Die Corona-Maßnahmen werden schrittweise zurückgefahren. Wie lassen sich manche Lockerungen erklären, während aufrechterhaltene Beschränkungen kaum zu erklären sind?
Bei den Kneipen kommt es darauf an, ob es eine Speisekarte gibt. Das Speisen muss nicht im Fokus stehen, aber es müssen in einer Küche Speisen zuzubereiten sein. Mit solchen Feinheiten müssen wir uns derzeit auseinandersetzen. Oder die Personenschifffahrt zum Wilhelmstein – das ist erlaubter Personennahverkehr, aber Rundfahrten wurden vergleichbar mit einem Busunternehmen zu touristischen Zwecken angesehen. Das konnte ausgeräumt werden.
Gibt es Vorschriften, wo Sie selbst sagen, „das können wir den Leuten nicht vermitteln“?
Das geht schon beim Umfang los. 25 Seiten Verordnung – welcher Normalbürger soll das verstehen? Der Widerspruch besteht bei den Lockerungen selbst: Wir lockern, haben aber einen riesigen bürokratischen Verwaltungsaufwand – und der ist nur stichprobenartig kontrollierbar.
Kurz nachdem Sie im letzten Gespräch gesagt haben, dass Wunstorf direkt in der Corona-Krise nicht helfen kann, hat Bad Nenndorf ein Hilfsprogramm mit einigen hunderttausenden Euro für die örtliche Wirtschaft aufgelegt. Wieso geht das in Wunstorf nicht?
Bad Nenndorf hat eine ganz andere Gastronomie als wir, und eigentlich ist das die Zuständigkeit der Landkreise. Ich kann doch nicht ernsthaft eine Haushaltssperre verhängen und gebe dann auf der anderen Seite Geld für so etwas aus. Mit dem Gießkannenprinzip Gelder zu verteilen halte ich nicht für geeignet, Strukturen zu sichern. Das ist ein Strohfeuer. Wir unterstützen aber die Werbegemeinschaft, indem wir für knapp 4.000 Euro Citygutscheine kaufen – die sind für die Altersjubilare anstelle eines persönlichen Besuchs in Corona-Zeiten gedacht.
Gießkannenprinzip halte ich nicht für geeignet
Was bedeutet die Haushaltssperre konkret?
Wir wollen nicht in die Gefahr kommen, dass uns die Liquidität in diesem Jahr ausgeht. Wir können Kassenkredite aufnehmen über 14 Millionen, aber wenn 17 oder 18 Millionen Lücke entstehen, wären wir zahlungsunfähig. Um das abzuwenden, werden gewisse Beträge gesperrt. Bevor diese ausgegeben werden dürfen, muss bei mir oder Finanzreferentin Frau Baciulis die Genehmigung eingeholt werden. Wir schauen genau darauf, wie sich der Haushalt entwickelt, und geben das Geld dann frei oder nicht.
Betrifft das nur laufende oder auch zukünftige Projekte?
Es betrifft eigentlich nur die laufenden Kosten, keine Investitionen. Davon sind etwa 3 Millionen gesperrt. Auch im Finanzhaushalt haben wir natürlich die Bitte, bevor ein Projekt begonnen wird, intern die Abstimmung zu suchen, damit wir die Liquidität bewerten können. Denn die Investitionsrate ist für eine Stadt wie Wunstorf ohnehin sehr hoch – was wir uns vornehmen, das schaffen wir manchmal zeitlich gar nicht. Insofern passen wir durch die Haushaltssperre die Realität an die Haushaltslage an.
Gibt es Wechselwirkungen mit Förderungen?
Wenn Förderungen im Spiel sind, nehmen wir sie natürlich in Anspruch. Die Haushaltssperre hat mehrere Stufen, es geht zunächst nur darum, die Liquidität im Blick zu behalten. Die Botschaft ist: Wir können nicht so weitermachen wie in Vor-Corona-Zeiten, wir müssen mit dem Geld anders umgehen. Ist Gewünschtes sinnvoll oder lässt es sich ins nächste oder übernächste Jahr verschieben? Das betrifft oft auch kleinere Ausgaben.
Es bricht ja nicht gleich das ganze Abendland zusammen
Was ist mit größeren Projekten wie dem Barneplatz?
Das wird in der Politik tatsächlich diskutiert. Ich selbst wäre dafür, das Projekt nicht weiter zu verzögern und die Sanierung noch in diesem Jahr zu beginnen. Das Projekt ist zwar noch nicht begonnen, aber der Baubeschluss liegt vor und es hat eine ganz andere Priorität. Aber die Politik kann es immer noch stoppen vor der Ausschreibung.
Was wird auf gar keinen Fall gestrichen?
Projekte bei Schulen und Kindergärten sind das Letzte, was wir einsparen würden.
Warum wird die Stelle für die Gleichstellungsbeauftragte neu ausgeschrieben? Neben der Ronnenberger Kandidatin hatten sich doch 32 weitere Interessentinnen beworben.
Das hat zwei Gründe. Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, dass die Bewerberinnen zweite Wahl sind, und die Politik hat einen neuen Schwerpunkt auf Integrationsarbeit gewünscht, es soll ein großer Schwerpunkt bei der Gleichstellung werden. Das wurde bei der ersten Ausschreibung nicht deutlich genug. Wir geben nun allen noch einmal die Chance, sich auch auf den Punkt Integration hin zu bewerben.
Warum hat die ursprüngliche Favoritin so kurzfristig abgesagt?
Das wissen wir nicht. Sie war fachlich gut. Aber es ist ja nicht nur so, dass die Stadt die Bewerberin kennenlernt, sondern die Bewerberin lernt auch ihren Arbeitgeber kennen. Auch dabei kann sich herausstellen, dass es nicht passt.
Das Timing war dann aber nicht gut. Fallen solche Unwägbarkeiten nicht schon früher im Auswahlverfahren auf?
Eine frühere Absage hätten wir uns natürlich gewünscht, aber es ist nun eben so gelaufen. Das passiert schon mal.
Warum muss eigentlich die Stadt bezahlen, wenn die OHE neue Übergänge bekommt? Da ist zuletzt der Eindruck entstanden, dass die OHE der Stadt bei der Lärmvermeidung nur entgegenkommt, wenn sie sich finanziell beteiligt.
Das liegt am Eisenbahnkreuzungsgesetz. Da können wir gar nichts machen. Wir müssen ein Drittel der Kosten gesetzlich übernehmen. Das war z. B. bei der Verbreiterung der Barneunterfühung genauso. Für die Vergrößerung sollten wir 1,8 Millionen anteilig zahlen. Dann habe ich nachverhandelt, und aus den ursprünglichen 3,90 Metern Höhe sind dann 2,60 geworden – so dass die Feuerwehr mit der Drehleiter noch durchkommt, große LKWs aber nicht. Dafür gab es dann eine Gutschrift, so dass es letztlich nur 90.000 Euro gekostet hat.
Welche Bahnübergänge müssen alle umgebaut werden und was kostet das?
Es geht um insgesamt 5 Bahnübergänge, nämlich am Blumenauer Kirchweg, wo der Bauhof ist, dann der Radweg an der Aue, wo auch die Brücke erneuert werden muss, Nordrehr/Neustädter Straße, Am Hohen Holz, an der Obi-Kreuzung und dann noch die Glück-Auf-Straße in Bokeloh. Neben Nordrehr/Neustädter Straße müssten zwei weitere Bahnübergänge für ca. 60.000 € Umbauten erhalten, damit das Pfeifen unterbunden werden kann. Bei den anderen ist keine Wohnbebauung in der Nähe – oder das Pfeifen wird aus anderen Gründen nicht notwendig sein. Für die Schrankenanlage an der Sölterkreuzung nimmt die OHE viel Geld in die Hand, das kostet 600.000 Euro, davon ist der Anteil der Stadt 100.000 Euro. K+S kommt uns mit einer Beteiligung entgegen, einen Anspruch haben wir aber nicht.
Rechtfertigt die Lärmreduzierung diese Kosten?
Wenn ich da wohnen würde, würde ich es auch nicht lustig finden, wenn jeden Tag die Pfeifsignale kommen. Das muss vermieden werden. Allerdings leben wir in einer Stadt, jeder hat seine Lasten zu tragen. Ich wohne auch an einer Bahnlinie, der Fliegerhorst macht Emissionen, und in Kolenfeld verläuft die Autobahn. Wenn man so wohnt, kann man nicht davon ausgehen, dass man ohne jegliche Lärmemissionen auskommt.
Die Ente im Backofen verbrannte
Teilen Sie die von Herrn Rehkopf im Rat geäußerten Bedenken, dass die Lastwagen bald von der Hochstraße bis zur Sölterkreuzung stehen?
Das wird nicht passieren. Herr Rehkopf hat die Dinge im Auge, die ich als kleines Kind auch erlebt habe: Ich werde nie vergessen, wie wir immer zu Weihnachten auf dem Weg zu den Großeltern an der Schranke standen (an Stelle der heutigen Hochstraße, Anm. d. Red.). Am ersten Weihnachtstag eine Dreiviertelstunde, wir kamen nicht rüber, und die Ente im Backofen verbrannte. Das war ein Riesenproblem damals, die Wartezeit konnte man nicht abschätzen. Es kamen auch mehrere Züge beidseitig. Das ist an der Neustädter Straße an der eingleisigen Strecke anders, und die Schranke geht nach 2 Minuten wieder auf.
Vorausgesetzt, die 2 Minuten Schrankenschließung können realisiert werden.
Wenn es bei den derzeitigen 6 Minuten bleibt, dann muss ich Abbitte leisten bei Herrn Rehkopf, dann wird sich der Verkehr in Spitzenzeiten wirklich bis zur Hochstraße stauen.
Wieso priorisiert die Landesbehörde solche Dinge nicht? Das muss sich doch beschleunigen lassen?
Die Stadtverwaltung in Hannover hat für 500 Ampeln 10–12 Mitarbeiter. In der Region hat die Landesbehörde nach eigener Aussage für ihre ca. 600 Ampeln 2 Mitarbeiter. Es wurde mir gesagt, dass schlicht keine Kapazitäten vorhanden sind. Derzeit ist die Behörde mit der Umgehungsstraße in Hemmingen beschäftigt, die hohe Priorität hat.
Die Fragen stellte Daniel Schneider
Dieses Interview erschien zuerst in Auepost #9 (06/2020).
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