Wunstorfer Auepost
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Über Hundesteuer, Parkplätze für Rathausmitarbeiter und ob Greta sich im Goldenen Buch der Stadt eintragen darf

22.02.2020 • Daniel Schneider • Aufrufe: 309

Wunstorfs Bürgermeister Rolf-Axel Eberhardt im monatlichen Auepost-Interview

22.02.2020
Daniel Schneider
Aufrufe: 309

Rolf-Axel Eberhardt

Was hat Sie im vergangenen Monat geärgert?
Der Leserbrief von „Selene“ in der Auepost zur Nordumgehung-Alternative im Süden. Weil er anonym war. Ich hätte am liebsten angerufen. Der Inhalt war dumm und grenzwertig. „Unfähige Politiker“ war unter der Gürtellinie. Wir haben seitenweise einen Variantenvergleich gemacht. Die Südumgehung wäre erheblich teurer als die Nordumgehung. Über den Durchstich, die Verlängerung der Hochstraße beim Düendorfer Weg hat man diskutiert in der Wunstorfer Politik, doch sich wegen der erdrückenden Wirkung dagegen entschieden. Es hätte die Stadtteile zerfleddert. 14 Häuser hätten abgerissen werden müssen. Der geringste Eingriff ist die Nordumgehung. Das alles hätte ich gern noch mal genau erklärt.

Gibt es etwas Neues zur Situation rund um Amazon?
Der Standortleiter kommt im Januar zu einem Gespräch ins Rathaus. Amazon bemüht sich, dass alles ordnungsgemäß läuft, und ich habe sehr das Gefühl, dass man darauf bedacht ist, die Beschwerden abzuarbeiten. Ein neuer Unternehmensstandort braucht eine gewisse Zeit, bis sich das eingespielt hat. Ich erwarte, dass diese ganzen Kinderkrankheiten im nächsten Jahr erledigt sind.

Haben Sie eine persönliche Meinung zur Gebührenerhöhung bei den öffentlichen Parkplätzen?
Die Mehrheitsgruppe hatte überraschend gesagt, dass sie die Straßenausbaubeiträge abschaffen will. Durch die Bürgerinitiativen ist das alles etwas ins Schwanken geraten, und man hat entschieden, die Beiträge ohne Erhöhung der Grundsteuer abzuschaffen und stattdessen die Parkgebühren anzuheben. Die benötigte Verdreifachung der Parkgebühren ist aber illusorisch. Mein Konzept wäre die Finanzierung durch eine angeglichene Grundsteuer in ein bis zwei Jahren gewesen: Bislang ist sie in Steinhude z. B. niedriger als in Wunstorf.

Parkgebühren soll man nun statt bis 15 Uhr bis 16 Uhr zahlen – und der Betrag soll sich verdoppeln. Reicht das aus?
Die Erweiterung auf 16 Uhr ist der Konsens aus dem Gespräch der Stadt mit der Werbegemeinschaft. Das Verkehrsgutachten hat die Erhöhung auf 50 Cent pro halbe Stunde empfohlen, aber eine veränderte Parkraumbewirtschaftung noch gar nicht berücksichtigt. Daher soll es nun im Januar ein weiteres Gutachten geben, und auch eines für Steinhude. Deren Ergebnisse müssen dann wieder intensiv mit der Politik besprochen werden. Ob Gebühren am Nordbruch-Parkplatz eingeführt werden müssen, ist z. B. noch nicht geklärt. Fest steht nur, dass die neuen Parkplätze am Schützenplatz gebührenfrei zu benutzen sein sollen, dafür wird aber die Innenstadt teurer gemacht. Da uns aber bereits die Kommunalaufsicht angeschrieben hat aufgrund der beschlossenen Abschaffung der Straßenausbaugebühren, mussten wir etwas tun, sonst wären wir unglaubwürdig geworden. Die jetzige Erhöhung wird aber nur 200.000 Euro statt der benötigten 1,5 Millionen bringen. Es kann daher sein, dass 2020 oder 2021 weitere Erhöhungen anstehen, und dann werden wir vielleicht auch eine neue Parkraumbewirtschaftung mit unterschiedlichen Zonen bekommen.

Wann genau werden die Parkgebühren erhöht?
Im Januar schaffen wir das noch nicht, wir brauchen mindestens zwei Monate zum Umprogrammieren der Parkscheinautomaten. Zum 1. April wird das alles wirksam werden.

Parkschein am Parkscheinautomaten

Gebrauchte Parkscheine an einem Wunstorfer Parkscheinautomaten | Foto: Mirko Baschetti

Weshalb dauert das so lange?
Jeder Automat muss einzeln umprogrammiert werden. In Wunstorf und Steinhude stehen insgesamt 22 Parkscheinautomaten. Das geht nicht alles so locker-flockig. 10.000 Euro kostet allein die Umprogrammierung. Aber auch das Bargeld wird ein Problem, das sind richtig schwere Kisten: Früher konnten wir es bei der Sparkasse abgeben, jetzt haben wir ein Sicherheitsunternehmen, das das übernimmt. Am liebsten würde ich das Bargeld abschaffen. Aber die Gesellschaft ist noch nicht so weit wie in Schweden oder Norwegen.

Haben die städtischen Bediensteten eigentlich eigene Parkplätze?
Nein, sie nutzen dieselben Parkplätze wie alle anderen. Sie werden nicht anders behandelt als eine Verkäuferin in der Innenstadt. Die Ausnahme sind Mitarbeiter, die ihren privaten PKW dienstlich einsetzen, diese dürfen in der Stiftsstraße 8 parken, wenn sie regelmäßig viele Dienstfahrten unternehmen. Dann bekommen sie einen besonderen Ausweis. Das betrifft vor allem die Tiefbauleute, die Ingenieure. Das ist als Ausgleich gedacht, weil wir nicht so viele Dienstwagen haben. Alle anderen parken z. B. am Nordwall oder Nordbruch. Ich selbst habe meinen Parkplatz zurückgegeben, nur manchmal parke ich den Dienstwagen im Hof. Meist fahre ich mit dem Rad. Meine Frau und ich haben einen privaten Tiefgaragenparkplatz in der Speckenstraße gekauft, dort parke ich, wenn ich mal mit dem Privatwagen komme, das passiert aber selten.

Es gibt keine Beschwerden der Mitarbeiter à la „Ich finde keinen Parkplatz“?
Nein, die gibt es nicht. Wenn, dann würde ich sagen: Parkt am Schützenplatz. Das ist zumutbar. Es gibt auch vier oder fünf Parkplätze, die die Mitarbeiter mieten können. Aber viele nutzen ebenfalls das Fahrrad. Wir haben viele Pendler aus Hannover, die mit dem Zug kommen, ihr Fahrrad aus dem Käfig am Bahnhof nehmen und dann hier am Rathaus im anderen Käfig wieder abstellen.

Ließe sich die „Strabs“ nach der Abschaffung auch einfach wieder einführen, falls es nötig werden sollte?
Ja, das ginge problemlos. Die Kommunalaufsicht kann uns sogar zwingen, ganz auszuschließen ist das nicht. Was wir allerdings in der Zwischenzeit verlieren, ist das Know-how der Mitarbeiter. Die Rechtsprechung ändert sich ständig, das Wissen muss dann erst wieder aufgebaut werden, das würde zu Prozessen führen.

Gäbe es noch andere Optionen zur Finanzierung?
Die Grundsteuer. 1 bis 1,5 Millionen gehen der Stadt durch die Abschaffung verloren. Zusammen mit Parkgebühren, Hundesteuer und anderen Kleinigkeiten meinen wir, damit hinzukommen – und es werden eben weniger Straßen ausgebaut. 2020 ist der Haushalt dahingehend ausgeglichen, auch 2021 werden wir das schaffen, da bin ich mir ziemlich sicher. Ob wir es auch noch in 5 Jahren schaffen werden, weiß ich jedoch nicht. Wunstorf kann es sich im Moment noch leisten. Die Frage ist, was in der nächsten Wahlperiode passiert. Bald wird es umgekehrt sein, dann wird es heißen: „Warum baut ihr erst die Straße in Idensen aus und nicht in Kolenfeld?“ Diese Streitigkeiten werden wir in einigen Jahren haben in unserer Stadt. Und dann wird um die Qualität gefeilscht, die Leute wollen dann auch eine schöne Straße haben und nicht nur eine Standardstraße.

Und dann muss die Hundesteuer noch weiter erhöht werden?
Nein, sie hat ja auch eine soziale Komponente. Aber wir müssen alle existierenden Steuern entsprechend der Inflationsrate anheben dürfen, und die Hundesteuer haben wir während meiner Amtszeit erst einmal angehoben. Nach 20 Jahren ist eine kleine Erhöhung verkraftbar, es sind ja keine großen Summen. Die Hundesteuer bringt auch nur 30.000 Euro Mehreinnahmen. Wir tun aber auch einiges für die Hundehalter, wie z. B. das Aufstellen der Tütenspender.

„Wenn man Hundehalter ist, hat man mehr Kontakt zu den Nachbarn.“

Haben Sie selbst einen Hund?
Bis 2012 hatte ich zwölf Jahre lang einen, der leider verstorben ist. Meine Frau hat mich dann vor die Wahl gestellt: Kein neuer Hund oder keine neue Kandidatur mehr zum Bürgermeister 2014. Da wir oft gemeinsam außer Haus sind, haben wir uns dann keinen neuen Hund mehr angeschafft. Aber wir wünschen uns wieder einen und sind sehr hundelieb.

Welchen Hund hatten Sie?
Einen Rauhaardackel namens Hexe.

Kam es schon einmal vor, dass ein Haushalt nicht durchging im Rat?
Während meiner Amtszeit nicht. Wir haben einen anderen Stil. Die Verwaltung wird mit eingeladen zu den Klausurtagungen der Parteien, dann reden noch mal die Fraktionsvorsitzenden untereinander, und dann nähert man sich an. Es besteht immer ein Interesse, eine breite Mehrheit zu bekommen und den Haushalt kompromissfähig zu erledigen. Dann kommen nicht wie in anderen Städten hunderte Anträge, die laufend abgelehnt werden – sondern es wird im Einvernehmen beschlossen.

Passiert es oft, dass Sie den Bundespräsidenten vertreten wie im Dezember bei der Ehrenpatenschaft für die kinderreiche Familie in der Südstadt?
Zweimal bisher. Als der Posaunenchor Steinhuder Meer in Großenheidorn 150-jähriges Jubiläum hatte, und eben bei der Familie in Wunstorf. Sieben Kinder sind nicht so häufig. In diesem Fall kommt nicht der Bundespräsident selbst, sondern bittet einen Repräsentanten darum, und das ist in der Regel der Bürgermeister. Das hätte ich anfangs auch nie gedacht, dass ich mal den Bundespräsidenten vertreten darf.

Warum fand die Überreichung der Ehrenpatenschaft während Ihrer traditionellen „Wunstorf-Tour“ an Heiligabend statt?
Der Bundespräsident hatte um einen würdevollen Rahmen gebeten. Eine Ehrung im Rathaus oder während einer Stadtratssitzung ist mit kleinen Kindern aber nur schwierig möglich, deswegen ist es der 24. Dezember geworden, bei der Familie zu Hause.

Was denken Sie, würde Greta Thunberg sagen, wenn sie nach Wunstorf käme? „Ihr macht das richtig hier?“ Oder „Ihr habt einen tollen Fahrradparkturm“?
Vielleicht, dass die Stadt auf einem guten Weg ist. Die Mülldeponie Kolenfeld und die Autobahn verhageln uns die CO2-Bilanz, ansonsten wären wir im guten Mittelfeld, vielleicht sogar im oberen Drittel. Wir machen Klimaschutz nicht erst seit jetzt, sondern schon etliche Jahre und sind sehr hinterher bei den Klimaschutzmaßnahmen. Es wird oft der Eindruck erweckt, wir täten zu wenig, aber das stimmt nicht. Wir haben fast sämtliche Straßenlaternen auf LED umgestellt, einen Geothermieatlas geschaffen, können also jedem Bauherren sagen, ob er mit Erdwärme heizen kann, entwickeln ein Beleuchtungskonzept fürs Rathaus, damit nachts nicht so viel Licht brennt. Ab 1. Januar verkaufen wir bei den Stadtwerken nur grünen Strom. Im März oder April kommen E-Auto-Ladestationen an den Schützenplatz, und wir pflanzen für 75.000 Euro neue Bäume. Und wir machen einen Arbeitskreis Fahrrad, um das Radfahren in der Stadt attraktiver werden zu lassen. Wir wollen das Auto nicht verteufeln, aber erreichen, dass man mit dem Fahrrad in der Stadt alles sehr gut erledigen kann.

Die Verwaltung hat sich aber z. B. sehr gesperrt gegen die Ausrufung des Klimanotstandes.
Das ist eine reine Worthülse, um sein Gewissen zu beruhigen. Mir geht es nicht um Symbolpolitik, sondern um konkrete Maßnahmen. Wir wissen, dass wir etwas machen müssen, vielleicht auch mehr, aber man muss auch sagen, was man ändern möchte auf dem Weg zur klimagerechten Stadt.

„Kein Mensch weiß, wie viel CO2 er im Jahr verbraucht“

Es gibt die Kritik, das wären alles nur Einzelmaßnahmen, es fehlte ein Gesamtkonzept.
Die Stadt Wunstorf allein kann das Klima nicht retten. Das ist Tatsache. Wir können nur dafür sorgen, dazu beizutragen. Ich glaube auch, dass die Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung, die CO2-Steuer, zu einem Umdenken führen werden, dass die Menschen auch sehen, wie man auch durch einfache Maßnahmen CO2 einsparen kann. Man muss nur richtig aufklären und sagen, was es kostet. Wenn eine Tonne CO2 mit 50 Euro bepreist wird, hat man im Durchschnitt 175 Euro zu zahlen. Bei einer Erdölheizung wären es sogar 240 Euro. Wir werden nie ganz runterkommen von der fossilen Energie, aber wir können den CO2-Ausstoß stark reduzieren mit neuen Heizungsanlagen.

Es gibt ja schon den Klimaschutzmanager in der Stadt. Warum wird er nicht stärker eingebunden? Wo läge das Problem, ein zusätzliches Kästchen auf den Beschlussvorlagen verpflichtend zu machen?
Er wird doch eingebunden. Das Kästchen allein reicht aber nicht aus. Der Klimaschutzmanager ist kein Organ wie etwa die Gleichstellungsbeauftragte, sondern Mitglied der Verwaltung, angesiedelt bei der Bauverwaltung. Es wäre nur eine weitere bürokratische Hürde, die dazu führen würde, dass sich alles weiter verzögert. Dann müsste man auch noch einen zweiten Klimaschutzmanager haben, wenn mal eine Vertretung benötigt wird. Ich finde, das ist auch nicht notwendig, denn gesetzliche Verpflichtung zur klimaverträglichen Umsetzung ist uns vorgegeben, da gibt es einen Haufen Dinge. Der Klimaschutzmanager soll Vorschläge unterbreiten, was wir technisch umsetzen können, und dann bekommt er die volle Unterstützung. Das reicht aus. Einen Tipp hätte ich noch: Wenn die Leute wirklich Feinstaub vermeiden wollen, sollten sie an Silvester nicht so viel herumknallen.

Dürfte sich Greta ins Goldene Buch der Stadt eintragen?
Das müsste ich mit dem Rat absprechen (lacht). Ich habe manchmal das Gefühl, dass das Verbreiten von Angst und Schrecken über den baldigen Weltuntergang eine Möglichkeit ist, Macht zu erhalten. Der Club of Rome hat 1972 gesagt, alle fossilen Energien sind zwischen 2002 bis 2005 aufgebraucht und man würde auf der Welt jetzt wieder wie zur Eiszeit leben. Das hat mich als junger Mensch damals sehr betroffen gemacht, aber was ist davon eingetreten? Nichts.

Die Fragen stellte Daniel Schneider
Dieses Interview erschien zuerst in Auepost 01/2020.

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