Tokunbo: Mein Name bedeutet „Das Kind, das in Übersee geboren ist und das nach Hause zurückkehrt“. Da ist also ein Teil meiner Biografie drin. Ich bin in Deutschland geboren, aber in Nigeria aufgewachsen.
Das ist echt schwierig (lacht). Was nicht stimmt … Ich glaube, das weiß ich gar nicht. Oder ich höre nicht so genau hin (überlegt). Doch, mir fällt etwas ein. „Sie hat Glück.“ Ich denke, vieles, was man erreicht, hat mit Arbeit zu tun und nicht mit Glück.
Es sind auch autobiografische Dinge darin. Das Album ist mitten im ersten Lockdown entstanden. In einer Situation, in der ich recht schnell gemerkt habe, dass wir es mit einer großen Kraft zu tun haben, die uns lange begleiten wird. Es war für mich ein ganz starker Entschluss, dass ich aus dieser Zeit mit neuer Musik herausgehe. Eigentlich hatte ich im Jahr davor angefangen, Songs zu schreiben. Die Situation zuhause, mit kleinem Kind im Kindergarten, hat das Vorhaben erschwert. Aber der feste Entschluss, kreativ zu bleiben, hat dazu geführt, dass ich mich in jeder freien Minute in unser Gartenhaus zurückgezogen habe. Dort habe ich dann angefangen, an den Skizzen zu feilen, die ich hatte. Aus dieser Zeit, die ich als ein Zurückgeworfensein auf sich selbst empfunden habe, entstand eine Konfrontation mit Erinnerungen. Da ist ganz viel hochgekommen. Begegnungen mit Menschen, die mich geprägt haben. All das ist in die Lieder eingeflossen.
Inzwischen ist mein Vater verstorben, aber mit meinen Geschwistern bin ich noch in engem Kontakt.
Nicht dorthin. Ich bin dort bis zu meinem zehnten Lebensjahr aufgewachsen. Es war keine leichte Zeit. Aber ich vermisse meine Familie und auch meinen Vater. Heimweh empfinde ich jedoch nicht. Im Laufe meines Lebens bin ich so anpassungsfähig geworden, dass ich mir einen Ort suche, und dort schlage ich massiv Wurzeln. Dort bin ich dann im Hier und Jetzt. Deswegen fühle ich mich nicht mehr wie früher, entwurzelt. Früher habe ich mich sehr zwischen den Kulturen hin- und hergerissen gefühlt. Als Kind und als Jugendliche. Das hat sich in den Jahren schließlich geändert, als ich mich mit meiner Vergangenheit auseinandergesetzt habe. Aber auch durch die sehr prägende Zeit als Austauschschülerin in den USA. Dort durfte ich kennenlernen, wie divers eine Gesellschaft sein kann. Wie wenig es eine Rolle spielt, wo ich gewohnt habe, wo die Vorfahren herkommen. Das hat mir das erste Mal die Freiheit gegeben, nicht darüber nachzudenken, wer ich bin. Denn dieser Entscheidungsdruck kommt von außen. So weit, dass man sich verteidigen muss, weil man als fremd im eigenen Land empfunden wird. Das ganze Gerangel in meinem Kopf hat sich dort aufgelöst. Es war ein schöner Startschuss für meine heutige Identität.
Ich hatte eine sehr enge Beziehung zu meiner Gastmutter in den USA. Sie hat mich sehr begleitet und geprägt, mich in meiner Identitätsfindung als schwarze Frau sehr positiv beeinflusst und bestärkt. Sie ist leider einige Jahre später verstorben. Der Song war meine Verarbeitung dieses Verlustes und hat mir Frieden gegeben.
(lacht) Crowdfunding ist immer spannend. Bis hin zur Zerreißprobe. Ich habe drei Soloalben produziert und jeweils anfinanziert, teilfinanziert oder ganz finanziert. In dieser Reihenfolge. Das erste Mal war es relativ leicht, da es eine geringe Summe war. Aber die ist mit jedem Mal gestiegen. Die Produktionskosten sind höher geworden und somit war der Bedarf da, einen höheren Betrag mit der „Crowd“ zu erreichen. Damit ist auch der Druck gewachsen. Ein ganz typischer Verlauf ist, dass man einen guten Start hat, dann kommt ein Plateau, und zum Ende hin muss man nochmal rühren. Diesmal hat es gleich am Anfang einen großartigen Beginn gehabt. Es war kein Spaziergang, aber es war so, dass ich zwei Wochen vor dem Ende der Aktion die Wunschsumme erreicht hatte. Alles andere war dann noch ein Bonus. Und das hat mir eine ganz große Ruhe gegeben. Je mehr Leute sich beteiligt haben, desto mehr Freiheit hat es uns gegeben für die Produktion.
Ja, auf Anfrage. Ich werde immer mal von Produzenten für andere Produktionen oder andere Künstler angesprochen und eingeladen. Aber ich mache das relativ selten, da ich mich sehr auf meine eigene Musik konzentriere. Meine beiden Produzenten, der Schlagzeuger Matthias Meusel und der Gitarrist Ulrich Rode (mit der Geigerin Anne de Wolff), mit denen ich seit zehn Jahren zusammenarbeite, meine letzten drei Alben produziert habe und auf Soundsuche gegangen bin, schreiben sehr viel für andere Künstler, unter anderem für BAP.
Mit meiner Band verbindet mich neben der Kollegialität auch Freundschaft. Wir kennen uns sehr lange, haben zusammen in Hannover studiert. Das verbindet uns schon über zwanzig Jahre mit gemeinsamen Projekten, wie auch die aktuelle schöne Zusammenarbeit. Unabhängig davon habe ich Freundinnen und Freunde, mit denen ich mich während der Pandemie sehr zusammenschließen und stärken konnte. Das sind unter anderem die Singer Songwriter Christina Lux und Jan Löchel und die Flötistin Isabelle Bodenseh. Ich schätze sehr, wie eine Verbindung und Nähe aus dieser Not heraus entstanden sind.
(schmunzelt) Ja. The Swan ist mein vorletztes Album das mich bei der Verwandlung zur Mutter begleitet hat und in der Zeit entstanden ist. In einem Moment, in dem ich gar nicht damit gerechnet habe, dass ich inspiriert sein könnte. Ganz plötzlich waren da dann so viele schöne Ideen. Viele große Gefühle, die eben auch in Songs wollten. Und auch der Spagat, den man als Eltern und besonders als Mutter lebt, nämlich: Wie kann ich meine Identität, die ich vorher hatte, mit meiner neuen Aufgabe vereinen? Wie erwächst daraus eine neue Identität? – dieser Prozess ist auch in die Songs des Albums geflossen.
Delegieren fällt mir manchmal schwer. Ich habe ein tolles Team, aber es gibt immer wieder Momente, in denen ich mich erinnern muss, dass ich administrative Dinge abgeben muss, um Freiräume zu schaffen für die kreativen Prozesse, die nur ich anstoßen kann. Das ist besonders herausfordernd, wenn man selbstständig arbeitet und auch in dieser neuen Ära der Musikindustrie, in der die Infrastruktur nicht mehr so existent ist, wie sie mal war, – Plattenlabels können kaum mehr Produktionen finanzieren – so dass man in der Gewohnheit ist, so viele Rollen selbst erfüllen zu müssen. Da ist es umso wichtiger, zu lernen sich zu entlasten.
Ich glaube, ich kann manchmal von weitem etwas kühl wirken. Mein Mann hat das mal so nett formuliert: „Man braucht doch keine Angst vor dir zu haben!“
Das wäre sogar ein Traum, den ich gar nicht zu träumen wagen würde. Seine Autobiografie steht vis-à-vis zu meinem Platz, an dem ich übe. Mein Vater war ein großer Fan und Bewunderer. Er hat selbst auch Gitarre gespielt und ein Folk-Duo gehabt, was prägend für mich war. Ich habe Reinhard Mey im letzten Herbst live in Oberhausen erleben dürfen, und es war eines der schönsten, wenn nicht das schönste Konzerterlebnis, das ich genießen durfte.
Höhepunkte sehe ich in den Konzerten. In vielen Auslandskonzerten, die ich spielen durfte. Wir waren in Portugal auf Tour. Das war ein außergewöhnliches High-light, da unser Sohn damals gerade zehn Monate alt war. Es war eine sehr schöne Tour, alles hat gut funktioniert und war unglaublicherweise stressarm. Gerade in dieser neuen Lebensphase war das eine tolle Zeit für mich. Tiefpunkt war tatsächlich die Zusammenarbeit mit einem Majorlabel, die sich dann ganz anders entwickelt hat, als wir das damals erwartet und gehofft haben. Es war eine große Enttäuschung, gerade weil es für uns, wie für so viele Musiker, der Traum war, mit einem Majorlabel zusammenzuarbeiten. In den seltensten Fällen entwickelt es sich leider so, dass genügend Freiraum da ist für die Künstler. Das kann dann fatal sein und einen richtigen Knick geben. Es war eine große Krise, aus der ich dann aber sehr gestärkt herausgegangen bin.
„Zusätzlich war ein weiterer Höhepunkt, dass ich im letzten Jahr Teil der Jury des ESC sein durfte.“
Die guten Dinge, die ich dort erlebt habe, habe ich mitgenommen, wie eine große Unabhängigkeit, als selbstständige Künstlerin zu agieren. Da schließt sich dann wieder der Kreis. Wenn man die Mittel hat, mit seinem Wunschteam zu arbeiten. Ich habe inzwischen ein tolles Team. Zusätzlich war ein weiterer Höhepunkt, dass ich im letzten Jahr Teil der Jury des ESC sein durfte. Das hat sehr viel Freude gemacht.
Großartig! Ich liebe das Ambiente. Es ist wunderschön. Ich habe hier schon mal draußen gespielt. Das war auch zauberhaft. Ich freue mich sehr, dass es nun nach vielen Terminverschiebungen klappt und wir unser Konzert hier nachholen dürfen. Ich genieße wie verschieden Orte sein können, an denen wir auftreten. Ob es ein Club ist oder Museumsinnenhöfe oder ein Gewölbekeller. Das macht den Reiz dieses Berufes aus, dass wir so viele Orte kennenlernen dürfen.
Toll war es, mit dem Gitarristen Hiram Bullock auf Tour zu sein, der leider viel zu früh verstorben ist. Das war eine sehr intensive Tour durch die Ukraine. Das werde ich nie vergessen.
(lacht) Dazu möchte ich nichts sagen …
Ich möchte schon sehr lange unbedingt nach Grönland. Seit ich das Buch „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ gelesen habe.
Leider einige Freunde. Es ist in diesem unsteten Beruf manchmal schwierig, Kontakt zu halten. Das ist etwas, wozu man sich immer wieder ermahnen muss: Dass man in dem Moment, in dem man Sehnsucht verspürt, reagieren muss. Sonst verfliegt die Zeit und die Verbindung bricht ab.
Lieder, die ich nicht mehr hören kann … Kann ich nicht sagen, zum Glück. Was ich immer wieder spielen kann ist „Hummingbird“. Es gibt so einige Lieder, die sind gesetzt, die sind einfach verbunden mit meiner Seele. Und ich werde nicht müde, sie zu singen. Mein Lieblingslied haben wir allerdings tatsächlich noch nie auf der Bühne gespielt.
Vielleicht, weil es mir so wichtig ist. Es heißt „Everytime the doorbell rings“. Dazu inspiriert hat mich eine Reise nach Israel. Dort hatte ich sehr intensive Gespräche. Es geht in dem Lied um eine Mutter, beziehungsweise um Mütter, die ihre Söhne in den Krieg ziehen lassen müssen.
Give peace a chance!
zuerst erschienen in Auepost Nr. 25 (10/ 2023)
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