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Über die Gefährlichkeit des Steinhuder Meers, Eisfahrten nach Kolenfeld und ungeräumte Radwege

29.03.2021 • Daniel Schneider • Aufrufe: 982

Warum das Steinhuder Meer im Winter viel gefährlicher ist, als es wirkt – und warum der Baubetriebshof nie selbst im Schnee stecken bleibt …

29.03.2021
Daniel Schneider
Aufrufe: 982

Rolf-Axel Eberhardt

Die Schneekatastrophe ist noch einmal ausgeblieben. Aber so viel Schnee wie im Februar 2021 hatte Wunstorf trotzdem lange nicht?
Dass wir eine richtige Schneekatastrophe hatten, das ist lange her. Das war Ende der 1970er Jahre – 1978 gab es den Eisregen. Auch 2010 gab es noch einmal einen kleineren Einbruch. Aber auch jetzt war es schon heftig. Wir waren jedoch vorbereitet auf die Ereignisse und haben angemessen reagiert. Der Baubetriebshof hat gute Arbeit geleistet.

Es gab keine Beschwerden?
Das übliche Gemeckere, einige zeigen sich immer unzufrieden. Aber ich bin auch selbst rausgefahren und habe mir die Situation angesehen – und hatte den Eindruck, dass professionell geräumt wurde. In Klein Heidorn gab es zudem Beschwerden, weil die Straßenmeisterei die von den Anwohner:innen schon geräumten Gehwege beim Räumen der Straßen wieder zugeschüttet hat. Auch wenn das nicht unsere eigenen Fahrzeuge waren, bedauere ich das natürlich. Einen Königsweg gibt es aber nicht. Dann muss man den Weg eben zweimal räumen. Das ist ärgerlich, aber nicht zu ändern. Der Schnee muss irgendwo hin. Auch die Menschen in den Räumfahrzeugen machen ihre Arbeit gut.

Wer entscheidet, welche Straßen konkret geräumt werden?
Es gibt ein Straßenverzeichnis, darin ist es festgelegt. Wir räumen nicht jede Straße, das können wir nicht leisten. Entscheidend ist die Frequenz der Straßennutzung.

Wer in einer ruhigeren Straße wohnt, hat Pech gehabt?
Alle Anwohner:innen sind trotzdem gut aus den Straßen herausgekommen.

Wie viele Räumfahrzeuge hat Wunstorf?
4 Großräumfahrzeuge, 2 Radlader und 5 sogenannte Schmalspurschlepper. Wenn sich Schnee ankündigt, werden auf die normalen Fahrzeuge bereits ein paar Tage vorher Pflüge aufmontiert. Dazu kommen dann noch 5 Transporter, besetzt mit Mitarbeiter:innen, die mit Schneeschiebern ausgerüstet sind und z. B. an den Fußgänger:innenüberwegen Schnee schaufeln.

Räumfahrzeug Kolenfelder Straße

Räumfahrzeug unterwegs in Wunstorf | Foto: Daniel Schneider

Welche Vorlaufzeiten braucht der Bauhof, um zu reagieren?
Der Betriebshof hat eine Wetterwarn-App, die ihn zwei bis drei Tage vorher in die Lage versetzt, die Wettersituation zu prognostizieren. Unter den Brücken in der Stadt befinden sich außerdem Sensoren für Eisbildung und Schnee, die gibt es schon seit über 20 Jahren. Dadurch wissen wir genau, wie sich die Straßensituation entwickelt, und können dann Alarm auslösen. Das geht relativ schnell. Herr Cordes oder der:diejenige, der:die Bereitschaftsdienst hat, steht dann in der Nacht um 3 Uhr auf, um die Lage zu bewerten: Hat Schneefall eingesetzt, werden die Mitarbeiter:innen in den Einsatz geschickt.

Warum werden die Radwege nicht gestreut?
Zunächst einmal: Bei so einer kritischen Wettersituation sollten die Leute kein Rad fahren, um sich nicht selbst zu gefährden. Für Radwege an Bundes- und Landesstraßen sind wir andererseits auch nicht zuständig. Und wenn man sie streuen würde, müsste man dafür so viel Salz einsetzen, dass es ein Umweltproblem wäre. Das muss man genau abwägen. Ich selbst habe das Rad auch stehen lassen und bin zu Fuß gegangen. Man kann auch auf der Straße fahren, als Radfahrer:in muss man ungeräumte Radwege nicht benutzen. Aber es ist trotzdem gefährlich, denn man kommt immer wieder an Stellen, die nicht geräumt sind. Wenn man dann ausrutscht und vom Rad fällt, hat man meist schwere Verletzungen. Ich rate dazu, das Fahrrad auf dem Grundstück zu lassen.

Lasst das Fahrrad für eine Woche zuhause!

Es gibt Ganzjahresradfahrer:innen, die im Winter Spikereifen aufziehen und selbst bei Eisglätte sicher unterwegs sein könnten, wenn kein hoher Schnee auf den Radwegen liegen würde.
Ja, das gibt es. Meine Tochter war ein Jahr in Finnland und hat dort auch solche Sachen gehabt. Aber hierzulande sind das nur Wenige, das kann man mit Deutschland nicht vergleichen. Die Finn:innen etwa haben ein ganz anderes Räumverhalten, da wird der Schnee auch mit großen Fahrzeugen abtransportiert aus den Städten und nicht mit Salz geräumt. Da bleibt eine Schneeschicht liegen, da geht es mit Spikes ganz gut.

Wie bewerten Sie die Forderung der Grünen, die Räumpflicht der Gehwege generell wieder in die Zuständigkeit der Stadt wechseln zu lassen, um die Radwege miteinzubeziehen? Wäre das logistisch überhaupt machbar?
Mit unseren Mitarbeiter:innen nicht. Das würde bedeuten, dass wir Straßenreinigungsgebühren anders berechnen müssten – im Moment ist der Winterdienst der Stadt eine unabhängige Leistung der Stadt. Das halte ich nicht für notwendig. Wir haben hier auch nicht so viel Schnee wie in Finnland. Wenn wir vier bis fünf Monate Schnee hätten, würde man nochmal darüber reden, aber wir sprechen hier über ein paar Tage. Wenn wir das weiter perfektionieren wollten, müssten wir das an die Einwohnerschaft weitergeben. Aber das wollen wir gar nicht.

War es Ihnen in dieser Situation recht, dass die Region gesagt hat, die Schulen bleiben in den ersten Tagen zu? Wäre es ein Problem gewesen, alle Schulwege zu räumen?
Das fanden wir gut. Aber es geht eigentlich nicht um die Gehwege, deswegen hat es die Region nicht gemacht. Es geht vor allem um den Busverkehr. Bei Glatteis hätte das Schwierigkeiten geben können.

Einige haben gesagt: Das hätte es früher nicht gegeben. Da sei auch bei Tiefschnee die Schule nicht ausgefallen. Warum war das jetzt anders?
Es ging allein um den Eisregen. Ich war einmal in meinem Leben bei Eisregen unterwegs, um zu einem Freund, der Geburtstag hatte, nach Barsinghausen zu fahren. Mit dem Auto, damals ein Golf mit Vorderradantrieb, bin ich gerade noch bis Kolenfeld gekommen. Bei 20 km/h bin ich gerutscht – und die Frontscheibe war immer wieder vereist. In Kolenfeld bin ich umgekehrt, war nach zwei Stunden wieder zuhause in der Kernstadt und habe mir geschworen: so etwas mache ich nie wieder. Das war purer Leichtsinn. Wenn man so etwas einmal erlebt hat, dann kann man gut nachvollziehen, warum die Region sagt: Bei möglichem Eisregen wollen wir nicht, dass die Kinder zur Schule kommen. Das ist etwas anderes als ein Schneetreiben.

Apropos Leichtsinn: In Steinhude waren Sie nicht während der kalten Tage?
Doch, natürlich, ich war mehrfach in Steinhude und habe mir die Situation angesehen. Am besagten Wochenende selbst habe ich mir jedoch nur berichten lassen. Da wollte ich nicht noch dazu beitragen, dass noch eine Person mehr unterwegs ist.

Stimmt es, dass das Steinhuder Meer als natürliches Gewässer nie zum Betreten freigegeben wird?
Normalerweise nicht. Wir haben es bislang nur dreimal für die Eisfeste freigeben lassen. Aber da hatten wir auch gutachterliche Hinweise, und es wurden nur bestimmte Flächen freigegeben. Durch Strömungen und Vögel kann es Wasserlöcher geben, die nur leicht zugefroren sind. Wenn man da hineinfällt, besteht die Gefahr, besonders wenn man zum Wilhelmstein geht, dass es doch so tief ist, dass man durch die Strömung weggedrückt wird und unter die Eisoberfläche gerät. Dann ertrinkt man. Diese Dinge passieren in Steinhude, und von daher geben wir den Weg zum Wilhelmstein sicherlich nie frei. Nur die vorderen Flächen in Promenadennähe, das ist machbar.

Die Warnungen vor Lebensgefahr sind also keine haftungsrechtliche Maßnahme für einen Eventualfall, sondern ganz reale Gefahr auf dem zugefrorenen Steinhuder Meer?
Ja. Ortsbürgermeister Bredthauer hat mir das auch noch einmal bestätigt, dass der Weg sehr gefährlich sein kann. Die Region hätte auch explizit sperren können wie beim Maschsee, hat es aber nicht getan, und so hatte die Polizei vor Ort auch keine Befugnis, einzugreifen. Aber wir haben natürlich trotzdem gewarnt, auch mit Schildern vor Ort, dass das Betreten auf eigenes Risiko erfolgt, und die Feuerwehr war vor Ort, ein Hubschrauber war auch in der Nähe. Wir sind froh, dass nichts passiert ist, aber trotzdem fand ich es leichtsinnig. Ich kann es aber auch verstehen, die Leute sind eingesperrt, wollen mal etwas erleben.

Steinhuder Meer zugefroren

Zugefrorenes Steinhuder Meer | Foto: Daniel Schneider

Ist denn in früheren Jahren auf dem See etwas passiert? Ist jemand eingebrochen?
Mehrfach. Es sind auch Menschen ums Leben gekommen. Sogar ein ehemaliger Mitarbeiter von uns ist ins Wasser eingebrochen und daran verstorben. Das ist schon länger her. So etwas passiert.

Die Gefahr wird unterschätzt?
Man denkt, das Steinhuder Meer ist flach, aber es gibt eben auch Stellen, die drei Meter tief sind – die Deipen – gerade auf dem Weg zum Wilhelmstein. Wenn da ein Wasserloch ist, fällt man hinein. Man bekommt jemanden, der unter die Eisdecke gerutscht ist, auch nicht so einfach wieder heraus, das ist unheimlich schwierig.

Die Schilder „Betreten auf eigene Gefahr“ hat man vor lauter Menschen gar nicht mehr richtig wahrnehmen können, viele sind direkt aufs Eis gelaufen, weil der Eindruck entstand: Das machen ja alle, das scheint in Ordnung zu sein. Wer sich nicht vorher informierte, wusste vielleicht gar nicht von der Gefahr. Faktisch wirkte das Steinhuder Meer wie freigegeben. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, dann doch zumindest einen Teil freizugeben, um die Gefahr einzugrenzen?
Sperren kann nur die Region. Aber es wäre auch schwer gewesen, so ein riesiges Gebiet abzusperren. Auch zum Freigeben eines ufernahen Bereichs haben wir keine unmittelbaren Kompetenzen. Die Region entscheidet. Wir können nur die Corona-Abstände kontrollieren. Wir haben auch über die Medien gewarnt, auch im Radio.

Waren Sie selbst schon einmal auf dem gefrorenen Steinhuder Meer?
Nein. Außer beim Eisfest in den 1990er Jahren: Im Januar 1997, das war das bisher größte, da standen Buden auf dem Eis, das war eine richtige Attraktion mit Budenzauber und Glühwein und Schlittschuhlaufen entlang der Promenade. Danach gab es noch zwei kleinere, im Februar 2009 und im Februar 2012. Das alles hatte die Steinhuder Meer Tourismus GmbH organisiert, aber dazu mussten 20 Zentimeter Kerneis vorhanden sein.

Wussten Sie, dass die Polizei diesmal selbst auf Schlittschuhen auf dem Eis unterwegs war?
Dass sie auf Schlittschuhen unterwegs war, habe ich erst nach dem Wochenende im Februar erfahren. Es ging um die Kontrolle der Abstände – das war eine gute Idee.

Der Kritikpunkt war: Man kann nicht die Bevölkerung bitten, das Eis nicht zu betreten, aber dann selbst darauf herumfahren. Es schadet der Glaubwürdigkeit – Warnungen werden erst recht nicht mehr ernst genommen.
Man muss bedenken: Wenn die Leute schon auf dem Eis sind, hat man kaum noch andere Möglichkeiten: Die Polizei hat nur reagiert und auf die Menschen aufgepasst. Die Polizei ist ja nicht zum eigenen Vergnügen auf dem Eis gewesen.

Ihre Amtszeit endet im Herbst. Den Spatenstich für die Nordumgehung schaffen Sie definitiv nicht mehr?
Wenn die OHE die Strecke nach Bokeloh entsprechend befährt, müssen wir die Kreuzungsbauwerke verändern: Die erste Baumaßnahme wird der Übergang bei Alten’s Ruh sein, und dieser soll dann gleich so hergerichtet werden, wie er auch nach der Nordumgehung aussieht. Daher könnte es sein, dass es dort noch in diesem Jahr zu einem Spatenstich kommt. Sonst wäre der Baubeginn im Frühjahr 2022.

Warum hat die Stadt nun ein zentrales Beschwerdetelefon eingerichtet?
Das ist kein Beschwerdetelefon, sondern eine Beschwerdestelle. Aus zwei Gründen: Einmal möchte ich als Bürgermeister wissen, wo es entsprechende Probleme gibt, wo diese auflaufen und wie ich dort steuernd eingreifen kann. Zum Zweiten möchten wir, dass Beschwerden möglichst schnell bearbeitet werden. Diese Koordinierung haben wir nun optimiert, indem wir sie beim Bürgermeisterbüro angesiedelt haben. Wenn jemand sagt: „Ich hab schon fünfmal geschrieben, und die Straßenlaterne ist immer noch nicht repariert“ – das mag banal klingen, aber für die:den Einzelne:n kann das sehr nervend sein. Hier wollen wir schnellere Ergebnisse erreichen und mehr Bürgerfreundlichkeit. Wer sich jetzt über etwas beschwert, dann landet es zuerst bei Frau Schmitz im Bürgermeisterbüro und wird dann an die Fachabteilungen weitergegeben. So behalten wir einen besseren Überblick über den Fortgang.


Die Fragen stellte Daniel Schneider
Dieses Interview erschien zuerst in Auepost #17 (03/2021).

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Kommentare


  • T. Gilde sagt:

    Das kann man echt nicht lesen, diesen gegenderten Mist. Versucht das doch mal zu sprechen. Mein Gott, wie blöd muss man eigentlich sein, um sich so einen Mist auszudenken?

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