die große Videowand im Hintergrund. Die Szene: ein altes Gutshaus, ein roter Ohrensessel, ein großer Globus, andere Möbel und Raumdetails nur angedeutet oder gezeichnet. Maricel, die unter anderem beim ABBA-Musical in Hamburg Furore gemacht hat, hat sich mit Herz und Seele ihrem Projekt verschrieben.
Das wird immer wieder deutlich, beim Auftritt in Wunstorf und in den Szenen, die sie von der Arbeit im Studio, von den Tonaufnahmen und den Dreharbeiten für die zahlreichen Einspieler mitgebracht hat. Die Ausschnitte zeigen, wie die Lieder im Studio entstanden sind. Videos liefern Einblicke in die Darstellungen der vielen Personen, die im Musical Rollen spielen. In alle Charaktere schlüpft Maricel, und so taucht sie immer wieder gleichzeitig mehrfach auf der Bühne auf.
Die Hannoveranerin stellt eine Frau unter Mordverdacht dar, die an einer dissoziativen Identitätsstörung leidet. Was früher multiple Persönlichkeitsstörung genannt wurde, ist der Fachausdruck dafür, dass in einem Menschen verschiedene Persönlichkeitszustände abwechselnd die Kontrolle über Denken und Handeln übernehmen. Auch das ein Wagnis – Maricel spricht es in der Schnupperstunde offen an: Eine schwere Krankheit in den Mittelpunkt eines Musicals zu stellen, ist ein ebenso außergewöhnliches wie risikoreiches Vorhaben. Zum Inhalt des Stückes nur soviel: Eine Frau wird verdächtigt, einen Mord begangen zu haben. Sie flüchtet vor der Polizei in ein Gutshaus und will dort ihre Unschuld beweisen.
Die Schnupperstunde ist ein Appetitanreger par excellence. Die 300 Gäste im Stadttheater sind hellauf begeistert. Langer, starker Beifall. Und: der Vorhang wieder zu und alle Fragen offen – war es die Protagonistin wirklich nicht?
Fazit: Das Stadttheater hat in seiner langen Geschichte vielen Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne gegeben. Stars des Boulevards und Leinwand-Mimen der Nachkriegsjahre waren ebenso dort zu Gast wie Weltstars aus der Musikszene. Darunter das Golden Gate Quartet und Chris Barber. Was das Publikum jetzt erlebt hat, setzt neue Maßstäbe. Das tun damit auch der Vorstand des Kulturrings um Hermann Kasten und Manager Oliver Pohl, die im Verein mit Gourmet-Koch Andreas Schaer und seinem Team aus der Villa Meyer die Theaterbar zum Treffpunkt machen will. Sie alle gemeinsam bringen das Veranstaltungsniveau auf eine neue Ebene.
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